Geck, (Marie) Maria Luise Anna Karolina 

Geburtsdatum/-ort: 27.06.1865;  Freiburg im Breisgau
Sterbedatum/-ort: 13.08.1927;  Offenburg
Beruf/Funktion:
  • Geschäftsfrau, Redakteurin und Kommunalpolitikerin
Kurzbiografie: bis 1879 Höhere Töchterschule Freiburg
bis 1882 Kloster-Pensionat St. Ursula in Villingen
1891 Empfangsdame u. Buchhalterin im Fotoatelier Ruf, Mannheim
1895 Eintritt in die SPD
1899 Mitherausgeberin, Redakteurin u. Autorin d. Zeitung „D’r alt Offeburger“
1903 Vollberechtigtes Mitgl. im Offenburger Armenrat
1903 Autorin für die „Gleichheit“
1905 Mitgl. des Ausschusses des Vereins für Ferienkolonien u. Kinderhorte
1914 Mitgl. des Kriegshilfeausschusses
1916 Mitgl. d. städt. Kriegsküchenkommission
1917 Parteiwechsel zur USPD, 1922 wieder zur SPD
1922 Mitgl. im vorbereitenden Arbeitsausschuss zur Gründung einer Volkshochschule
1923 Mitgl. d. städt. Volksküchenkommission
1923 Mitgl. im Bezirksrat
1923 Obmann d. Geschworenen beim Offenburger Schwurgericht
1925 Austritt aus d. SPD
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1. 1887 (Freiburg im Br.) Joseph Hermann Schretzmann (1858-1890), Arzt;
2. 1892 (Frankfurt am M.) Adolf Geck (➝ IV 86)
Eltern: Vater: Amandus Moßmann (1821–1878), Materialverwalter d. bad. Staatseisenbahn
Mutter: Maria, geb. Jack (1830– 1892)
Geschwister: 2; Hermann (1853–1880), Apotheker u. Pauline Emma (*1851)
Kinder: 7; aus 1. Hermann Josef (1888–1891) u. Hubert Karl Leo (1889–1891), aus 2. Brandel (1893–1918), Tell (1894–1986), Erika Lassallia (1895–1951), Freya (1896–1974) u. Rohtraud (1898–1983)
GND-ID: GND/119366800

Biografie: Ute Scherb (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 134-137

Lange sah es so aus, als würde die Lebensperspektive der geborenen Freiburgerin Geck in die für eine Bürgerstochter des 19. Jh.s typische Richtung weisen: Die gläubige Katholikin besuchte eine Klosterschule, lernte anschließend einen Haushalt führen, virtuos Klavierspielen und sang im Freiburger Münsterchor. Daneben besuchte sie regelmäßig Tanzkränzchen, die von den Mitgliedern einer kath. Studentenverbindung ausgerichtet wurden. Dort lernte sie ihren ersten Ehemann kennen, einen angehenden Arzt. Geck wäre wahrscheinlich niemals über Freiburg hinaus bekannt geworden, hätte das Schicksal nicht kurz darauf furchtbar zugeschlagen: 1890/91 starben innerhalb weniger Monate ihr Ehemann und ihre beiden kleinen Söhne. Für die junge Witwe begann ein regelrechter Albtraum: Kaum war ihr Mann beerdigt, standen scharenweise Gläubiger vor ihrer Tür. Es stellte sich heraus, dass Schretzmann einen Schuldenberg bereits in die Ehe mitgebracht hatte; seine Angabe im Ehevertrag, er sei schuldenfrei, war erlogen.
Mit ungeheurer Energie und mit Unterstützung ihres Jugendfreundes und Vertrauten Adolf Geck baute sich die 26-jährige Witwe in Mannheim eine neue Existenz auf: Sie arbeitete als „Empfangsdame“ in einem Fotoatelier. Damals lernte sie selbst den Umgang mit der Kamera und sollte die Fotografie ihr Leben lang als Hobby pflegen. Auch privat entwickelte sich innerhalb weniger Monate alles zum Besten: beide verliebten sich ineinander, heirateten und sollten eine glückliche, für damalige Zeiten außergewöhnlich partnerschaftliche Ehe führen. Das Paar ließ sich in der Heimatstadt des Ehemanns, Offenburg, nieder, wo Geck schon bald einen großen Haushalt führte. Die Ehefrau des bad. SPD-Vorsitzenden trat 1895 selbst der SPD bei und pflegte enge Freundschaften mit Clara Zetkin (WB I 309), Rosa Luxemburg (1871–1919) und August Bebel (1840–1913). Letzterer hatte als ihr Trauzeuge fungiert.
Der SPD-Abgeordnete Adolf Geck war häufig wochenlang außer Haus – während der Landtagssessionen in Karlsruhe, während der Reichstagsdebatten in Berlin, zusätzlich auf Wahlkampftouren, oder auf der nahen Brandeck, wo sich der schwer Herzkranke von den parlamentarischen Strapazen erholte. Dann redigierte seine Frau die offiziell von ihm herausgegebene Zeitung „D’r alt Offeburger“. Daneben übernahm sie die komplette Geschäftsführung der angeschlossenen Druckerei und verfasste auch selbst zahlreiche Artikel. Es war ihr Verdienst, dass Zeitung und Verlag wirtschaftlich tragfähig waren.
Geck schrieb nicht nur für die eigene Zeitung, sondern auch für überregionale Blätter, vor allem für die von Clara Zetkin herausgegebene Zeitschrift „Die Gleichheit“. Ihr journalistisches Repertoire reichte von sachlicher Berichterstattung über scharfsinnige Analysen gesellschaftlicher Phänomene bis hin zu beißenden Glossen. Als ihr wichtigstes Thema kristallisierte sich schnell die Stellung der Frau in der Gesellschaft heraus, und hier spielte die Bildungsfrage eine besondere Rolle. Ihre Beiträge sind noch heute von ungebrochener Aktualität. Als 1904 die erste Offenburgerin ihr Abitur ablegen konnte, berichtete Geck ausführlich darüber in der „Gleichheit“ und schloss mit der Vision: „Die Zukunft wird auch den Kindern des arbeitenden Volkes die höheren Bildungsstätten erschließen.“
Längst hatte sich die ehemals bürgerliche Haustochter zur überzeugten Sozialdemokratin entwickelt. Sie nahm an den Landesparteitagen teil, die lange in Offenburg stattfanden. Wurde der Reichsparteitag in erreichbarer Entfernung abgehalten, z. B. 1906 in Mannheim, so war Geck als Delegierte ebenfalls zugegen. Den Parteitagsprotokollen ist zu entnehmen, dass sie keineswegs immer dieselbe Linie wie ihr Mann vertrat, vielmehr ihre eigenen Vorstellungen entwickelte. So stimmte sie 1906 nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen August Bebel, der zusammen mit dem Gewerkschaftsführer Carl Legien (1861–1920) einen Antrag zur Akzeptanz der gewerkschaftlichen Verurteilung von politischen Massenstreiks formuliert hatte. In welcher Deutlichkeit sie ihre abweichende Überzeugung zum Ausdruck bringen konnte, erfahren wir aus einem Brief, den sie im Juli 1910 an ihren Mann schrieb, als dieser wegen der Landtagssitzungen in Karlsruhe weilte. Soeben war die Nachricht nach Offenburg gelangt, die SPD habe das Regierungsbudget befürwortet: „Ich bin auch wütend&wünsche die ganze Fraktion zum Kuckuck. […] Nein&1000 x nein, hättet Ihr sagen müssen, zu jedem Jota, das man Euch ablisten wollte! / Da sind wir Weiber doch andere Männer!“ [Unterstreichungen von Geck]
Außerdem engagierte sich die fünffache Mutter immer stärker auch auf sozialem Gebiet. Als eine der ersten Armenrätinnen überhaupt trat sie in Offenburg ab 1903 kompromisslos für eine Verbesserung der Lebensumstände von Unterprivilegierten ein und verschaffte sich mit dieser Tätigkeit quer durch alle Gesellschaftsschichten großen Respekt. Im I. Weltkrieg, den sie als Pazifistin strikt verurteilte, wurde sie in die Kriegsküchenkommission berufen. Auf persönliche Bitte des Bürgermeisters beteiligte sie sich außerdem maßgeblich an der Gründung einer städtischen „Fürsorgestelle für die Hinterbliebenen gefallener Krieger“. Um diese Klientel kümmerte sie sich bis weit nach Kriegsende, sicherlich auch aus einer ganz persönlichen Motivation heraus: Noch in den letzten Kriegstagen fiel ihr ältester Sohn Brandel.
Als 1917 die USPD gegründet wurde, wechselten beide Eheleute sofort in die neue Partei über, deren wichtigstes Ziel die sofortige Beendigung des Krieges war. In Offenburg selbst erhielt die neue Partei großen Zuspruch – vielleicht auch deshalb, weil die Stadt seit 1915 unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen war. Damals fielen die ersten Bomben. Allerdings kehrten beide 1922 wieder in die SPD zurück. Hier sollten sie sich jedoch nie wieder heimisch fühlen.
Geck zog 1925 für sich die Konsequenz und trat nach 30-jähriger Mitgliedschaft aus der SPD aus. Ihr Mann vollzog diesen Schritt nicht mit.
In der Weimarer Republik, als Frauen endlich das aktive und passive Wahlrecht zuerkannt wurde, eröffneten sich auch für Geck weitere Möglichkeiten der politischen Teilhabe. Hierfür kamen auf kommunalpolitischer Ebene zwei Gremien in Frage: Der Bürgerausschuss, der zahlenmäßig in etwa dem heutigen Gemeinderat entsprach, und der Stadtrat, dessen 16 Mitglieder vom Bürgerausschuss gewählt wurden. Die eigentliche Arbeit erledigte der Stadtrat, besonders wichtige Entscheidungen mussten jedoch vom Bürgerausschuss bestätigt werden. Ihr Mann gehörte seit Jahrzehnten dem Bürgerausschuss an, und dies dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Geck zu keiner Wahl aufstellen ließ. Ihr Name erscheint jedoch im November 1922 auf der Kandidatenliste der SPD für den Stadtrat. Mit ihrem 5. Listenplatz verpasste sie nur knapp den Einzug in das Offenburger Stadtparlament. Wenn aus welchen Gründen auch immer ein SPD-Vertreter ausgeschieden wäre, Geck wäre als Nachrückerin die erste Offenburger Stadträtin geworden. Dazu kam es nicht; erst 1930 konnte die erste Frau in den Offenburger Stadtrat einziehen.
Geck engagierte sich jedoch mehr als je zuvor in der Kommunalpolitik: 1922 war sie als einzige Frau im vorbereitenden Arbeitsausschuss an der Gründung der Volkshochschule beteiligt. Daneben war sie nicht nur weiter Mitglied im Armenrat, sondern auch in der Volksküchenkommission. Diese Einrichtung sollte besonders in der schwierigen Zeit der Inflation, die in Offenburg durch die französische Besatzung 1923/24 noch erschwert wurde, für viele Familien von lebensrettender Bedeutung sein. 1923 wurde Geck außerdem zur Bezirksrätin ernannt. Sie löste in diesem Amt den scheidenden Bürgermeister Eduard Bührer (1882–1965) ab und fungierte bei Verhandlungen des Offenburger Schwurgerichts als „Obmann der Geschworenen“. Außerdem war sie Mitglied im städtischen Ausschuss für Lichtspielpflege. Als dieser Ende Juli 1927 umstrukturiert wurde, erging an Geck die Anfrage, ob sie auch in Zukunft in dem Gremium mitarbeiten wolle. Ohne zu zögern stimmte sie zu. Offenbar ahnte weder die 62-jährige selbst noch irgendjemand in ihrer Umgebung, dass sie nur noch wenige Tage zu leben hatte. Die Armenpflegerin, wie sie allerorten respektvoll genannt wurde, starb gänzlich unerwartet.
Wie sehr man bis in die Spitzen der Stadtverwaltung hinein Gecks Arbeit und ihre Person schätzte, war spätestens 1916 deutlich geworden, als ihr der Oberbürgermeister ankündigte, er wolle sie als Einzige beim Großherzog für das Kriegsverdienstkreuz vorschlagen. Für Geck war es eine Selbstverständlichkeit, diese Ehrung abzulehnen: „Das Wenige, was mir vergönnt war in schwerer Zeit für die Allgemeinheit zu raten oder zu tun, ist so verschwindend klein […], daß ich mich beim Anblick des Ehrenzeichens immer fragen müßte, wofür trägst Du dies eigentlich?“ [Unterstreichungen von Geck]
Es dürfte nicht zuletzt dieser Bescheidenheit zuzuschreiben sein, dass ihr Lebenswerk lange unbeachtet blieb. Weil sie aber jahrzehntelang unzählige Fotos und Dokumente familiärer, unternehmerischer und politischer Herkunft aufbewahrte, kann ihre außergewöhnliche Biografie heute dem Vergessen entrissen werden.
Quellen: GLA Karlsruhe, Inventar d. Nachlasses Adolf Geck, Veröff. d. Staatl. Archivverwaltung B-W Bd. 28, 1975 (353 S.), Nachlass Tell Geck u. Geschwister; StadtA Offenburg Nachlass Dittler, Nachlass Geck, Adolf u. Tell, Nachlass Weckerle-Geck.
Nachweis: Bildnachweise: GLA Karlsruhe, Nachlass Geck u. StadtA Offenburg.

Literatur: Günther Haselier, Adolf Geck als Politiker u. Mensch im Spiegel seines schriftl. Nachlasses, in: ZGO 115, 1967, 331–430; Judith Ernst-Schmidt, Marie Geck (1865– 1927), Untersuchung über ihr Leben u. Werk anhand des schriftl. Nachlasses ihres Mannes Adolf Geck im GLA Karlsruhe, unveröff. Zulassungsarb. zum Staatsexamen (StadtA Offenburg); Erwin Dittler, Adolf Geck 1854 –1942, Von d. „Roten Feldpost“ zum Arbeiterrat, in: Die Ortenau 1982, 212–301 (mit Bildnachweis); ders., Adolf Geck, Ein Offenburger Sozialdemokrat in d. Weimarer Republik, in: Die Ortenau 1983, 234 –273 (mit Bildnachweis); Ute Scherb, Marie Geck (1865–1927), Geschäftsfrau, Redakteurin, Armenrätin, in: Ruth Jansen-Degott u. Anne Junk (Hgg.), Markante Frauen, 2006, 38–41 (mit Bildnachweis); dies., Zwischen Theorie u. Praxis, Die Freundinnen Marie Geck u. Clara Zetkin, in: Ariadne 51, 2007, 46–53 (mit Bildnachweis).
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)