von Sieglin, Ernst Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 21.04.1848;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 03.10.1927;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Fabrikant
Kurzbiografie: Eberhard-Ludwig-Gymnasium Stuttgart; Ausbildung zum Kaufmann
1866–1870 Anstellung bei der Ockendon Company in London
1870–1876 Buchhalter bei Bongart&Co in Aachen
1876 Rückkehr zur Ockendon Company, Besuch von Vorlesungen in Chemie, Entwicklung des Seifenpulvers mit R. Thompson
1877 Beginn der Produktion von „Dr. Thompson’s Seifenpulver – Marke Schwan“ in Aachen
1897 Eröffnung des Hauptwerks in Düsseldorf
1898 Umzug nach Stuttgart, Übergabe der Leitung der Firma
1898–1902 Finanzierung von Ausgrabungen in Alexandria
1909–1914 Finanzierung von Ausgrabungen in Gizeh
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Auszeichnungen: Württ. Personaladel (1907); Ehrenmitglied des Deutschen Archäologischen Instituts (1914); Dr. phil. h. c. (1906) und Ehrensenator (1927) der Univ. Tübingen; Württ. Geheimer Hofrat (1907); Ehrenkreuz der Württ. Krone; Komturkreuz des sächsischen Albrechtsordens (1910); Kommandeurkreuz des schwedischen Gustav Wasa-Ordens (1913); türkischer Medjidje-Orden 3. Kl. (1911); Großherzogliches Oldenburgisches Offizierskreuz (1911).
Verheiratet: 1891 Alice, geb. Borchert (1872–1915), Tochter des Mälzenbräuers und Rittergutbesitzers in Blindgallen (Bła˛kały, Kr. Gołdap, Polen) Hermann Borchert und Laura Baronesse von Grotthuß
Eltern: Vater: Ernst Sieglin (1814–1855), Großgrundbesitzer, Apotheker in Stuttgart
Mutter: Mathilde, geb. Staub (1832–1895)
Geschwister: 6: Wilhelmine (1846); Hermann (1849–1923), Prof. für Landwirtschaft an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim; Eugen (1851–1882), Stadtpfarrer in Hall; Hilda (1852–1910); Wilhelmine (geboren 1854); Wilhelm (1855–1935), Prof. für historische Geographie an der Univ. Berlin
Kinder: 5:
Ernestka (1892–1898);
Ernst (1895–1984), Geschäftsführer der Thompson-Werke GmbH in Düsseldorf, dann Aufsichtsratsvorsitzender der J. C. Eckardt AG in Stuttgart;
Martha (1896–1935);
Erich (1900–28), Kaufmann;
Olga (1901–1982)
GND-ID: GND/119151340

Biografie: Nina Willburger (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 209-210

Nach dem Besuch des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums in Stuttgart begann Sieglin eine Ausbildung zum Kaufmann in einem Stuttgarter Handelshaus. 1866 fand er im Kontor der Ockendon Company Wollwarenexport in London eine Anstellung. Der Ausbruch des Krieges zwischen Preußen und Frankreich zwang Sieglin 1870 zur Rückkehr nach Deutschland, wo er als Buchhalter bei der Wollspinnerei Bongart&Co in Aachen arbeitete. Erste Experimente zur Erfindung von pulverisierter Seife blieben mangels ausreichender chemischer Kenntnisse erfolglos. Nach dem Konkurs der Firma 1876 ging Sieglin zur Ockendon Company zurück und besuchte Abendvorlesungen zu englischer Literatur und Chemie am University College. Die Zusammenarbeit mit dem Chemiker und Erfinder der Flüssigseife Richard Thompson ermöglichte schließlich die Entwicklung von pulverisierter Seife. 1877 begann Sieglin in Aachen mit der Produktion der Seife unter dem Namen „Dr. Thompson’s Seifenpulver – Marke Schwan“, die sich in der Folge zu einem Verkaufsschlager entwickelte. Zur günstigeren Sodabeschaffung wurde 1890 ein Werk in Verviers/Belgien gegründet, eine Werksgründung in Wittenberg an der Elbe sollte ab 1895 die bessere Belieferung Ostdeutschlands ermöglichen. 1897 wurde schließlich das Hauptwerk in Düsseldorf eröffnet. Der Name des Unternehmens „R. Thompson&Co“ wurde 1891 in „Ernst Sieglin, Fabrik von Dr. Thompson’s Seifenpulver“ umbenannt und 1907 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt (Dr. Thompson’s Seifenpulver GmbH), allerdings übergab Sieglin die Leitung bereits 1898 seinen Geschäftsführern und einem Kuratorium. Als 1907 Henkel mit Persil ein neues Waschmittel auf den Markt brachte, stellte dies eine große Konkurrenz für Dr. Thompsons’s Seifenpulver dar. Man versuchte mit einem neuen Produkt – Ozonit, später in Ozonil umbenannt – dem entgegenzuwirken, auch Kernseife und das Bleichmittel Seifix wurden ins Produktsortiment aufgenommen. Allerdings wuchs nach dem Ersten Weltkrieg die Konkurrenz durch Henkel zunehmend; Sieglins Erben führten das Unternehmen zunächst fort, 1929 übernahm Henkel schließlich die Mehrheitsbeteiligung. Das daraufhin neu gegründete Tochterunternehmen Thompson Werke GmbH ging 1969 in der Thompson-Siegel GmbH auf.
Sieglin führte noch vor der Jahrhundertwende die 6-Tagewoche sowie den 8-Stunden-Tag ein, gewährte bezahlten Erholungsurlaub, Sondergratifikationen zu Weihnachten sowie andere soziale Sonderregelungen. Sieglin förderte auch in hohem Maße Kunst und Kultur. Auf Anregung seines Bruders Wilhelm sowie Wilhelm Dörpfelds, Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen, begann er 1898 mit der Finanzierung von Ausgrabungen in Alexandria, die bis 1902 von Professor Theodor Schreiber aus Leipzig durchgeführt wurden. Ziel war die Entdeckung des Grabes von Alexander dem Großen. Stattdessen kam im Westen der Stadt die mehrstöckig unter der Erde liegende Nekropole von Kom-Esch-Schukafa zutage, weitere Ausgrabungen fanden auf dem Areal des Serapis-Heiligtums, im Königsviertel und im Stadtteil Hadra statt.
Die Ergebnisse wurden, finanziert durch Sieglin, in mehreren Bänden unter dem Titel „Expedition Ernst von Sieglin. Ausgrabungen in Alexandria“ vorgelegt. Eine zweite Expedition erfolgte unter Leitung des Leipziger Professors für Ägyptologie Georg Steindorff 1909 bis 1914 in Gizeh; dabei wurden der Totentempel des Chephren sowie die Mastaba Seschemnofers III. freigelegt.
Durch die Ausgrabungen und die damals noch übliche Fundteilung gelangte Sieglin in den Besitz einer wertvollen Sammlung, die er durch Ankauf erweiterte. Er stiftete sie noch zu Lebzeiten den Universitäten Tübingen und Leipzig sowie dem Albertinum in Dresden und dem König Wilhelm II. von Württemberg, der die Objekte der Königlichen Staatsammlung Vaterländischer Kunst- und Althertumsdenkmale, die im Landesmuseum Württemberg aufging, übergab.
Ferner förderte Sieglin 1902 – 1904 die Ausgrabungen im Asklepieion auf Kos. Für die UB Tübingen erwarb er armenische Handschriften, für das Archäologische Institut der Universität Tübingen Teile der Sammlung Paul Arndts, für das Konservatorium für Musik eine Orgel. Zudem unterstützte er in Stuttgart unter anderem das Landesgewerbemuseum, die Landesbibliothek und das Lindenmuseum.
Sieglin zog 1898 von Aachen nach Stuttgart zurück und erwarb die Villa Weißenburg; gegenüber dieser befindet sich der 1928 nach ihm benannte Ernst-Sieglin-Platz.
Quellen: A der Familie Sieglin, A des Landesmuseums Württemberg.

Literatur: Dr. Baracs-Deltour, Dr. Ernst von Sieglin, in: Dr. Baracs-Deltour (Hg.), Die Süddeutschen Bundesstaaten 1914-1917, Bd. 3. Das Königreich Württemberg, Unsere Zeitgenossen Serie 23 (1917), o. S.; Emma Brunner-Traut, Die altägyptische Grabkammer Seschemnofers III. aus Gisa (1982); Thomspon-Siegel GmbH (Hg.), Erfahrungen für die Zukunft. 100 Jahre Thompson (1977); Nina Willburger, Zeugnisse römischer Mumiendekoration aus Ägypten. Ernst von Sieglin und seine Sammlung, in: Ägyptische Mumien. Unsterblichkeit im Land der Pharaonen. Ausstellungskatalog Landesmuseum Württemberg (2007) 229-235; Nina Willburger/Sieglin, Ernst Wilhelm von. In: NDB 24, 2010, 356 f.; Ingrid Laube, Expedition Ernst von Sieglin. Skulptur des Hellenismus und der Kaiserzeit aus Ägypten: Die Sammlungen in Dresden, Stuttgart und Tübingen, 2012.
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