Schönleber, Hans Otto 

Geburtsdatum/-ort: 12.11.1889;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 20.06.1930;  Stuttgart (Suizid)
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie: 1908–1913 Studium der Medizin in Freiburg im Breisgau, Berlin und Kiel
1914 Promotion an der Univ. Freiburg im Breisgau und Approbation als Arzt
1914 Militärausbildung und Beförderung zum Unterarzt
1914–Nov. 1918 als Arzt im Kriegsdienst
Dez. 1918– Jan. 1919 Sanatorium in Baden
SS1919–WS 1919/20 Volontärassistent am Pharmakologischen Institut der Univ. Heidelberg (evtl.
Beginn einer Habilitations-Schrift)
Juli 1919 Ausreisegenehmigung nach Wien
1920 Aufgabe des Arztberufs
1921 Niederlassung in Feldafing am Starnberger See
Mai 1921 Reise an der Oberen Donau
Mai/Juni 1922 Reise durch Niederbayern
1926 Reise nach Sizilien
1928 Reise nach Frankreich (Bretagne, Paris)
1928 Übersiedlung nach Stuttgart, Aufgabe des gemeinsamen Lebens mit Gertrude Schönleber und Studium an der Kunstakademie bei Heinrich Altherr
1929 Teilnahme an Ausstellung der Stuttgarter Sezession (Holzschnitt Gehölz am Meer)
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1921 Gertrud, geb. Hoch, Schauspielerin, Tochter des Malers Franz X. Hoch
Eltern: Vater: Gustav Schönleber (1851–1917), Maler, 1880–1913 Prof. an der Kunstakademie Karlsruhe
Mutter: Luise
Geschwister: Felix, (1885–1911), Bildhauer (Suizid)
Kinder: Marianne (* 12.12.1924)
GND-ID: GND/118758942X

Biografie: Monika Spiller (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 260-262

Hans Otto Schönleber, der einem kunstsinnigen, großbürgerlichen Elternhaus entstammte, entschied sich zunächst für den Arztberuf, den er bis 1919 auch ausübte. Kaum hatte er das Studium abgeschlossen, wurde er in die Schrecknisse des Ersten Weltkrieges geworfen. Er erlebte als junger Arzt von Januar bis Juli 1915 die Kämpfe am Hartmannsweiler Kopf, in Obersengern und am Schratzmännle (Oberelsaß), wurde 1915 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet und zum Assistenzarzt befördert. Im April 1916 erhielt er den Zähringer Löwen-Orden II. Klasse. Im August 1918 erfolgte die Beförderung zum Oberarzt der Reserve.
Bis zum Dienstaustritt im November 1918 durchlief er verschiedene Lazarette (Karlsruhe, Heidelberg). Wie viele aus seiner Generation durchlebte er das unmenschliche Grauen des Krieges und geriet damit in eine tiefgehende existentielle Krise, die schließlich dazu führte, dass er sich von der Medizin abwandte und einen Neubeginn als Künstler versuchte.
Die frühen graphischen Blätter, beispielsweise „Der Fuhrmann des Todes“, Kaltnadel-Radierung, 1921, oder „Das Irrenhaus“, Kupferstich, um 1920, widerspiegeln in transformierter Form die Kriegserlebnisse, denen er als Arzt, aber auch selbst als Patient, in verschiedenen Lazaretten ausgesetzt war. „Durch meine Wandlung zur Kunst habe ich, und das merke ich in so vielem, meinen eigenen Menschen erst gefunden. Vergeblich habe ich die Welt erkennen wollen, das Reale wissen, führt zu keiner Weltanschauung, die das Rätsel des Lebens löst und uns mit ihm versöhnt; erst das Empfinden, was hinter den Dingen steht.“ (Brief an die Mutter, Luise Schönleber, vom 18.4.1920). Diese Orientierung prägt sein expressives Menschenbild, wie es in den Zyklen „Ein Totentanz“ (1921/1922), „Faust II“ (1923/1924), „Eliasfolge“ (1925, 1927/1928) oder zu Lord Byrons „Cain. A Mystery“ (1924) sowie zu dessen „The prisoner of Chillon“ (1928) zum Ausdruck kommt. Bevorzugt zeigt Schönleber Menschen in Ausnahmesituationen. Der Tod spielt immer wieder eine zentrale Rolle. In ihrer Eindringlichkeit kaum zu übertreffen ist die psychologisch tieflotende Ausdruckskraft solcher Porträtstudien wie z. B. „Der Gelehrte“, „Der Irre“, „Der Psychiater“ aus der Reihe „Menschen und Menschliches“ (1920/1921).
In die Landschaften von Hans Otto Schönleber kann man gleichsam mit den Augen hineinwandern; ihren Linien folgend gelangt der Betrachter in klar gegliederte, weite Räume mit Baumgruppen. Ein Sog scheint von ihnen auszugehen und ein leiser Zug von Melancholie liegt über allem. Sie wirken anziehend und abstandgebietend zugleich. Wer sich in diese Landschaften hineinbegibt, bleibt allein in der Natur; sie sind überwiegend menschenleer. Allerdings bezeugen Wege, Straßen, ferne Häusergruppen, Brückenbauten, landwirtschaftliche Kulturen die Existenz des Menschen. Nicht selten fühlt man sich in ferne, vorindustrielle Zeiten versetzt. Landschaften von Schönleber erinnern einerseits an jene der Meister der Donauschule, an Albrecht Altdorfer, auch an Albrecht Dürer, von dem Schönleber um 1920 einige Stiche (z. B. „Die Heilige Familie mit der Heuschrecke“ und „Kreuzigung“) kopierte, stehen andererseits teilweise, z. B. in jenen Blättern, die nach den Studienreisen nach Sizilien und Frankreich entstanden, auch dem magischen Realismus nahe. Die Arbeiten von Schönleber insgesamt wollen so gar nicht in das landläufige Klischee der „goldenen 20er Jahre“ passen, deren Kehrseite andere Künstler wie z. B. Otto Dix oder George Grosz mit beißender Satire gezeigt haben. Während sich damals die heute klassisch genannte Moderne durchzusetzen begann, griff Schönleber auf das Instrumentarium der alten Meister zurück: zwei Drittel seines druckgraphischen Werks nehmen die Kupferstiche ein. Mit diesem Rückgriff war Hans Otto Schönleber durchaus nicht allein; nach der Formrevolte des Expressionismus und der abstrakten Kunst und den tiefen Erschütterungen, die Weltkrieg und nachfolgende revolutionäre Bewegungen zur Folge hatten, suchten in den zwanziger Jahren viele Künstler nach Ausdrucksmitteln, die eine starke Betonung des Bildgegenstands erlaubten. Die präzise, strenge Technik des Kupferstichs bot diese Möglichkeit, sie bedeutet zugleich auch eine klare Absage an alles Improvisatorische oder Zufällige und erfordert das klare Durchdenken jeder einzelnen Linie.
Schönleber schuf in den knapp zehn Jahren vom Kriegsende bis zu seinem versuchten Neubeginn als Maler ein druckgraphisches Werk von mehr als 150 Arbeiten, davon waren zwei Drittel Kupferstiche, ein knappes Drittel Holzschnitte und einige Radierungen.
Signaturen: HSch, HS ligiert, meist mit Jahreszahl versehen sowie die seiner Frau Gertrude Schönleber gewidmeten Blätter, die mit HST (T für „Trudi“) signiert sind.
Werke: von Schönleber befinden sich in folgenden Museen und Galerien: Albstadt, Städtische Galerie; Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Sammlung der Zeichnungen und Druckgraphik; Burghausen, Stadtmuseum; Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität, Institut für Geschichte der Medizin; Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie; Hamburg, Kunsthalle; Hannover, Sprengel-Museum; Kaiserslautern, Pfalzgalerie Kaiserslautern, Graphische Sammlung; Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Kupferstichkabinett und Städtische Galerie im Prinz Max Palais; Kiel, Kunsthalle und Christian-Albrechts-Universität, Graphische Sammlung; Konstanz, Städtische Wessenberg-Galerie; Knittlingen, Faust-Museum und Faust-Archiv; Mannheim, Staatliche Kunsthalle; München, Staatliche Graphische Sammlung; Stuttgart, Staatsgalerie, Graphische Sammlung; Ulm, Ulmer Museum.

Literatur: ThB 30, 1936; Vollmer IV, 1958; Der Türmer XXX/2, 1928; Hermann Nasse, Hans Otto Schönleber, in: Die Graphischen Künste LIII, H. 2/3, 1930; Die Kunst für Alle XLVII, 1931/32; Th. Musper, Hans Otto Schönleber zum Gedächtnis, o. O., o. J. (1932); Hans Otto Schönleber, in: Kunst- und Antiquitätenrundschau, H. 10 (1936), 1936; Ein deutscher Graphiker: Hans Otto Schönleber, in: Die Jugend Nr. 5 (1938), 1938; Ekkhard, Jb. für das Badner Land 1959; Edith Ammann, Das graphische Werk von Hans Otto Schönleber, Schriften der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, H. 6, 1961; Hans Otto Schönleber. Das Graphische Werk, Kupferstiche und Holzschnitte, Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, in: Karlsruher Fächer, Heft 17/61, (Sept. 1961), 1961; Karl August Reiser, Deutsche Graphik von Leibl bis zur Gegenwart, Schriftenreihe der Hans-Thoma-Gesellschaft, 1964; Alfred Hoentzsch, Erinnerung an Hans Otto Schönleber, in: Illustration 63, Zs. für Buchillustration, H. 3/1971; Mensch und Tod. Totentanzsammlung der Univ. Düsseldorf, Ausstellungskatalog Goethe-Museum Düsseldorf, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück et alt., 1978; Thema Totentanz. Ausstellungskatalog Mannheimer Kunstverein 1986, 1986; Originalgraphik aus fünf Jh. Ausstellungskatalog Ulmer Kornhaus, 1990; Hans Otto Schönleber (1889–1930). Das druckgraphische Werk, Werkverzeichnis und Ausstellungskatalog, Städtische Galerie Albstadt, 1997.
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