Schnarrenberger, Wilhelm Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 30.06.1892;  Buchen (Odenwald)
Sterbedatum/-ort: 17.04.1966;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Maler, Graphiker, Illustrator
Kurzbiografie: 1911 Seit dem Wintersemester an der Königlichen Kunstgewerbeschule München bei Theodor Spieß und Friedrich Wirnhier. Daneben Studium der Kunstgeschichte an der Ludwig Maximilian-Universität bei Heinrich Wölfflin. Ab 1913 Schüler von Fritz Helmuth Ehmcke (1878-1965)
1916 Einberufung zum Militär, zunächst bei der Postüberwachung in Konstanz, dann Feldartillerist in Freiburg i. Br. und im Sommer 1917 Artilleriebeobachter in Lothringen; bei Kriegsende an der Vogesenfront
1919 Rückkehr an die Münchner Kunstgewerbeschule, ab April als freischaffender Gebrauchsgraphiker tätig
1920 Lehrer für Gebrauchsgraphik an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe
1925 Mit zwei Gemälden auf der Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ in der Mannheimer Kunsthalle vertreten
1933 Entlassung aus dem Lehramt, im Dezember Umzug nach Berlin, dort als freier Graphiker tätig
1934/35 Von Herbst bis Sommer Studiengast der Villa Massimo in Rom
1938 Umzug nach Lenzkirch in den Schwarzwald, wo seine zweite Frau Melitta fortan eine Ferienpension bewirtschaftete
1947 Ernennung zum Professor an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, ab Oktober Leiter einer Malklasse, Mitglied der „Badischen Sezession“, im folgenden Jahr Umzug nach Karlsruhe
1958 Berufung in den „Rat der Zehn“ des Künstlerbundes Baden-Württemberg
1962 Hans-Thoma-Staatspreis
1965 Auszeichnung als Ehrengast der Villa Massimo in Rom
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1. 1921 München, Elfriede Strauss, geb. Lossen (1927 gesch.)
2. 1930 Karlsruhe, Melitta Auwärter (1946 gesch.)
3. 1950 Karlsruhe, Michaele Aust, geb. Bonheim
Eltern: Wilhelm (1860-1920), Vorstand der Höheren Bürgerschule in Buchen, Professor am Berthold-Gymnasium in Freiburg i. Br.
Helene, geb. Bleicher (1869-1953)
Geschwister: Ernst Emil (1893-1966)
Kinder: aus 2. Ehe Vera, verh. Hösl (* 1931)
GND-ID: GND/119062836

Biografie: Sabine Heilig (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 369-371

Schnarrenberger verbrachte seine Kindheit und Jugend in Bruchsal und von 1905 an in Freiburg i. Br., wo er 1911 die Schule mit dem Abitur abschloß. Das anschließende Studium an der Münchner Kunstgewerbeschule absolvierte er u. a. bei dem berühmten Schriftgestalter F. H. Ehmcke. Als Gebrauchsgraphiker gestaltete Schnarrenberger zunächst Exlibris, Plakate, Annoncen und Verpackungen oder illustrierte Bücher. Neben der graphischen Auftragskunst zeugen erste freie Arbeiten von seiner damaligen Auseinandersetzung mit expressionistischer Druckgraphik. Bekannt ist vor allem seine aus sechs Blättern bestehende Lithographiefolge, die den Beginn des I. Weltkriegs in Freiburg zum Thema hat (1914, Museum für Neue Kunst, Freiburg).
Schnarrenbergers erste malerische Versuche gingen zwar schon auf die Zeit vor dem Krieg zurück, führten aber erst um 1920 zu eigenständigen Werken. Zunächst im Bewegungsrhythmus von Komposition und Malgestus noch am Expressionismus orientiert („Bildnis des Philosophen Josef Wallach“, 1919, Privatbesitz), gelangte er bald darauf zu einem flächenhaften Stil und zur Betonung linearer Elemente im Bild. Die Motive dieser frühen Gemälde („Alte Männer gehen spazieren“, 1922, Staatsgalerie Stuttgart) übernahm er teilweise aus der druckgraphischen Arbeit. Die eigentümliche Naivität der Darstellung, Zeugnis seiner Auseinandersetzung mit der Bildwelt Henri Rousseaus, das bewußte Anhalten äußerer Bewegungen und die emotionslose Charakteristik von Mensch und Gegenstand gleichermaßen kennzeichnen seinen Stil der 1920er Jahre und ließen Schnarrenberger zu einem vielbeachteten Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Deutschland avancieren. Die mit spitzem Pinsel und in altmeisterlicher Manier detailgenau gemalten Hauptwerke „Die Freunde“ (1924, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe) oder das „Große Familienbild II (1925, Galerie der Stadt Stuttgart) zeigen Portraits, in denen die Isolation des einzelnen gegenüber der Gruppe zum Ausdruck gebracht werden. 1920 wurde Schnarrenberger zum Lehrer für Gebrauchsgraphik an der aus Akademie und Kunstgewerbeschule gegründeten Badischen Landeskunstschule ernannt. Dennoch bildete die Malerei sein vorrangiges künstlerisches Anliegen, was in zahlreichen Portraits, Selbstbildnissen und Figurenbildern umgesetzt wurde. Die 1924 zusammen mit seinem Jugendfreund Hans Wingler erfolgte Gründung der ORNA-Werkstätten in Karlsruhe, einer Firma für Gebrauchsgraphik, blieb nur eine Episode. Eine Reise nach Helgoland im Jahr 1925 erweiterte Schnarrenbergers Motivrepertoire mit dem Thema Landschaft, in der jedoch die Figur – meist ist seine erste Frau Elfriede dargestellt – noch dominant im Vordergrund steht.
Grundsätzliche Veränderungen in Stil und Motivwahl setzten auf der zwei Jahre später erfolgten Reise nach Paris ein, welche die Hinwendung zu einer freieren, am Impressionismus orientierten Malweise zur Folge hatte. Die danach entstandenen belebten Straßenzüge und Überblicke über die Stadt wurden in Bleistiftzeichnungen exakt vorbereitet („Boulevard Montparnasse“, 1931, Privatbesitz). Die darin erkennbare Freiheit des malerischen Duktus und die hellere Farbigkeit dieser Jahre lassen sich vielleicht auch aus dem privaten Kontext erklären. Mit seiner zweiten Frau Melitta, die bei Georg Scholz und Karl Hubbuch in Karlsruhe Malerei studiert hatte, genoß er den frühen beruflichen Erfolg und das gesellschaftliche Leben in der badischen Residenz.
Die sorglose Zeit fand im Juli 1933 ein jähes Ende, als Schnarrenberger aus der Akademie entlassen wurde, wohl weniger wegen der künstlerischen Arbeit als aufgrund seiner Mitgliedschaft in der SPD. Ein Jahr danach konnte er mit einem Stipendium für die Villa Massimo in Rom der angespannten Atmosphäre für kurze Zeit entfliehen. Trotzdem entstanden in Italien düstere Nachtlandschaften, Zeugnisse seiner Depressionen und Ängste („Römische Mondnacht I“, 1935, Privatbesitz). Der Versuch, danach in Berlin als Graphiker zu arbeiten, schlug mangels Aufträgen fehl. Die Unsicherheit der persönlichen Situation dieses Lebensabschnitts spiegelt sich in seiner Malerei wieder („Selbstbildnis mit Melitta“, 1936, Privatbesitz).
Die Bewirtschaftung einer Ferienpension in Lenzkirch, beziehungsreich „Waldesfrieden“ genannt, sicherte den Lebensunterhalt der Familie in den Kriegsjahren. Dieses erzwungene Exil trug ein weiteres Mal zur Veränderung von Schnarrenbergers Motivrepertoire bei. So malte er zunächst die direkte Umgebung, z. B. den winterlichen Schwarzwald, das düstere Atelier auf dem Dachboden oder seine Familie bei abendlichen Tätigkeiten. Dabei erscheinen die Figuren oft im Halbdunkel, bei Kerzenlicht und nur mit schemenhaften Gesichtern („Abendunterhaltung“, 1944, Privatbesitz). Von 1941 an kristallisierte sich mit dem Stilleben ein neues Bildthema heraus, das den Maler bis an sein Lebensende beschäftigte. Die Darstellung der Dinge des täglichen Lebens wie Badezimmerutensilien oder Malmaterial kulminierte in der Wiedergabe des gedeckten Tisches. Dabei thematisierte Schnarrenberger die Stofflichkeit unterschiedlicher Materialien wie Porzellan, Glas, Metall oder Gewebe. In diesen für sein Spätwerk typischen Bildern ist der Mensch nur noch symbolisch in den von ihm benutzten Gegenständen präsent („Braune und weiße Tassen auf Weiß“, 1950, Regierungspräsidium Freiburg).
Die 1947 erfolgte Rehabilitierung mit der Ernennung zum Professor und Leiter einer Malklasse sowie die dritte Ehe führten nach den Jahren künstlerischer und gesellschaftlicher Ausgrenzung wieder zu einer Aufhellung seiner Palette. Schnarrenberger erweist sich in den Bildern aus den einschlägigen Karlsruher Tanzpalästen der Nachkriegsjahre als Schilderer der Aufbruchstimmung dieser Zeit („Kapelle mit Herzen“, 1953, Privatbesitz). Doch auch in den späten Selbstbildnissen sind noch Skepsis und Zweifel ausgedrückt, in denen der Maler seine eigene Person zu hinterfragen scheint („Selbstbildnis, 7fach“, 1956, Privatbesitz).
Schnarrenberger hielt auch nach 1945 am Gegenständlichen fest. Sein Werk erfuhr daher erst im Zuge der Neubewertung der realistischen Kunst in Deutschland seit den 1960er Jahren wieder größere Beachtung. Zuletzt wurde er 1992/93 durch umfangreiche retrospektive Ausstellungen gewürdigt (siehe Lit.). Schnarrenbergers zurückgenommene, über die bloße Wiedergabe der Dinge hinausgehende Auffassung zeugt von großer Sensibilität und von seiner Vorstellung, die Poesie des Lebens mit künstlerischen Mitteln sichtbar zu machen.
Quellen: Nachlaß im Privatbesitz
Werke: Schnarrenbergers Gemälde aus den 1920er Jahren gelangten größtenteils in öffentliche Sammlungen, überwiegend in Museen im südwestdeutschen Raum (u. a. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Städtische Galerie im Prinz-Max-Palais Karlsruhe, Staatsgalerie Stuttgart, Galerie der Stadt Stuttgart, Museum für Neue Kunst Freiburg i. Br.). Der überwiegende Teil des Werks befindet sich jedoch im Privatbesitz bzw. im Nachlaß. Schnarrenbergers gebrauchsgraphisches Werk ist im Verhältnis zum malerischen relativ klein. Seine Buchillustrationen sind überwiegend in das Frühwerk einzuordnen, so schuf er z. B. 1919 Holzschnitte für L. W. Rochowanskis Erzählung „Steigende Stadt“. Zur selben Zeit war Schnarrenberger als Illustrator in München für die Verlage Georg Müller und „Die Wende“ sowie für die Zeitschriften „Simplicissimus“, „Wieland“, „Der Ararat“ und „Der Weg“ tätig. Darüber hinaus veröffentlichte er auch einige kurze, eigene Schriften, z. B.: Reclame architekturbildend, in: Die Form, 3, H. 9, 1928, 268-272 oder: Schilder als Zeichen, ebd., H. 13, 1928, 361-367
Nachweis: Bildnachweise: Ausstellungskatalog Städtische Galerie im Prinz-Max-Palais Karlsruhe 1992/93, Frontispiz (Photographie)

Literatur: ThB, 30, 187; Ingrid Nedo, Wilhelm Schnarrenberger (1892-1966). Phil. Diss. Universität Tübingen 1982; Ausstellungskatalog Von der Poesie der Dinge. Wilhelm Schnarrenberger (1892-1966), hg. von der Stadt Buchen (Odenwald) zum 100. Geburtstag 1992; Ausstellungskatalog Wilhelm Schnarrenberger (1892-1966), Malerei zwischen Poesie und Prosa. Retrospektive zum 100. Geburtstag, Städtische Galerie im Prinz-Max-Palais Karlsruhe, 1992/93 (mit weiteren Literaturangaben)
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