Göhler, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 26.07.1874; Neustadt/Weinstraße
Sterbedatum/-ort: 27.07.1959;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Maler, Kunstgewerbler
Kurzbiografie: 1889-1891 Schüler der Königlichen Kunstgewerbeschule in München bei Karl Max Gebhardt (1834-1915)
1891-1894 Wechsel an die Großherzoglich Badische Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, Schüler in der Dekorationsklasse von Karl Eyth (1856-1929)
1894-1903 Großherzoglich Badische Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, Schüler von Ernst Schurth (1848-1910) und Caspar Ritter (1861-1923)
1897 Im Frühjahr erste Italienreise nach Venedig und an die Riviera. Ab Herbst Meisterschüler von Ferdinand Keller
1898 Einstellung als „nichtetatmäßiger“ Lehrer an der Karlsruher Kunstgewerbeschule im Fach Dekorationsmalerei (seit 1905 „etatmäßig“ angestellt). Erste Teilnahme an der Münchner Jahresausstellung, danach fast jedes Jahr bis 1945
1899 Erste Parisreise, Studien im Park von Versailles
1901 Silberne Medaille für Kunst und Wissenschaft des Zähringer Löwen am Bande
1906 Verleihung des Professorentitels durch Großherzog Friedrich I. von Baden
1907 Große Mittelmeerfahrt über Genua nach Smyrna bis Konstantinopel
1908 Reise in die Dolomiten. In den Folgejahren häufig in den Alpen (Oberitalienische Seen, Kochelsee, Schliersee, Tegernsee)
1913 Englandaufenthalt, Studien in den Parks von London und Umgebung
1914 Teilnahme an der jährlichen Ausstellung des Carnegie Institute in Pittsburg (Vereinigte Staaten) mit zwei Gemälden
1920 Nach Zusammenlegung von Akademie und Kunstgewerbeschule Lehrer für Naturstudien in der Vorbildungsklasse an der Badischen Landeskunstschule. Nach der Pensionierung (1924) häufige Reisen in das bayerische (Vor-)Alpenland (Starnberger See, Eibsee), nach Österreich (Wörther See) und an den Bodensee
1944 Zerstörung des Ateliers in der Karlsruher Hoffstraße
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch-lutherisch
Verheiratet: nicht verheiratet
Eltern: Bernhard (1835-1945), Lokomotivführer bei der pfälzischen Eisenbahn, Besitzer einer Spezereiwarenhandlung
Anna Maria, geb. Hutzel (1852-1924)
Geschwister: Otto Friedrich (1872-1956), TH Karlsruhe, Ingenieur in Berlin
Eugen Albert (1875-1954), TH Karlsruhe, Ingenieur beim städtischen Elektrizitätswerk in Karlsruhe, danach selbständig
Anna, verh. Lux (1877-1959)
Bertha (1880-1900)
2 Halbgeschwister aus der 1. Ehe des Vaters
Kinder: keine
GND-ID: GND/119127148

Biografie: Sabine Heilig (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 109-111

Daß Göhler und seine Brüder eine akademische Ausbildung erhalten konnten, war dem Ehrgeiz des Vaters zu verdanken. Aus diesem Grund zog die Familie 1891 von Neustadt/Weinstraße in die fortschrittliche badische Residenz, wo sich weit über die Region hinaus bekannte Lehrstätten befanden. Göhler hatte die Realschule noch in seiner Geburtsstadt absolviert und kam dann zunächst in die Obhut seines Onkels nach München, wo er an der dortigen Kunstgewerbeschule zu studieren begann. Nach dem Umzug der Eltern wechselte auch Göhler nach Karlsruhe und besuchte u.a. die Fachklasse für Dekorationsmalerei bei Karl Eyth, als dessen Assistent er einige Jahre später berufen wurde. Wie viele seiner Künstlerkollegen verstand Göhler die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule nur als Vorstufe für den Eintritt in die Akademie und wechselte 1894 dorthin. Nach dem Besuch der Naturklasse von Ernst Schurth und der Malklasse von Caspar Ritter stieg Göhler 1898 als Meisterschüler in die Klasse des bekannten Historienmalers Ferdinand Keller auf. Die schulfreien Sommermonate verbrachte Göhler in den Jahren 1895 und 1896 in einem Berliner Atelier für Dekorationsmalerei, um seine Kenntnisse zu vervollständigen. Sein weiterhin bestehendes Interesse an den angewandten Künsten sowie seine gleichzeitig unter Beweis gestellten Fähigkeiten als Maler verhalfen ihm bereits als 24jährigem zur Einstellung als Lehrer an der Karlsruher Kunstgewerbeschule. Daß Göhler zwei Jahre zuvor den Ruf an eine Berliner Fachklasse für Dekorationsmalerei abgelehnt hatte, zeigt, daß er eine fundamentale akademische Ausbildung anstrebte.
Die bewußt gewählte Zweigleisigkeit der Ausbildung kennzeichnet auch Göhlers künstlerisches Werk. So stehen kunstgewerbliche als auch malerische Arbeiten zumindest bis zum I. Weltkrieg relativ gleichwertig nebeneinander, wobei das malerische (Œuvre) quantitativ bei weitem überwiegt. Die Studienreise nach Italien 1897 ließ erste frühe Hauptwerke entstehen, Landschaften, die Göhlers kompositorisches Geschick und malerisches Können zeigen („Grotte bei Portovenere“, 1897). Mögliche Einflüsse von Arnold Böcklin oder Gustav Schönleber zu dieser Zeit sind eher im Motivischen als in Malweise und Ausdruck begründet. Durch seine Entscheidung, im Herbst des gleichen Jahres Schüler in der traditionell orientierten Kellerklasse zu werden, nahm Göhler auch Partei gegen die fortschrittlichen Ideen von Leopold Graf von Kalckreuth an der Karlsruher Akademie, die schließlich in heftigen Auseinandersetzungen in der Lehrerschaft eskalierten. Der Einfluß von Keller, der – noch ganz dem gründerzeitlichen Pathos verhaftet – theatralische Wirkung liebte, findet sich vor allem in den frühen Figurenbildern Göhlers. Gleichzeitig lassen sich in seinem Frühwerk aber auch zeitgenössische Tendenzen in Anlehnung an Stilmerkmale des Symbolismus und des Jugendstils erkennen, letztere besonders im kunstgewerblichen Werk, von dem sich bis um 1917 Beispiele nachweisen lassen. In diesem Fach machte sich Göhler spätestens 1901 überregional einen Namen, als er auf der 1. Deutschen Glas-Malerei-Ausstellung in Karlsruhe die silberne Medaille für Kunst und Wissenschaft errang. Zehn Jahre später gab Göhler in seiner Funktion als Lehrer „Das farbige Malerbuch“ als Fortsetzung von Eyths gleichnamiger Veröffentlichung (um 1900) heraus, in dem noch vom Jugendstil geprägte Innenraumdekorationen zu finden sind. Symbolistische Ansätze sind vorwiegend in Göhlers dramatischen Gewittermotiven zu finden, in denen die Landschaft anfänglich nur als Kulisse für die Figur diente („Dame in Landschaft“, 1902). Wenig später bestimmte die Landschaft dann schon den Bildeindruck, oft mit tief herabgezogener Horizontlinie („Gewitter über Benediktbeuren“, um 1918). Die erste Parisreise 1899 scheint bereits Auslöser für Göhlers eigentliches künstlerisches Motiv gewesen zu sein: die Parklandschaft mit einer Figurenstaffage in historischen Kostümen. Französische Vorbilder wie z. B. Renoir lassen sich in dieser Zeit nur in wenigen, impressionistisch anmutenden Bildern feststellen („Im Gartencafe“, um 1902/05), wobei in der dunklen Tonigkeit der Farben ein Vergleich mit den deutschen Impressionisten augenfälliger ist. Einen spontanen Pinselduktus findet man dagegen in Göhlers Plein-Air-Studien, die er zeitlebens in großer Zahl auf Malpappen anfertigte. Sie dienten ihm vorwiegend zur Erfassung von Motiv und atmosphärischer Stimmung, wurden jedoch in ihrer Anlage nur selten in große Gemälde umgesetzt. Bei Göhler ist noch die traditionelle Trennung zwischen vorbereitender Studie und dem für die Öffentlichkeit bestimmten, repräsentativen Atelierbild festzustellen. Seiner Vorliebe für die Ölstudie ist es zuzuschreiben, daß das zeichnerische Werk Göhlers relativ klein ausgefallen ist und keinen eigenständigen Charakter aufweist.
1905, 1909 und 1912 hielt sich Göhler weitere Male in Paris auf und malte wiederum in den herrschaftlichen Parks und Gärten der Stadt. 1912 arbeitete er bei Schloß Schönbrunn in Wien. Daneben besuchte Göhler häufig das nahe Karlsruhe gelegene Schwetzinger Schloß („Im Schwetzinger Schloßpark“, um 1914). So war es anfänglich der französische Landschaftsgarten mit seinen kunstvollen Rabatten, Bassins, Terrassen und plastischem Gartenschmuck, der Göhler als Bühne für seine Figuren diente. In diesem künstlichen Landschaftsraum flanieren sonntäglich gekleidete Spaziergänger, die er bevorzugt in Rokoko- und Biedermeierkleidung darstellte, teilweise auch in Kostümen aus der Zeit des Empire („Herbsttage im Park“, um 1919). In der Tradition der Orientreise des 19. Jahrhunderts besuchte auch Göhler 1907 auf einer großen Mittelmeerfahrt Sizilien (Messina), Griechenland (Patras, Athen) und gelangte über Smyrna (Ismir) bis ins heutige Istanbul. Diese Reise scheint vergleichsweise wenige Gemälde hervorgebracht zu haben, obwohl Göhler sichtlich von der farbenprächtigen, fremden Umgebung beeindruckt war, was in einem leuchtenderen Kolorit zum Ausdruck kommt („Beim Zollamt in Smyrna“). Bisher haben sich nur 10 Bilder mit orientalischen Motiven nachweisen lassen. Ein Englandaufenthalt 1913 hatte zur Folge, daß Göhler allmählich von der strengen Landschaftskomposition mit dem Motiv französischer Gärten abkam und sich mehr einer natürlicher gewachsenen Landschaft zuwandte („Bei der Rundbank, Park von Schloß Nymphenburg“, um 1916/18). Nach einer Umorganisation in der Landeskunstschule 1924 unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, zog sich Göhler ganz in die Privatsphäre zurück und bereiste in der Folgezeit mit Vorliebe jene Orte und ihre Umgebung, in denen eine mondäne gesellschaftliche Minderheit Urlaub machte (z. B. St. Moritz, Berchtesgaden, Garmisch-Partenkirchen, Bad Schachen), auch um dort Käufer für seine Bilder zu finden. Selbst in fortgeschrittenem Alter ließ ihn der Reiz der alpenländischen Landschaft mit ihren Seen nicht los. 1933, 1935 und 1938 hielt sich Göhler z. B. am Eibsee auf, wo zahlreiche Studien vor Ort und große Bilder im Karlsruher Atelier entstanden („Hochsommer am Eibsee“, 1942). Als begeisterter Wintersportler, besonders Eisläufer, war Göhler auch langjähriges Mitglied des Karlsruher Skiclubs und des Eislauf- und Tennisvereins, was eine Reihe von Winterbildern erklärt. Göhler schuf ein malerisches Spätwerk, das – von der historisierenden Figurenstaffage wieder befreit – hauptsächlich die herbstliche Seenlandschaft zum Thema hat. So finden sich in den letzten beiden Lebensjahrzehnten viele Motive vom Bodensee, die mit Wein bepflanzte Ufermauern und angrenzende Gärten zeigen, deren hoher Baumbestand den Blick auf den See teilweise verdeckt. Zuletzt entstand noch eine Reihe von Blumenstilleben, kunstvoll arrangiert in Keramikvasen und umgeben von drapierten Stoffen, silbernen Dosen, Kristallschalen und anderen kostbaren Dingen, in denen Göhlers. malerisches Können ein letztes Mal zum Vorschein kommt.
Göhlers Kunstauffassung vermittelt ein subjektives Idealbild von Mensch und Natur, das die Darstellung einer schönen und eleganten Welt zum Thema hat. Landschaft und Natur stehen dabei symbolhaft für unveränderliche Werte, die es für Göhler zu bewahren galt. Durch diese antirealistische Anschauung, das Festhalten an romantisierenden Vorbildern und nicht zuletzt durch sein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden läßt sich sein Werk letztlich in der Tradition der idealen klassischen Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts sehen, was Göhlers Außenseiterstellung innerhalb der zeitgenössischen Entwicklungen am Anfang des 20. Jahrhunderts um so deutlicher macht.
Werke: Das malerische Werk stellt den weitaus größten Teil im Œuvre von Göhler dar. Eigenen Angaben zufolge schuf der Künstler etwa 1 000 Gemälde und über 1 100 Öl- und Temperastudien. Die Mehrzahl der Bilder befindet sich in süddeutschem Privatbesitz. Einige Arbeiten sind im Besitz der Städtischen Galerie Karlsruhe (z. B. „Dame in Landschaft“, 1902; „Marktplatz Karlsruhe“, 1916; „Am Lago Maggiore“), darüber hinaus in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe (z. B. „Sommerfest in nächtlichem Park“, um 1909; „Bei Wasserburg am Bodensee“, 1948). Weitere Gemälde befinden sich im Landratsamt Karlsruhe. Ein Bild wird von der Oberfinanzdirektion München aufbewahrt („Fernblick auf den Starnberger See“). Als Kunstgewerbler entwarf Göhler Inneneinrichtungen, Möbel, Festdekorationen, Ausstellungspostkarten, -plakate, Urkunden und Diplome. Von den öffentlichen Instituten, die solche Arbeiten Göhlers besitzen, sind das Stadtarchiv Karlsruhe, das Badische Landesmuseum und der Bezirksverband Bildender Künstler Karlsruhe e. V. zu nennen. 1911 veröffentlichte Göhler als Herausgeber „Das farbige Malerbuch“ im Leipziger Verlag Seemann, das u.a. 26 Dekorationsentwürfe für Innenräume von ihm beinhaltet. 1917 fertigte Göhler 4 großformatige Wandmalereien im griechischen Stil für den inneren Windfang des Kurhauses von Baden-Baden (erhalten). Weiterhin gestaltete er 1928 das Gefallenen-Denkmal am Jagdhaus in Baden-Baden (3. Schlesisches Dragoner-Regiment Nr. 15) und 1934 das Gefallenen-Denkmal in Rastatt (2. Badisches Feld-Artillerie-Regiment Nr. 30; beide erhalten)
Nachweis: Bildnachweise: Ausstellungskatalog Karlsruhe 1993, Frontispiz (Photo nach 1945), 18 (Photo, um 1906)

Literatur: ThB, 14, 306; Beringer-Theilmann, 137 f., 246; Ausstellungskatalog Hermann Göhler. Landschaft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Städtische Galerie im Prinz-Max-Palais Karlsruhe, 21.8.-17.10.1993 (mit weiteren Literaturangaben); S. Heilig, Hermann Göhler (1874-1959). Leben und Werk. 1997
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