Panzer, Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 04.09.1870; Asch/Böhmen
Sterbedatum/-ort: 18.03.1956;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Germanist
Kurzbiografie: 1888-1893 Studium der Germanischen Philologie, Kunstgeschichte, Archäologie, Geschichte und Philosophie in Leipzig, Jena, München und Wien. Lehrer u. a.: Wolfgang Golther, Rudolf Hildebrand, Friedrich Kluge, Eduard Sievers und Friedrich Zarncke
1893 Promotion in Germanischer Philologie bei Eduard Sievers in Leipzig
1894 Habilitation bei Hermann Paul in München
1894-1901 Privatdozent in München, ab 1897 in Freiburg i. Br.
1901-1905 außerordentlicher Professor in Freiburg i. Br.
1905-1919 ordentlicher Professor an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaft in Frankfurt a. M. (1911-1912 Rektor, 1914 ordentlicher Universitätsprofessor, 1919 Dekan der Philosophischen Fakultät)
1919 ordentlicher Universitätsprofessor Heidelberg, Philosophische Fakultät (Nachfolger Braunes)
1920 Universität Köln
1920 Professor Heidelberg
1925-1926 Dekan der Germanistisch-Philologischen Fakultät Heidelberg
1926-1927 Rektor der Universität Heidelberg
1936 Emeritierung in Heidelberg
1940-1941 Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (korrespondierendes Mitglied der Akademie zu Wien und München)
1942 Ehrensenator der Universität Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1894 Helene Emilie Anna, geb. Klaubert
Eltern: Vater: Gustav Panzer (1836-1923), Fabrikant
Mutter: Aurelia Klara, geb. Holstein (1842-1873)
Geschwister: keine
Kinder: 3 Söhne, 3 Töchter
GND-ID: GND/11878952X

Biografie: Hugo Steger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 262-264

Panzer, Sohn eines Fabrikanten, wuchs in der Donaumonarchie auf. Nach der Grundschule in Asch besuchte er sieben Jahre lang, bis zur Reifeprüfung, das Gymnasium in Eger.
Ab 1888 studierte er in Leipzig, Jena, München und Wien Germanische Philologie, Kunstgeschichte, Archäologie, Geschichte und Philosophie. Seine berühmtesten Lehrer waren in der Germanistik Wolfgang Golther, Rudolf Hildebrand, Friedrich Kluge, Eduard Sievers, Friedrich Zarncke.
Seine bei Sievers in Leipzig angenommene Dissertation von 1893 stellte das Leben und Dichten Meister Rûmzlants, eines in Sachsen geborenen Spruchdichters des 13. Jahrhundert, dar. Am junggrammatischen Positivismus der Philologie geschult, legte Panzer auf knappem Raum die Überlieferung, die Biographie sowie die grammatischen, stilistischen, metrischen und lexikalischen Gegebenheiten dar. Ein Jahr später, 1894, erfolgte bereits (bei Hermann Paul) in München seine Habilitation mit der (nur 60seitigen!) Schrift „Lohengrinstudien“, die sich in der methodisch schon vorher eingeschlagenen Weise mit der Überlieferungsbeschreibung und der Erforschung des Verhältnisses des thüringischen Lohengrin und des bairischen Lorengel beschäftigt und dabei die Quellenfrage und die Verfasserschaftsproblematik erheblich förderte.
Nach dreijähriger Tätigkeit als Münchner Privatdozent wechselte Panzer 1897 in der gleichen Eigenschaft nach Freiburg i. Br. über, wo er dann auch von 1901 bis 1905 als außerordentlicher Professor wirkte. Von 1905 an war er Ordinarius für Germanische Philologie in Frankfurt. Mit einem Zwischenspiel, 1920, in Köln, lehrte er sodann 1919 und ab 1921 bis zu seiner Emeritierung, 1936, in Heidelberg. Die Möglichkeit, 1927, nach Berlin zu gehen, schlug er aus.
Ab 1940 war er Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Er war Geheimer Regierungsrat und korrespondierendes Mitglied der Akademien in Wien und München.
Er starb, bis zuletzt wissenschaftlich arbeitend, 1956.
Von seinen Zeitgenossen werden an Panzer das „Pneuma, das von der ganzen Persönlichkeit ausstrahlt“ (Kienast 1950), seine Väterlichkeit und Führungskraft besonders hervorgehoben. Er erhielt die Brüder Grimm Gedenkmünze der deutschen Gesellschaft für Volkskunde (1930) und die Goethe Medaille und war seit 1942 auch Ehrensenator der Universität Heidelberg.
Panzer hat auf den Gebieten der mittelalterlichen Literaturgeschichte und der deutschen Sprachgeschichte bedeutende Leistungen vollbracht. Einen Schwerpunkt in seinen zahlreichen qualitätsvollen und fast immer innovativen literaturwissenschaftlichen Arbeiten bildete die integrative Erforschung von Märchen und Sage als „volksläufiger Erzählliteratur“ in ihrer Verbindung zu den Stoffen und Formen der germanischen Heldensage. Sein zusammenfassendes Hauptwerk zum Nibelungenlied erschien noch 1955, kurz vor seinem Tode. Weitere wichtige Arbeiten gruppieren sich schwerpunktmäßig um die staufische Klassik, neben der Lyrik vor allem um Wolfram von Eschenbach, zu dem schon seine Lohengrinstudien Beziehungen herstellten. Für Wolfram hatte er zuerst die Literatur übersichtlich zugänglich gemacht (W 1897), und ihm widmete er 1940 die für die Beurteilung der Bildung Wolframs und die Beziehung von Wort- und Bildquellen wichtigen Gahmuret-Studien.
Aus seiner kunsthistorischen und archäologischen Ausbildung erwuchs seine ebenfalls lebenslang durchgehaltene Beschäftigung mit der gegenseitigen Erhellung von Wort- und Bildkunst und von außerliterarischen Quellen im Mittelalter. Von der frühen Arbeit über Dichtung und Bildende Kunst (W 1904) bis zur Anregung der bis heute fortgesetzten Bearbeitung der Inschriften des Mittelalters, die in den Händen der Heidelberger Akademie liegen (1938 ff.), reicht dabei seine Wirkung.
In der Sprachwissenschaft hat er sich seit seiner Dissertation vor allem mit der Wortforschung beschäftigt und dabei auch eine erhebliche Breitenwirkung durch die allgemeine Verständlichkeit seiner Publikationen erzielt. Ein Beispiel dafür ist sein Büchlein „Der deutsche Wortschatz als Spiegel deutschen Wesens und Schicksals“ (W 1938, 1940).
Panzer gehörte wesentlich zu denjenigen, die die Germanistik aus ihrer positivistisch-junggrammatischen Enge herausgeführt haben, ohne die Tugenden dieser Forschungsrichtung aufzugeben. Dies ließ ihn nach einer stärker geistes- und mentalitätsgeschichtlichen Richtung suchen, ohne die philologische Kontrolle am Text aufzugeben, auch um damit größere Wirkungen auf den Deutschunterricht an Gymnasien erzielen zu können. Panzer hielt deshalb auch die programmatische Rede zur Gründung des deutschen Germanistenverbandes (W 1912) und blieb dem Thema einer Verbesserung des Deutschunterrichts ständig verbunden, indem er z. B. in den 20er Jahren Handbücher für den Deutschunterricht und Schullesebücher mit betreute.
Panzer war ein Gelehrter, der (vielleicht auch aufgrund seiner Herkunft aus den Sudetenländern) der weitverbreiteten nationalen, völkischen Ideenwelt der Zeit vor und nach dem ersten Weltkrieg verbunden war und sie mit entwickelte: Volk, Gemeinschaft, Volkstum, Volksseele u. ä. Begriffe waren ihm dabei wesentlich konstituiert durch Sprache. Ihr maß er in dieser Zeit die größte Bedeutung bei der Herausbildung von Nationen bei, und er sah die durch Sprache gefestigten Begriffe in den europäischen Nationen in jeweils eigenständiger Weise verkörpert. Nur vergleichsweise schwach sind bei ihm durchweg die damals üblichen Feindbilder konturiert, ja, aus der Wagner-Rede kann man sogar ein Plädoyer für eine deutsch-französische Verständigung herauslesen (W 1933, 14). Den schon seit den 20er Jahren vielfach diskutierten Rassegedanken als Grundmerkmal von Volkheiten lehnte er in dieser Zeit mehrfach explizit und argumentierend ab. Später legte er aber dann doch Wert darauf, schon am 20.1.1933 einen Vortrag gehalten zu haben, in dem es hieß: „Es ist heute deutsche Überzeugung, daß ein Volkstum in erster Linie aus Blut und Boden erwächst ...“ (W 1937, 379 und 377). Auch 1938 (1940) erschien ihm nun „Sprache“ als der Ausdruck rassisch begründeter Weltsicht (6 f.), und 1939 haben auffallende Übereinstimmungen zwischen dem ältesten provenzalischen Troubadour und dem ersten deutschen Minnesänger „einen allgemeinen geschichtlichen Grund in der gemeinsamen Zugehörigkeit des deutschen wie französischen Adels zur germanischen Rasse ...“ (W 1939, 143). Die Sprache als gesellschaftskonstituierende Kraft war nun an die zweite Stelle gerückt, blieb aber im übrigen auch in der vorher vertretenen Richtung sein Hauptthema.
Für die Anfang 1933 relativ weit gediehenen Pläne zu einem „Reichsamt für die deutsche Sprache“, dessen Direktor autoritäre Entscheidungen zur Sprachnormierung, Sprachlenkung und Sprachpolitik treffen können sollte, erstellte Panzer ein zustimmendes Gutachten. Bei einer Sitzung, bei der, trotz erheblicher Widerstände von Germanisten und vom Deutschen Sprachverein, der Grundsatzbeschluß zur Gründung dieses Amtes gefaßt wurde, hielt er dementsprechend die abwägende, aber positiv empfehlende Rede (W 1933, 614 ff.; Christians 1933, 609 ff., bes. 613). Dieser von der deutschen Akademie, der Gesellschaft für deutsche Bildung und der Reichsrundfunkgesellschaft, offenbar unter Beteiligung des Reichsinnenministeriums unter Wilhelm Frick, verfolgte Plan ist nicht verwirklicht worden. Jedoch gab es von denselben Institutionen offensichtlich noch 1940 Pläne zur Gründung eines „Geheimen Reichsamtes für die deutsche Sprache“ (Simon 1979, 166; Maas 1988) mit noch weiterreichenden Zielen, an denen aber Panzer nicht mehr beteiligt erscheint. Die Sprachlenkungsfrage wurde im „Dritten Reich“ bekanntlich anders gelöst.
Aufgrund seiner völkischen Einstellung hat Panzer offenbar auch zu denen gehört, die für die Veränderung des ursprünglichen, aus den 20er Jahren stammenden Fassadenschmuckes der „Neuen Universität“ in Heidelberg eintraten. Die von Panzers Kollegen, dem Neugermanisten Friedrich Gundolf, eher nostalgisch, in Beschwörung des „Heidelberger Geistes“ der (1.) Vorweltkriegszeit formulierte Fassadeninschrift: „Dem lebendigen Geist“ und die „Athene-Skulptur wurden unter den neuen Bedingungen [von 1933] sofort angefochten – heldische Plastik und eine Losung von vaterländischem Klang sollten sie ersetzen“ (Wolgast 1986, 149). So lautete sie dann bis zum Untergang 1945 „Dem deutschen Geist“, eine Widmungsformel, mit der Richard Wagner das Bayreuther Festspielhaus eingeweiht hatte: Panzer zitiert sie an zentraler Stelle in seiner Festrede „Richard Wagner und das Deutschtum“ vom 13. Februar 1933, in der er ihm als besondere Leistung auch die„Heiligung und Vergeistigung des Volksbegriffes“ zurechnete und ihn als die letzte gute und wirksame Offenbarung des deutschen Idealismus darstellte.
Werke: Auswahl: Meister Rûmzlants Leben und Dichten (Diss. Leipzig 1893); Lohengrinstudien (Habilitationsschrift), Halle 1894; Bibliographie zu Wolfram von Eschenbach, München 1897; Dichtung und bildende Kunst des deutschen Mittelalters in ihren Wechselbeziehungen, in: Neues Jahrbuch für das klassische Altertum, I. Abt., 7, 1904, 135-161; Märchen, Sage, Dichtung, München 1905; Grundsätze und Ziele des Deutschen Germanistenverbandes, in: Panzer/Sprengel, Von deutscher Erziehung, Berlin 1912, 1-16; Deutschkunde als Mittelpunkt deutscher Erziehung (Ziele und Wege der Deutschkunde I), Frankfurt a. M. 1922; Nationalität und Sprache, in: Deutsche Hefte für Volks- und Kulturbodenforschung, H. 1, 1931/32, 1-16; Richard Wagner und das Deutschtum, Frankfurt a. M. 1933; Möglichkeiten und Aufgaben eines Reichsamtes für deutsche Sprache, in: Zeitschrift für deutsche Bildung, 9, 1933, 614-620; Sprache und Volksseele, in: Ebd. 13, 1937, 377-389; Die Inschriften des deutschen Mittelalters. Ein Aufruf zu ihrer Sammlung und Bearbeitung. Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften von Berlin, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, München und Wien verfaßt, Leipzig 1938; Der älteste Troubadour und der erste Minnesinger, in: Dichtung und Volkstum, Hermann Pongs (Hg.), Stuttgart 1939, 133-145; Der deutsche Wortschatz als Spiegel deutschen Wesens und Schicksals (Johann Sprengel zum 75. Geburtstag am 1. November 1938), Köln 1940; Gahmuret, Quellenstudien zu Wolframs Parzival. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, I. Abhandlung, Heidelberg 1940; Studien zum Nibelungenlied, Frankfurt a. M. 1945; Das Nibelungenlied. Entstehung und Gestalt, Stuttgart 1955
Nachweis: Bildnachweise: Foto in: Eugen Fehrle (Hg.), Festgabe für Friedrich Panzer zum 60. Geburtstag, Bühl/Baden 1930

Literatur: Hermann Christians, Deutsches Sprachamt? Eine zeitgemäße Betrachtung in Form eines Zwiegespräches, in: Zeitschrift für deutsche Bildung, 9, 1933, 609-614; Richard Kienast (Hg.), Studien zur deutschen Philologie des Mittelalters, Friedrich Panzer zum 80. Geburtstag, Heidelberg 1950; Utz Maas, Die Entwicklung der deutschsprachigen Sprachwissenschaft von 1900 bis 1950 zwischen Professionalisierung und Politisierung, in: Zeitschrift für germanistische Linguistik, 16, 1988, 253-290; Gerd Simon (Hg.), Sprachwissenschaft und politisches Engagement, Weinheim und Basel 1979; Peter Wapnewski, Die Schriften Friedrich Panzers, in: Kienast, siehe oben (Schriften Panzers nach 1936 sind teilweise nicht aufgenommen); Eike Wolgast, Die Universität Heidelberg 1386-1986, Berlin 1986. – Weitere Beiträge vgl. BbG 6 Nr. 36005 f. und 8 Nr. 50317
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