Krimm, Herbert 

Geburtsdatum/-ort: 06.11.1905; Przemysl (Galizien, heute Polen)
Sterbedatum/-ort: 22.01.2002;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Gründer des Diakoniewissenschaftlichen Instituts der Universität Heidelberg, Praktischer Theologe
Kurzbiografie: 1915–1923 Gymnasium in Wien u. Salzburg
1923–1927 Studium d. ev. Theologie in Wien, Kiel, Zürich u. wieder Wien
1927 u. 1928 I. u. II. theol. Examen in Wien, Ordination
1927–1936 Stadtvikar in Wien
1932 u. 1938 Promotion in Wien: „Die Agende d. niederösterr. Stände vom Jahre 1571“ u. Habilitation in Leipzig: „Der Gottesdienst, sein Gehalt u. sein Gefüge“
1933 Eintritt in die Ev. Michaelsbruderschaft, Mitglied bis etwa 1965
1936–1946 Sachbearbeiter Diaspora beim Gustav-Adolf-Werk in Leipzig; 1937–1939 gleichzeitig Leiter eines Studentenheims für auslandsdeutsche Theologiestudenten
1940–1945 Kriegsdienst, seit 1942 als Wehrmachtspfarrer; amerikanische Gefangenschaft, Lazarettseelsorger
1946–1956 Hauptgeschäftsführer 1946, Direktor 1951 im Zentralbüro des Hilfswerks d. Ev. Kirche in Deutschland in Stuttgart
1956 IV–IX Generaldekan u. Leiter des Ev. Kirchenamts für die Bundeswehr in Bonn
1951–1971 nebenamtl. Dozent, 1954 Honorarprofessor, 1960 ao. Professor, 1961 o. Professor; Gründer u. Direktor des Diakoniewiss. Instituts d. Univ. Heidelberg; 1962/63 u. 1968/69 Dekan d. Theol. Fakultät Heidelberg; 1971 Entpflichtung auf eigenen Antrag
1956–1961 Gemeindepfarramt mit Klinikseelsorge (1960/61 Vakanzverwalter) in Schlierbach bei Heidelberg
1971–1977 Seelsorger an d. Pfälz. Nervenklinik Landeck/Klingenmünster
1976 Großes Bundesverdienstkreuz
1977–1990 ehrenamtl. Tätigkeiten in Gemeindepfarramt u. Urlauberseelsorge; Vorlesungen in Liturgik
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1937 (Heidelberg) Bertha, geb. Rohde (1913–1994)
Eltern: Vater: Robert (1871–1945), Offizier
Mutter: Hermine, geb. Binder (1870–1967)
Geschwister: Norbert (1915–2012), Ingenieur
Kinder: 4;
Ursula (geboren 1938), Geigerin,
Robert (geboren 1941), Pfarrer,
Konrad (geboren 1946), Archivar,
Herbert (1952–1980), Physiker
GND-ID: GND/118724460

Biografie: Gerhard Schwinge (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 279-281

Der nüchterne tabellarische Lebenslauf lässt bereits erkennen, welch lange, wechselvolle, unermüdlich arbeitsreiche Zeit das Leben von Krimm umschlossen hat: von der Habsburger k. u. k.-Monarchie bis ins europäische 21. Jahrhundert, nach vielen beruflichen Stationen noch ehrenamtliche Tätigkeit bis ins 85. Lebensjahr.
Krimms Leben begann und endete mit seinem Engagement für die Liturgiegeschichte und die lutherische liturgische Praxis. Der „protestantischen Hypertrophie der Predigt“ setzte er die Einheit von Wortverkündigung und Sakrament im Abendmahl entgegen. 1933 trat er in die zwei Jahre zuvor entstandene Evangelische Michaelsbruderschaft innerhalb der Berneuchner Bewegung ein. Gleichwohl standen, seit der Notsituation nach dem II. Weltkrieg, die Praxis einer bewusst kirchlichen Diakonie und die Diakoniewissenschaft ebenfalls im Mittelpunkt seines Denkens und Wirkens: seit 1946 durch die Leitung des evangelischen Hilfswerks im Nachkriegsdeutschland während zehn Jahren, mit einer großen Zahl von Arbeitsbereichen, und durch die Gründung und Prägung des Diakoniewissenschaftlichen Instituts an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Heidelberg 1954, des ersten Instituts dieser Art, zunächst in kirchlicher, nicht staatlicher Trägerschaft. Hinzu kam dann seit 1956 die intensive, vielfältige Gemeindearbeit als Pfarrer in der liberalen badischen Unionskirche und seit 1971, begonnen im 65. Lebensjahr, die Klinikseelsorge.
Immer wieder waren es Persönlichkeiten, die Krimm auf seinem Lebens- und Berufsweg begleiteten und diesen mitbestimmten: Seit der Wiener Zeit war es die Freundschaft mit dem deutschen Diplomaten Hans Bernd von Haeften, der zum Kreisauer Kreis gehörte und zehn Jahre später zu den Opfern des 20. Juli 1944 zählte. Nach dem II. Weltkrieg kam es durch die Verbindung zu Eugen Gerstenmaier, dem Gründer des Hilfswerks und späteren Bundestagspräsidenten, der ebenfalls aus dem Widerstand kam, zu einer wichtigen neuen, längeren Tätigkeit. Zu dem Bonner Zwischenspiel war es durch den damaligen Militärbischof und ehemaligen Pfarrer der Bekennenden Kirche Hermann Kunst gekommen, der verständnisvoll zustimmte, als Krimm das Amt des Generaldekans nach wenigen Monaten wegen der Kommunikationsprobleme mit den ihm untergeordneten Militärdekanen wieder aufgab. Während der Jahre am Heidelberger Diakoniewissenschaftlichen Institut und danach war es schließlich Paul Philippi, der enge Mitarbeiter und spätere Nachfolger Krimms.
In all diesen Jahren entfaltete Krimm eine umfangreiche theologische und kirchliche Publikationsarbeit. In einem Vollständigkeit anstrebenden Verzeichnis wurden außer den Monographien und Herausgeberwerken hunderte Aufsätze und Beiträge, Artikel und sonstige kleinere Texte, Predigthilfen und Meditationen zu biblischen Texten, Lexikonartikel und Sammelrezensionen aus den Jahren 1933 bis 1993 aufgelistet.
Krimm hat mit seinem Wollen und Wirken schon zu Lebzeiten gebührende Aufmerksamkeit und Förderung erfahren. In Gesellschaft, Universität und Theologie wurden die 1960er-Jahre durch Tendenzen bestimmt, die ihm nicht entsprachen. Sein Tod jedoch wurde dann nach drei Jahrzehnten Abwesenheit von der Universität zum Anlass, Krimm im Rückblick durch eine Gedenkschrift gebührend zu würdigen.
Quellen: UA Heidelberg PA 2822 u. Nachlass Herbert Krimm − in Privatbesitz sowie je ein Ex. im Diakoniewiss. Institut/DWI Heidelberg u. im UA Heidelberg, Nachlass Herbert Krimm.
Werke: Vollst. Schriftenverzeichnis (Monographien, Herausgeberschriften Aufsätze u. Beiträge in wiss. Sammelwerken, Artikel u. sonstige kleinere Texte, Predigthilfen u. Meditationen, Lexikonartikel, Sammelrezensionen) bei Wolfes, Herbert Krimm, Biogr.- Bibliogr. Kirchenlexikon, Bd. XXV, 2005, Sp. 739-750. – Auswahl (selbstständige Monographien): Die Agende d. Niederösterreich. Stände vom Jahre 1571, Diss. theol. Wien 1933, in: Jb. d. Ges. für d. Geschichte d. Protestantismus in Österreich 55, 1933, 3-64 u. 57, 1935, 51-70; Der Gottesdienst, sein Gehalt u. sein Gefüge, Habilschrift Leipzig 1938, Typoskript, erneuert 1950, ein Ex. bei d. Theol. Fakultät Heidelberg; Der Bote aus d. Heimat. Ein Büchlein von unserem irdischen u. ewigen Vaterhaus, 1947; (mit Eugen Gerstenmaier u. Christian Berg): Die Kirche in d. Öffentlichkeit, 1948; Gang durch d. Jahr. Predigten auf d. Kirchenjahr, 1959; Beistand. Die Tätigkeit des Hilfswerks d. Ev. Kirchen in Deutschland für Vertriebene u. Flüchtlinge nach 1945. Eine Darstellung u. Dokumentation, 1974; Studienbuch Liturgik (Version 1972), o. J. [2005]. Herausgeber: Das Antlitz d. Vertriebenen. Schicksal u. Wesen d. Flüchtlingsgruppen in Selbstdarstellungen, 1949; Das diakonische Amt d Kirche, 1953, überarb. 2. Aufl. 1965; Das diakonische Amt d. Kirche im ökumen. Bereich, 1960 (219 S.), überarb. 2. Aufl. 1965. (606 S.); Quellen zur Geschichte d. Diakonie, Bd. 1. Altertum u. Mittelalter, Bd. 2. Reformation u. Neuzeit, Bd. 3. Gegenwart, 1960–1967; Der gefährdete Mensch in d. Sicht d. Wissenschaften, 1970; Grenzüberschreitende Diakonie. Paul Philippi zum 60. Geburtstag, 1984; Autobiographie: Im zweiten Glied. Ereignisse u. Erinnerungen aus drei Vierteln eines Jahrhunderts, niedergelegt für Kinder u. Enkel, Bd. 1, 1905−1945, Bd. 2, 1945−1980 (150 S. Typoskript) o. J. [ca. 1995].
Nachweis: Bildnachweise: Foto (ca. 1970), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 280, Familienbesitz. – UA Heidelberg, Bildnissammlung; Möller, 2015, 350.

Literatur: V. Herrmann (Hg.), „Liturgie u. Diakonie“. Zu Leben u. Werk von Herbert Krimm, 2003; Matthias Wolfes, Herbert Krimm, in: Biograph.-Bibliograph. Kirchenlexikon, Bd. XXV, 2005, Sp. 739-750 – Ergänzungen seit 2005: Christian Möller, Herbert Krimm, oder: Liturgie u. Diakonie als Herzschlag u. Handschlag d. Kirche, in: ders., Die homiletische Hintertreppe. Zwölf biograph.-theol. Begegnungen, 2007, 174-187; Dagmar Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933–1986, 2009, 363f.; Volker Herrmann, Diakonische Gemeinde u. gesellschaftl. Diakonie. Die Kontroverse zwischen Herbert Krimm u. Heinz-Dietrich Wendland, in: ders. (Hg.), Soziales Leben gestalten. Beispiele u. Herausforderungen, 2009, 232 244, auch in: T. Sarx (Hg.), Protestantismus u. Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte von Kirche u. Diakonie im 19. u. 20. Jh., 2013, 165-176; Konrad Krimm [Sohn], Biografische Anmerkungen zum Thema (Ev. Pfarrhaus), Herbert Krimm im Pfarrhaus in Schlierbach, in: Das ev. Pfarrhaus im deutschsprachigen Südwesten, Oberrhein. Studien 32, 2014, 335-338; Christian Möller, Herbert Krimm (1905–2002), in: G. Schwinge (Hg.), Lebensbilder aus d. ev. Kirche in Baden im 19. u. 20. Jh., Bd. IV, 2015, 350-365.
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