von Hohenzollern, Marie 

Geburtsdatum/-ort: 29.10.1875; Eastwell Park (Kent) als Marie Alexandra Victoria, Princess of Great Britain and Ireland
Sterbedatum/-ort: 18.07.1938; Sinaia
Beruf/Funktion:
  • Prinzessin von Hohenzollern, geb. von Sachsen-Coburg und Gotha, Königin von Rumänien
Kurzbiografie: 1886–1889 Leben auf Malta
1889 Alfred, Herzog von Edinburgh, tritt die Nachfolge von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha an
11.10.1914 Königin von Rumänien
6.12.1916 Eroberung Bukarests durch die Truppen der Mittelmächte
Nov./Dez. 1916 Flucht der königlichen Familie und der Regierung Bratianu nach Jassy
11.11.1918 Waffenstillstand von Compiègne
1.12.1918 Rückkehr der Königsfamilie nach Bukarest
1919/1920 Marie trifft die westlichen Staatsmänner. Die Siegermächte besiegeln in Paris die Entstehung von Groß-Rumänien
14.10.1922 Königskrönung in Karlsburg – Alba Iulia
Weitere Angaben zur Person: Religion: anglikanisch
Verheiratet: 10.1.1893 (Sigmaringen) Prinz Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen, ab 1914 König von Rumänien
Eltern: Vater: Alfred, Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (* 8.8.1844, † 30.7.1900), 2. Sohn der britischen Königin Victoria und des Prinzgemahls Albert von Sachsen-Coburg und Gotha
Mutter: Maria Alexandrowna, geb. Romanowa, Tochter des Zaren Alexander II. (1853–1920)
Geschwister: 4: Alfred (1874–1899); Victoria Melitta (1876–1936); Alexandra (1878–1942); Beatrice (1884–1966)
Kinder: 6: Carol (1893–1953), ab 1930 als Carol II. König von Rumänien; Elisabeth (1894–1956), verh. mit Georg II. von Griechenland; Maria, „Mignon“ (1900–1961), verh. mit König Alexander I. von Jugoslawien; Nikolai (1903–1978); Ileana (1909–1991), verh. mit Anton von Österreich; Mircea (1913–1916)
GND-ID: GND/119107015

Biografie: Manfred Huber (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 141-144

Nach glücklichen Kinderjahren in Eastwell Park (Kent) und auf Malta, verbringt Marie seit 1889 ihre Jugend in Coburg, wo ihr Vater Alfred 1893 die Nachfolge seines Onkels Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha antrat. Trotz der Erziehung durch deutsche Lehrer wird sich Marie nach eigenem Bekunden immer als Engländerin fühlen. Als der nach dem frühen Tod seiner einzigen Tochter kinderlose König Carol I. für seinen Neffen und Thronfolger Ferdinand eine adäquate Partie suchte, um die Zukunft der Hohenzollerndynastie in Rumänien zu sichern, fiel seine Wahl auf Marie, die Enkelin der Queen Victoria. Da auch Maries Mutter als Zarentochter aus einem der führenden Adelshäuser stammte, schien diese Heirat dem rumänischen König die Gewähr für den Aufstieg in die erste Reihe des europäischen Hochadels und die besten politischen Aussichten zu bieten.
So wurde Marie wie viele andere junge Prinzessinnen Objekt und Opfer dynastischer Heiratspolitik. Sie fand sich im Alter von 17 Jahren in einem der rückständigsten europäischen Länder wieder an der Seite eines ihr bis dahin kaum bekannten jungen Hohenzollern. Zwei von Grund auf verschiedene Charaktere wurden aus Staatsräson zusammengeführt. Ferdinand: Unscheinbares Äußeres, schüchtern bis gehemmt und öffentlichkeitsscheu; Marie eine strahlende viktorianische Schönheit mit faszinierender Ausstrahlung, nach außen kühle Würde zur Schau tragend, jedoch überaus temperamentvoll, willensstark und sportlich. Heimweh und quälende Einsamkeit waren der Preis, den Marie zu bezahlen hatte für die Aussicht, eines Tages Königin von Rumänien zu werden, dessen Monarchie zum Zeitpunkt ihrer Heirat noch auf schwankendem Boden stand, nicht zuletzt wegen fehlender Thronerben. Den dahin gehenden Erwartungen wurde das junge Ehepaar schnell gerecht durch die Geburt des Thronerben Carol am 15. Oktober 1893. Maries Leben war fortan bestimmt durch die Dominanz des puritanisch-prüden Königpaares, dessen strenger Kontrolle das junge Ehepaar unterworfen war. Marie beschreibt sich in ihren Memoiren selbst als naives, unerfahrenes und unglückliches junges Mädchen ohne politische Interessen und Ambitionen. Die Atmosphäre in der königlichen Familie war bald nach Ankunft des Kronprinzenpaares mit Spannung geladen, da Marie gegen die ständige Bevormundung durch das Königspaar zu rebellieren versuchte. Die junge Frau fühlte sich im Schloss von Sinaia eingeengt, und in der jungen Ehe kriselte es früh, weil der allzu schüchterne Prinz Ferdinand seiner lebensfrohen Gattin wenig Abwechslung zu bieten vermochte, ganz im Unterschied zu den Offizieren des Husarenregiments, dessen Ehrenkommandant die passionierte Reiterin war. Sehr schnell versetzten daher nachhaltige Befreiungsversuche der jungen Frau den rumänischen Hof in Aufruhr, insbesondere durch eine Romanze mit dem Leutnant Cantacuzino, den der König schließlich in die Verbannung schickte. Die schwangere Marie wurde vorübergehend der Obhut ihrer Mutter nach Coburg übergeben. Es folgten weitere außereheliche Eskapaden, die europaweit für Aufsehen sorgten und sogar Queen Victoria zum Eingreifen veranlassten. Unter dem Einfluss ihres neuen Liebhabers, des rumänischen Fürsten Barbu Stirbey, beginnt Marie allmählich, sich auch für politische und soziale Probleme zu interessieren. Sie scheinen sich im Krisenjahr des Bauernaufstandes von 1907 näher gekommen zu sein und dieser steinreiche Großgrundbesitzer und Industrielle, der sich ernsthaft dem Wohl seines Landes verpflichtet fühlte, weckte das politische Interesse der späteren Königin und bringt ihr die Probleme des Landes, seine Rückständigkeit, auch die sozialen Unterschiede und die mangelnde Bildung seiner Bevölkerung zum Bewusstsein. In den Balkankriegen engagierte sich Marie schließlich nach dem Vorbild von Carmen Silva als Krankenschwester für die Verwundeten in den Lazaretten und wandelte sich zu einer ernsthaften, engagierten Persönlichkeit, die allmählich auch eine von Stirbey inspirierte und zunächst wohl auch gelenkte politische Rolle zu spielen begann. Marie hat nie aufgehört, sich als Engländerin zu fühlen. Sie liebte die Deutschen nicht und machte auch keinen Hehl daraus. So war sie im Ersten Weltkrieg eine der treibenden Kräfte, die gegen das anfängliche Widerstreben ihres Gatten Rumänien aus der anfänglichen Neutralität 1916 an die Seite der Ententemächte führten und wurde für ihre Haltung in der westlichen Presse wegen ihrer unverbrüchlichen ententefreundlichen Haltung eine sehr populäre Figur. Durch ihre Schwester Victoria Melita versuchte sie während des Krieges Einfluss auf die russische Kriegsführung zu nehmen, um den russischen Alliierten bei der Stange zu halten, vergeblich, angesichts des nahenden revolutionären Desasters im Nachbarland. Nach der Niederlage Rumäniens und der Eroberung Bukarests durch die Mittelmächte hat Marie wohl vorübergehend die Abdankung Ferdinands zu Gunsten des Kronprinzen betrieben, um den Waffenstillstand und einen Separatfrieden mit den Mittelmächten zu verhindern. Diese Pläne hätten allerdings wegen des Verhaltens ihres Sohnes wenig Aussicht auf Erfolg gehabt, denn im September 1918 erschütterte ein vom ihm verursachter Familienskandal wegen seiner politischen Tragweite schwer das Ansehen der rumänischen Monarchie. Der 25-jährige Carol floh in das von den Deutschen besetzte Odessa und heiratete dort mit Unterstützung der deutschen Militärbehörden seine Geliebte Zizi Lambrino. Damit hat er nicht nur gegen die rumänische Verfassung verstoßen, die es dem Kronprinzen verbot, eine Rumänin zu ehelichen, sondern er hat sich auch als rumänischer Offizier der Fahnenflucht schuldig gemacht und seine Truppe im Stich gelassen. Nach der Rückkehr Carols betrieb insbesondere Marie die Annullierung der übereilt geschlossenen Ehe. Zizi Lambrino wurde mit einer hohen Geldsumme abgefunden und mit ihrem Kind ins Exil nach Frankreich geschickt, Carol nach dem von Marie selbst erlebten Muster in eine Ehe mit Helene von Griechenland gedrängt. Die schwere Krise war insbesondere von Marie gemeistert worden, deren Popularität unter dem Skandal nicht gelitten hatte, die vielmehr nach Kriegsende wegen ihrer tapferen Haltung von ihren Landsleuten als Heldin und Retterin Rumäniens gefeiert wurde. Nach Kriegsende hat die Königin mit Erfolg versucht, in Paris die Interessen Rumäniens bei den westlichen Staatsmännern zu vertreten und ihr Anteil am Erfolg der rumänischen Delegation bei den Verhandlungen um die Pariser Vorortverträge mag nicht gering gewesen sein, ist aber nur schwer einzuschätzen, weil sie ihr Prestige und ihren Einfluss auf gesellschaftlichem Parkett in den Kulissen mehr als auf der offiziellen Bühne zur Geltung bringen konnte. Auf Anregung des französischen Botschafters St. Aulaire reiste Marie am 1. März 1919 nach Paris zur Friedenskonferenz, um den wenig erfolgreichen Ministerpräsidenten Bratianu abzulösen. Ihr wichtigstes Anliegen war, Clemenceau für die rumänischen territorialen Wünsche zu gewinnen. In der Tat erreichte sie in wenigen Tagen mehr als Bratianu in sechs Wochen. Auch Lloyd George zeigte sich von der strahlenden Persönlichkeit und den Argumenten Maries beeindruckt. Die Amerikaner Hoover und Wilson blieben dagegen wegen der Judenverfolgungen in Rumänien auf Distanz und zeigten nur wenig Neigung, den Wünschen Maries zu entsprechen. Am Ende hat sie aber, besonders durch die Unterstützung ihrer englischen Freunde, den Boden bereitet für die Bildung Großrumäniens durch die Pariser Vorortverträge. So lässt sich diese Phase ihres Lebens als die politisch bedeutendste werten, in der sie sich zweifellos um die Geschicke Rumäniens verdient gemacht hat.
In den „roaring twenties“ entwickelte sich Marie – wiewohl inzwischen Großmutter – zu einer tonangebenden Figur in der mondänen Welt insbesondere Amerikas. Sie war immer noch eine überaus attraktive Frau und füllte die Gazetten und Modezeitschriften mit Fotos und Beiträgen und genoss – nicht frei von Narzissmus – ihre Popularität, ihre Freundschaft mit Künstlern (Loie Fuller u. a.) und Reichen (Waldorf Astor, Hearst) des amerikanischen Kontinents. Sie scheute sich auch nicht, ihre Schönheit in den Dienst des Kommerzes zu stellen, indem sie ihr Bild der Werbung für Parfums, Hautcremes und Schokolade zur Verfügung stellte. Daneben fand sie aber auch Zeit, eine Reihe von reizenden Kinderbüchern zu veröffentlichen und in Zeitschriften über Mode, die Liebe und das Altern zu philosophieren. Das politische Engagement und der Gestaltungswille ließen merklich nach. Viel Kraft wurde absorbiert durch die ständigen vergeblichen Versuche, den Thronfolger zur Räson zu bringen, der durch seine skandalöse Mésalliance mit Madame Lupescu und durch seine wiederholten Thronverzichtserklärungen die durch die Verfassung von 1923 einigermaßen stabilisierte rumänische Monarchie in eine permanente Krise stürzte. Die Lage verschärfte sich rasch nach dem Tod König Ferdinands (1927), als der minderjährige Michael an seines Vaters Carol Stelle zum König ausgerufen wurde. Der für Michael eingesetzten Regentschaft gehörte aus der königlichen Familie der unerfahrene Nicolai, nicht aber Marie an, Zeichen ihres schwindenden politischen Gewichts. Mit dem Erstarken der Bauernpartei und des Faschismus sank auch der Einfluss ihrer Freunde, die Jahrzehnte lang die rumänische Politik bestimmt hatten. Als ihr ältester Sohn trotz seiner wiederholten Thronverzichtserklärungen aus dem Exil zurückkehrte und am 8. Juni 1930 an Stelle seines Sohnes Michael zum König ausgerufen wurde, sah sich Marie schnell völlig in den Hintergrund gedrängt. Durch die Rückkehr Carols II. geriet sie in völlige Abhängigkeit ihres Sohnes. Der neue König unterband jede politische Aktivität, drangsalierte zudem seine Mutter durch Schikanen aller Art, so dass diese häufig bei ihren Töchtern, Freunden und Verwandten im Ausland Zuflucht suchte. Auch der Kontakt zu den schwäbischen Hohenzollern lebte wieder auf und Marie zeigte sich gelegentlich in Umkirch, nachdem Ferdinand vor seinem Tod die Versöhnung mit den Sigmaringer Vettern in die Wege geleitet hatte. In ihrer 1934 zuerst in England veröffentlichten Autobiographie zieht sie allzu vorsichtig gar beschönigend die Summe ihres Lebens, wobei sie die politischen Ereignisse, ihre eigene Einstellung und heiklen Themen weitgehend ausklammert.
Aufschlussreicher sind die nur wenigen zugänglichen Tagebücher. Sie hat in den letzten Jahren wohl mehr den Sieg des Kommunismus gefürchtet als den Hitlers, wobei sie ihre Abneigung gegen beide deutlich zum Ausdruck brachte. Die endgültige Katastrophe Rumäniens hat Marie nicht mehr erleben müssen. 1937 erkrankte sie unheilbar. Durch Vermittlung des Fürsten Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen suchte sie Heilung in Dresden, starb aber kurz nach ihrer Rückkehr nach Rumänien am 18. Juli 1938 in Sinaia vom rumänischen Volk betrauert als „Mamma Regina“. Begraben liegt sie in der Königsgruft von Curtea de Arges.
Werke: Marie, Queen of Roumania, „The story of my life“, 3 Bde., 1934/35; Marie von Rumänien, „Traum und Leben einer Königin“, 1935 ff.
Nachweis: Bildnachweise: http://www.tkinter.smig.net/QueenMarie/Gallery/index.htm.

Literatur: Manfred Huber, Grundzüge der Geschichte Rumäniens, 1973; Hannah Pakula, „The last Romantic“. A biography of Queen Marie of Roumania, 1984; Ekkehard Völkl, „Rumänien vom 19. Jh. bis zur Gegenwart“, 1995.
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