Klose, Friedrich Karl Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 29.11.1862;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 24.12.1942; Castagnola (Tessin)
Beruf/Funktion:
  • Komponist
Kurzbiografie: 1873-1882 Gymnasium Karlsruhe
1882-1886 Universitätsstudien in Genf, gleichzeitig musiktheoretischer Unterricht bei Adolf Ruthardt am Institut La Chatelaine
1886 Schweizer Bürger
1886-1889 Privatschüler bei Anton Bruckner in Wien
1889-1890 Musiktheorielehrer an der Académie de musique in Genf
1890-1906 Komponist in Wien, Karlsruhe, Thun und Montreux
1906-1907 Musiktheorielehrer am Konservatorium in Basel
1907-1919 Prof., Leiter der Kompositionsklasse an der Akademie der Tonkunst in München
ab 1919 Wohnsitz in Locarno, Muralto, Ruvigliana
1922 Dr. h. c. der Universität Bern
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Mathilde, geb. Beck (1885-1974)
Eltern: Vater: Karl Klose (1818-1907), königlich-kaiserlicher Hauptmann außer Dienst
Mutter: Karoline, geb. Sachs (1835-1870)
Geschwister: Schwester Amelie (1867-1947), Pianistin in Karlsruhe
Kinder: keine
GND-ID: GND/119312247

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 160-162

Klose stammt aus alter badischer Familie. Sein Großvater Wilhelm Friedrich Klose, Ehrenbürger von Karlsruhe, ist der Begründer der Topographie und Kartographie Badens. Der Vater Karl Klose wollte Maler werden, was am elterlichen Machtspruch scheiterte; daraufhin trat er in die österreichische Armee ein und brachte es bis zum Hauptmann im Generalstab des Feldmarschalls Radetzky; bei einem Heimaturlaub in Karlsruhe lernte er seine spätere Frau kennen. Karl Klose war ein enger Freund Joseph Viktor von Scheffels. Erste musikalische Eindrücke erhielt der heranwachsende Friedrich Klose durch das Klavierspiel seiner Mutter. Sie starb, als er acht Jahre alt war, ein lange fortwirkender Schlag. Aus der Schulzeit am Karlsruher Gymnasium wird berichtet, daß er dort von ihm arrangierte Wagneropernfragmente mit einem ad hoc zusammengestellten kleineren Orchester aufführte. Dem Genius Richard Wagners war er in einer Lohengrinaufführung begegnet; mit Begeisterung erlebte er Konzerte mit Werken Franz Liszts und Hector Berlioz', und nachhaltigen Eindruck vermittelten Bachs Matthäuspassion und eine Brucknersinfonie. Eine geregelte musikalische Ausbildung sollte Klose am Karlsruher Konservatorium erhalten, aber als sein handwerklich tüchtiger, jedoch ultrakonservativer Lehrer Vincenz Lachner (1811-1893) Kloses musikalische Leitsterne Wagner, Liszt und Berlioz entdeckte, erklärte er ihn für untalentiert.
Da ereignete sich ein Glücksfall. Felix Mottl trat 1891 sein Amt als musikalischer Leiter des Hoftheaters in Karlsruhe an, und er erkannte Kloses Talent und empfahl ihm, sich bei Anton Bruckner fortzubilden. Aber erst nach Lehrjahren in Genf, wo er, wohl auf Wunsch des Vaters, allgemeinbildende Studien trieb, gleichzeitig bei Adolf Ruthardt (1849-1934) in der Kunst der Fuge und den musiktheoretischen Fächern unterrichtet wurde und eine erste Talentprobe in Form der sinfonischen Dichtung „Loreley“ lieferte, nahm ihn Bruckner als Privatschüler an. Klose eignete sich nun in intensiver dreieinhalbjähriger Zusammenarbeit mit einem Genie das technische Rüstzeug an, das zur Grundlage seiner kompositorischen Erfolge wurde. Heimlich – Bruckner schätzte es nicht, wenn seine Schüler während der Ausbildung komponierten – enstand sein erstes großes Werk, die dem Andenken Franz Liszts (gest. 1886) gewidmete d-Moll-Messe.
Nach einem zweiten Zwischenspiel in Genf, wo er sich als Musiktheorielehrer betätigte, lebte er in den folgenden Jahren als freischaffender Komponist in Deutschland und in der Schweiz. In dieser Zeit schuf er einen wesentlichen Teil seines quantitativ schmalen, aber gewichtigen Œuvres. Klose arbeitete sehr gewissenhaft und selbstkritisch; an manchen Tagen war er glücklich, wenn er vier Takte aufs Papier gebracht hatte. Er begann mit Liedern mit Klavierbegleitung (1887/1888) und einer Elegie für Violine und Klavier (1889) und ließ zwei Orchesterwerke folgen: „Festzug“ und „Elfenreigen“ (1892), bevor er 1896 eines seiner zentralen Werke, die sinfonische Dichtung „Das Leben ein Traum“ – für Orchester, Orgel, Frauenchor und „melodramatische Declamation“ –, komponierte. Mit der vielgespielten Oper „Ilsebill, das Märlein von dem Fischer und seiner Frau“ (Uraufführung durch Mottl in Karlsruhe, 1903), die er eine „dramatische Sinfonie“ nannte, erreichte er den Zenit seines Schaffens, übernahm 1906 eine Professur am Konservatorium in Basel, wechselte aber schon nach einem Jahr an die Akademie der Tonkunst in München, wo er als Nachfolger Ludwig Thuilles (1861-1907) bis 1919 lehrte. 1907 entstand eines der wenigen „absoluten“ Werke Kloses, die Doppelfuge für Orgel, vier Trompeten und vier Posaunen, 1911 das Melodram „Die Wallfahrt nach Kevlaar“ (nach Heine), und im gleichen Jahr komponierte er sein einziges Streichquartett – „Tribut in vier Raten, entrichtet an seine Gestrengen, den deutschen Schulmeister“ –, kehrte im Jahre 1912 noch einmal zum Oratorium zurück – „Ein Festgesang Neros“ – und glaubte schließlich, mit dem Chorwerk mit Orchester und Orgel „Der Sonne-Geist“ (1917) nach der Dichtung Alfred Momberts (1872-1942) den Gipfel seiner Kunst erklommen zu haben. Es folgte noch ein Epilog, „Fünf Gesänge nach Giordano Bruno“, bevor er sich im Jahre 1919 ins Privatleben zurückzog. Offensichtlich betrachtete er sein Lebenswerk als abgeschlossen, nachdem er ein Opus aus fast jeder musikalischen Gattung komponiert hatte. „Darf man Gerüchten trauen, so soll er sich verschworen haben, keine Note mehr zu schreiben“ (Wilhelm Zentner). 1925 veröffentlichte er „Meine Lehrjahre bei Bruckner, Erinnerungen und Betrachtungen“ und 1929 „Bayreuth, Eindrücke und Erlebnisse“ – mit einem Bericht über die Parsifal-Uraufführung 1882 –, zwei vom persönlichen Erleben bestimmte unschätzbare Quellen für die Musikgeschichtsschreibung.
„Wagner-Nachfolge“, „Neuromantiker“, „Programmusiker“ sind die Chiffren, in die sich Klose meist einpassen lassen mußte. Davon stimmt so viel, daß er, auf den Spuren Liszts, nur dann etwas nach seiner Meinung Vollendetes schaffen konnte, wenn dies an eine poetische Idee gebunden war. Er war aber durchaus auch in der Lage, „absolute“ Musik zu komponieren, wie er mit der Doppelfuge und dem Streichquartett bewies; mit dem letzteren trat er dem „deutschen Schulmeister“ entgegen, der ihn zum „Programmusiker“ stempeln wollte. „Neuromantiker“ war Klose insofern, als er in seinen Hauptwerken, insbesondere „Das Leben ein Traum“ und „Ilsebill“, die Welt der Wirklichkeit negierend mit vollendet beherrschten reichsten Mitteln orchestraler und vokaler Klanggebung eine autonome Welt flüchtiger Schönheit und Vergänglichkeit hinstellte. Strenge und Logik des Aufbaus seiner Werke, Farbe und Einfallsreichtum der das Vorbild Berlioz nie verleugnenden Instrumentation, Tektonik und Harmonik der Brucknerschen Klangsäulen ergeben ein unverwechselbares Bild der Kloseschen Kompositionskunst. Nicht immer entging er der Gefahr des Eklektizismus. Karl Laux (siehe Literatur) fand, daß unter den Schülern Bruckners kein Komponist „von Format“ war – „allenfalls F. Klose. Er ist es auch, der so etwas wie einen Bruckner-Stil weitergetragen hat.“
Kloses anspruchvollstes Werk, „Der Sonne-Geist“ – das zum 200. Gründungsjubiläum Karlsruhes im Jahre 1915 aufgeführt werden sollte; wegen des Krieges kam es nicht dazu –, ist ein „mythisch-kosmisches Bekenntnis“ genannt worden, und hier zog er alle Register seiner virtuosen Satztechnik und setzte einen gewaltigen Instrumentations- und Chorapparat ein, um die ekstatisch-visionäre Dichtung Momberts, „der als erster die Welt nicht nur als ein tellurisches, sondern ein planetarisches Ereignis erlebt“ hatte (Fritz Usinger), klangliche Wirklichkeit werden zu lassen. Wie Ulrich Weber (siehe Literatur) nachgewiesen hat, scheint ihm das wenigstens nach dem Urteil des Dichters nicht gelungen zu sein: „Er (Mombert) ließ den Komponisten aber niemals seine Enttäuschung merken.“ Klose jedoch, der sich dem Dichter in gleicher esoterischer Weltschau verbunden glaubte und ihm sein Werk „mit tiefstem Dank für Stunden innersten Erlebens“ gewidmet hatte, hegte hinsichtlich des bei Mombert zu erwartenden Echos Vorstellungen, die sich nicht erfüllten. Auszuschließen ist nicht, daß der „Schwur“ Kloses, keine Note mehr zu schreiben, mit auf diese Enttäuschung zurückzuführen ist.
Werke: Die wichtigsten Werke im Text; vollständiges Verzeichnis in: MGG 7 (Lit.).
Nachweis: Bildnachweise: in: Pyramide vom 3.12.1922 (Lit.), MGG 7.

Literatur: F. Schweiker, Zu F. Kloses 60. Geb., in: Die Pyramide, Wochenschrift z. Karlsruher Tagblatt vom 3.12.1922; Prof. Dr. F. Klose, Komponist in Locarno, in: Karlsruher Tagblatt vom 19./20.5.1929 (ohne Verfasserangabe); Wilhelm Zentner, F. Klose, Zum 70. Geb. des Meisters, in: Die Pyramide vom 27.11.1932; ders., F. Klose, in: Ekkhart 1933 44-50; Hans Schorn, F. Klose, der bad. Bruckner, in: BH 1935 232-233; Karl Laux, Anton Bruckner, 1947; Edgar Refardt, F. Kloses kompositor. Nachlaß, in: Schweizer. Musikzeitung XCIII, 1953; Albert Nef, Fünfzig Jahre Berner Theater, Das Berufstheater in Stadt u. Kanton Bern in d. ersten Hälfte d. 20. Jh., 1956; Ulrich Weber, Alfred Mombert, Kat. z. 25. Todestag, Bad. Landesbibliothek 1967; MGG 7 (1958) 1241-1244 (Wilhelm Zentner, dort weitere Literatur); NDB 12; Lt. 6, 8.
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