Gussmann, Otto Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 27.05.1869;  Wachbach
Sterbedatum/-ort: 27.07.1926; Dresden
Beruf/Funktion:
  • Maler, Designer
Kurzbiografie: um 1885 Lehre als Dekorationsmaler an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart
1892–1895 Studium an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums bei Max Koch
1896/1897 Studium an der Hochschule der Bildenden Künste Berlin bei Josef Scheurenberg
ab 1897 Prof. der Ornament-Klasse an der Kgl. Akademie der Bildenden Künste Dresden
1904 Heirat mit Gertrud Herzog in Reutlingen
ab 1905 passives Mitglied der Künstlergemeinschaft „Brücke“
1906 Mitglied im Deutschen Werkbund
1907 Mitglied der Künstlergruppe „Die Zunft“
ab 1910 Leiter des Meisterateliers für dekorative Malerei an der Kgl. Akademie der Bildenden Künste Dresden
1910 Mitbegründer der Dresdener Sezession
1915–1919 Rektor der Kgl. Akademie der Bildenden Künste Dresden
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1904 Gertrud, geb. Herzog (1877–1961)
Eltern: Vater: Carl Gussmann (1839–1916), Pfarrer in Wachbach, Endingen
und Ebingen
Mutter: Marie, geb. Kohler (1842–1902)
Geschwister: 3: Albert (1867–1931), Fabrikant in Ebingen; Anna (1871–1948); Hermann (1875–1943), Maler in Metzingen
Kinder: 3:
Lotte (geboren 1905);
Fritz (1906–1965);
Otto (1909–1944)
GND-ID: GND/118915037

Biografie: Monika Spiller (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 84-86

Der im Schwarzwald aufgewachsene Gussmann absolvierte die Schuljahre in Balingen und Göppingen, bevor er eine grundlegende künstlerische Ausbildung – Lehre als Dekorationsmaler an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart und Studien an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums sowie an der Hochschule der bildenden Künste in Berlin – durchlief. Das Studium an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums Berlin finanzierte Gussmann durch Arbeit als Dekorationsmaler und qualifizierte sich damit frühzeitig für architekturbezogene Malerei; er war 1894/95 unter Leitung von Paul Wallot beteiligt an Fries-Malereien für das Reichstagsgebäude in Berlin. Nach dem Studienabschluss (1897) an der Hochschule für Bildende Künste bewarb er sich mit Erfolg als Leiter der neu eingerichteten Ornamentklasse an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Dresden. Seit dem Beginn der 1890er Jahre war man hier dabei, den Lehrbetrieb zu reformieren mit dem Ziel, den Dogmatismus der akademischen Tradition zu überwinden. Berufungen wie die des Architekten Paul Wallot (1895) und der Maler Gotthard Kuehl (1895) und Carl Bantzer (1897) sowie schließlich auch die von Gussmann dienten dieser Zielvorstellung. Mit seiner Berufung wurden die Grundlagen für eine neue Auffassung der monumentalen dekorativen Kunst geschaffen, die von der Ordnung des Raumes und der Fläche ausgehen sollte. Im Zuge der Auseinandersetzungen über das Verhältnis von freier und angewandter Kunst setzte Gussmann schließlich 1910 die Umwandlung der Ornamentklasse in das von ihm geleitete Meisteratelier für dekorative Malerei durch. Als Lehrer überzeugte er durch seinen indoktrinären Lehrstil; zu seinen Schülern gehörten später namhafte Künstler wie Max Pechstein, Peter August Böckstiegel, Otto Lange, Otto Dix, Hermann Glöckner, Edmund Kesting und Wilhelm Rudolph.
Mit großem Engagement realisierte Gussmann neben seiner Lehrtätigkeit zahlreiche ehrenvolle Aufträge wie Entwürfe zur Raumausstattung für Raffaels Sixtinische Madonna in der Königlichen Gemäldegalerie Dresden oder die Gestaltung des Goldenen Buches der Stadt, er war 1899 bis1912 beteiligt an den Internationalen und Großen deutschen Kunstausstellungen in Dresden, sowohl bei ihrer räumlichen Gestaltung wie im Organisatorischen. 1899 gewann er den 1. Preis im Wettbewerb um die dekorative Ausstattung des großen Kuppelraums im Dresdener Ausstellungspalast in der Stübelallee. Für den Repräsentationssaal des Deutschen Hauses auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 schuf er einen sieben Meter langen Fries mit überlebensgroßen Figuren. Anders als die Vertreter der traditionellen Historienwandmalerei seiner Zeit verwendete Gussmann expressive, kraftvolle Farbklänge und war bestrebt, Architektur und monumentale Dekorationsmalerei in Einklang miteinander zu bringen. Ziel war die Umsetzung der Idee des Gesamtkunstwerks – eine Hauptforderung der sogenannten Jugendbewegung. Seine Umsetzung fand dieser Gedanke exemplarisch in dem von Wilhelm Kreis (1873 – 1955) entworfenen Burschenschaftsdenkmal in Eisenach (1901/02), für das Gussmann in der Kuppelwölbung eine hochdramatische, kraftvoll-bewegte Darstellung des der nordischen Sagenwelt entnommenen Themas „Kampf der Asen mit den Mächten der Finsternis“ geschaffen hatte.
Besonders aber auch bei der Ausgestaltung sakraler Räume zielte Gussmann auf die Überwindung des Historismus. Zusammen mit dem Architekten Fritz Schumacher (1869 – 1947) und dem Bildhauer Karl Groß (1869 – 1934) entwarf Gussmann für die 3. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung (1906) einen Raum für protestantischen Kirchenbau „mit dem Ziel, durch die Zusammenführung der künstlerischen Mittel zu einer protestantischen Universalkunst zu gelangen“ (Fritz Löffler). 1904 war Gussmann damit beschäftigt, den großen Sitzungssaal des ehemaligen Sächsischen Gesamtministeriums zu gestalten; in den Zwickelfeldern platzierte er allegorische Figuren, die Wirtschaft, Handel, Verkehr und verschiedene Handwerke verkörperten. 1907 folgte die Ausstattung des Konversationssaals im Ständehaus von Paul Wallot.
In seiner engen Zusammenarbeit mit führenden Architekten seiner Zeit (Paul Wallot, Wilhelm Kreis, Fritz Schumacher, Hans Erlwein, Heinrich Tessenow) kam Gussmann folgerichtig von einer dekorativ-ornamentalen zur monumentalen Malerei. Seine bedeutendste Monumentalmalerei schuf er 1910 bis 1914 für das Neue Rathaus von Dresden; in der Treppenhalle mit Kuppelraum entwickelte er ein allegorisches Figurenprogramm (Arbeit, Opfermut, Frieden, Rechtspflege, Kriegsbereitschaft, Religion und Wohltätigkeit), das in kräftiger Farbgebung (dunkles Grün, Braun bis hin zu leuchtendem Rot) und bewegter Gestik angelegt war. Glücklicherweise überstand diese Arbeit den verheerenden Bombenhagel am 13. Februar 1945. Zu den Kriegsverlusten hingegen gehörte die Ausstattung des Italienischen Dörfchens (1912/13) zusammen mit seinen Schülern Paul Rößler und Paul Perks sowie dem Architekten Hans Erlwein ausgeführt) ebenso wie die der Christuskirche, der Lukaskirche und des König-Georg-Gymnasiums in der Johannstadt.
Fruchtbar war Gussmann auch bei der künstlerischen Ausstattung von Kirchen in Dresden (Lukaskirche, Deckenmalerei, 1904; Christuskirche, Deckenmalerei, 1905; Versöhnungskirche, Glasfenstergestaltung, 1909) und Umgebung wie in Hainsberg (figurative Malerei am Triumphbogen, Glasgemälde in den Fenstern der Apsis, 1902) und Friedhofskapelle in Freital-Potschappel (Glasgemälde, 1898). Darüber hinaus schuf er für die Martinskirche in Ebingen Glasfenster (1906) sowie ein Altarbild für die protestantische Kirche in Wiener Neustadt (1912).
Der Erste Weltkrieg 1914 – 1918 führte zu einem Einbruch der Aufträge für Monumentalkunst; Gussmann wandte sich in der Folge der Tafelmalerei zu. Es entstanden Akte, Bildnisse und Stillleben in kraftvoller Farbigkeit und dynamischer Körperauffassung im Verein mit dekorativen Elementen. Zudem entwarf Gussmann für die Dresdener Werkstätten für Kunst und Handwerk in Hellerau moderne Kleinplastiken, Tapeten, Stoffe etc.
Werke: Ebingen/Württ., Martinskirche: Glasfenster, 1906; Rathaus: Wandbild, 1915/16; Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister; Eisenach, Burschenschaftsdenkmal, Innen-Gestaltung mit Deckengemälde, Adler-Paaren und Fenstern, 1901/02 (rekonstruiert ab 2007); Hainsberg bei Dresden, Kirche: Glasfenster und Wandmalerei, 1901, 1910/11; Wiener Neustadt: protestantische Kirche: Altarbild, 1912.

Literatur: ThB XV, 1922; Erich Haenel, Otto Gussmann, 1927; Vollmer, V, 1961; Fritz Löffler, Gussmann, in: NDB VII, 1966, 333s.; Fritz Löffler, Das alte Dresden, 1981, 417s, 420, 422, 431, 435, 440 sowie Abb. 526; Kurt Proksch, Otto Gussmann, 1989; Adolph Smitmans/Anne Peters, Otto Gussmann, 1869 – 1926 (Ausstellungskatalog Dresden/Albstadt), 1992; T. Niegsch/Marina Sauer, Gussmann, Lange, Dix, Albstadts Dresdener Kunst (Katalog), 2006. Konstanze Rudert, in: Sächsische Biographie, bearbeitet von Martina Schattkowsky, 2009; http://dresden.stadtwiki.de/wiki/Otto_Gussmann; www.denkmalerhaltungsverein.de/stifterbrieflebenundwerkgussmanns.pdf; Allgemeines Künstlerlexikon (AKL), LXVI, 2010.
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