Krebs, Eugen 

Geburtsdatum/-ort: 01.05.1848;  Freiburg im Breisgau
Sterbedatum/-ort: 03.06.1912;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Bankier
Kurzbiografie: 1854–1862 Normal- u. Bürgerschule in Freiburg
1862–1863 Praktikum in d. Eisenbahnwerkstätte Freiburg, daneben Privatunterricht in Mathematik u. neuen Sprachen
1863–1864 Besuch d. neu eingerichteten Oberklasse d. Höheren Bürgerschule
1964–1868 Studium von Mathematik u. Maschinenbau an d. TH Karlsruhe
1867 Besuch d. Weltausstellung in Paris
1868–1869 Einjährig-Freiwilliger als Artillerist in Karlsruhe
1869–1870 Promotion zum Dr. phil. bei Paul Du Bois-Reymond, Univ. Freiburg: „De specifico calore corporum”
1870–1871 Kriegsteilnahme als Leutnant beim 1. bad. Feldartillerieregiment 14
1871–1872 Praktikum bei d. Maschinenfabrik Nolten u. Mehler, Aachen
1872–1875 Habilitiert u. Privatdozent für Maschinenbau an d. TH Aachen
1875 Leiter d. Privatbank Krebs in Freiburg
1878–1911 Engagement in d. Freiburger Kommunalpolitik; bis 1890 u. wieder ab 1904 im Stadtrat-Zentrum; 1890 bis 1904 zeitweise stellv. Vorsitzender des Bürgerausschusses
1898 Teilnahme an d. Gründung des Dt. Caritas-Verbandes, 1908 stellv. Vorsitzender
1907 Ritterkreuz I. Kl. des Ordens vom Zähringer Löwen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ritterkreuz I. Klasse des Ordens des Zähringer Löwen (1907)
Verheiratet: 1874 (Aachen) Jenny, geb. Komp (1854–1910)
Eltern: Vater: Joseph Alexander III (1802–1861), Kaufmann
Mutter: Sophie, geb. Schaal (1819–1889)
Geschwister: 3; Josef Alexander, als Kind verstorben, Adolf (1841–1874) u. Elisabeth (1843–1917)
Kinder: 10; Alexander (* 1875), Adolf (1876–1960), Karl Eugen (1877–1941), verh. mit Christine Meckel, Elisabeth (* 1878), verh. mit Max Kromer, Karl (* 1880, gef. im I. Weltkrieg), Engelbert (1881–1950), Hildegard (* 1883), verh. mit Karl Wirtz, Jenny (* 1886), verh. mit Kurt von Berg, Hans (* 1891, gef. im I. Weltkrieg) u. Hermann (* 1896, gef. im I. Weltkrieg)
GND-ID: GND/119438917

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 227-230

Mit 14 Jahren erklärte Krebs, dass er Ingenieur werden wolle. Seine Mutter nahm ihn ernst, ersparte ihm das Volontariat in einem Handelshaus und ließ ihn ein Jahr lang an der Seite von Schlosserlehrlingen in den Freiburger Eisenbahnwerkstätten praktizieren, allerdings nur nachmittags. Vormittags erhielt er Privatunterricht in modernen Sprachen und Mathematik, u. a. von Gewerbeschullehrer Jakob Schneider, dem Architekten der Freiburger Villa Colombi und der Synagoge. Anschließend absolvierte er die neueingerichtete 6. Klasse der Höheren Bürgerschule, schloss als Bester ab und konnte nun, noch nicht ganz 17 Jahre alt, das Studium am Karlsruher Polytechnikum beginnen: Mathematik, Physik, Chemie, Geologie, dann Maschinenbau waren seine Fächer. Er wohnte bei einer befreundeten Familie und seine Freizeit verbrachte er in der kath. Studentenvereinigung „Laetitia“, die er mitgegründet hatte.
Nach dem Studium leistete Krebs Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim Feldartillerieregiment „Großherzog“ in Gottesaue bei Karlsruhe, den er mit dem Qualifikations-Attest zum Landwehroffizier abschloss.
Den Kontakt zur Hochschule habe er während der Dienstzeit nie abreißen lassen, seine Kenntnisse stets verbessert. Das betonte Krebs 1870 der Universität Freiburg gegenüber, wo er seit dem WS 1869/70 promovieren wollte. Er benötigte den akademischen Grad, um seinen Berufswunsch, Dozent der theoretischen Maschinenlehre an einer Technischen Hochschule, realisieren zu können, wie im Universitätsarchiv Freiburg belegt ist. Wegen seiner Einberufung zum Kriegsdienst im Juli 1870 wurde die Promotion in absentia ausgesprochen. Die schriftliche Arbeit, die nicht mehr erhalten ist, lag fertig vor. Sie befasste sich mit der Thermodynamik, der Erkenntnis von Wärme als Bewegungsenergie, der Umwandlung von mechanischer Energie in Wärme und umgekehrt. Doktorvater war der Mathematiker Paul Du Bois-Reymond, fachlicher Berater der Physiker Johann Müller-Pouillet, Gutachter der Germanist und Romanist Ernst Martin, der seine Zustimmung von Berlin aus schriftlich erteilte.
Über Krebs‘ Kriegserlebnisse als Leutnant im 1. bad. Feldartillerieregiment 14, das zum XIV., dem badischen, Armeekorps gehörte, hat Sohn Engelbert, Priester und Theologieprofessor, farbig und kenntnisreich geschrieben; er konnte auf Briefe zurückgreifen, die der Vater in dichter Folge an seine Mutter geschrieben hatte.
Krebs nahm an der Belagerung Straßburgs teil, die sich bis Ende September hinzog. Im Oktober und November operierte seine Einheit in der Gegend von Dijon, wo ihr neben regulären französischen Truppen auch das Expeditionskorps des italienischen Freiheitshelden Guiseppe Garibaldi gegenüberstand. Den heftigsten Einsatz erlebte Krebs am 18. Dezember bei Nuits, nördlich von Beaune. Nach winterlichem Biwakieren erkrankte er an „Diphteritis“ und wurde ins Feldlazarett in Dijon gebracht. „Krank und gefangen“, schrieb er am 30. Dezember nach Hause (Engelbert Krebs, S. 34), denn beim plötzlichen Abmarsch des XIV. Armeekorps nach Süden wurde das Lazarett zurückgelassen; Garibaldi konnte die Stadt besetzen.
Die Gefangenschaft gestaltete sich jedoch „standesgemäß“ und geradezu unterhaltsam. Durch Vermittlung des Feldgeistlichen Joseph Hermann Finneisen (1828–1879) fand Krebs Aufnahme im Haus des Bischofs von Dijon, Monseigneur Rivet, wo ein weiterer junger Leutnant aus Baden gepflegt wurde. Als die Scharen Garibaldis Anfang Februar Dijon verließen, führten sie ihre Gefangenen mit sich Richtung Chalon-sur-Saône. Krebs wurde von Garibaldis drittem Sohn Ricciotti (1847–1924) zum Mitfahren in dessen Wagen eingeladen und zu Diners in den Kreis seiner Offiziere gebeten, wo Krebs einen englischen Adeligen kennenlernte. Nach einer Woche ließ Ricciotti Krebs im Austausch mit einem französischen Offizier frei. Krebs behielt Ricciotti in guter Erinnerung; zwei Monate zuvor hatte er Garibaldi senior noch als „Banditen und Kirchenschänder“ bezeichnet (Engelbert Krebs, S. 28). Die Nachricht vom Vorfrieden am 26. Februar erfuhr Krebs aus dem Mund von General Adolf von Glümer (1814–1896), der im Dezember das Gefecht bei Nuits kommandiert hatte. Heimkehren konnte Krebs erst im Sommer 1871, nach Abschluss der Demobilisierung, zuvor musste er u. a. von Karlsruhe aus noch 200 Pferde nach Lörrach zur Versteigerung bringen.
Um den Sprung ins Zivilistendasein zu schaffen und sich der Wissenschaft wieder anzunähern, begab er sich an die 1870 neu eröffnete TH Aachen. In der Maschinenfabrik Nolten und Mehler sammelte er praktische Erfahrung. Er knüpfte auch Kontakte mit Industriellen an der Ruhr und im Saargebiet. Verbindungen zu Unternehmen, die sich finanziell für die TH Aachen engagierten, stärkten seine Stellung als Dozent und verschafften ihm die Option, gegebenenfalls in die Industrie zu wechseln. Er befürchtete nämlich, dass für ihn als bekennenden Katholiken in einer ev. dominierten preußischen Staatsanstalt die akademische Karriere stagnieren könnte, auch wenn er 1872 ohne schriftliche Arbeit, also aufgrund bisheriger Leistung, habilitiert worden war. Sein Privatleben spielte sich ganz im kath. Milieu ab: in der kath. Studentenverbindung „Carolingia“, der „Marianischen Herrenkongregation“, sonst in großbürgerlichen Häusern. In einem solchen lernte er seine zukünftige Ehefrau kennen: die jüngste Tochter des Tuchfabrikanten Komp. Das Paar heiratete 1874 und richtete sich in Aachen ein, vermeintlich auf Dauer, freilich nur, bis die große Zäsur in Krebs‘ Leben sich ereignete: der Tod des Bruders Adolf, des Chefs des Freiburger Familienunternehmens. Krebs musste seine Nachfolge antreten.
Als Krebs die Arbeit in Freiburg aufnahm, war eine wichtige Neuerung bereits vollzogen: die Trennung von Handelsgeschäft und Bank. Bruder Adolf hatte das auch räumlich zum Ausdruck gebracht und die Bank in ein Anwesen aus der Mitgift seiner Frau Maria (1814 –1871), einer geborenen Glaris, in der Kaiserstraße verlegt. Das Warengeschäft wurde im Stammhaus von Johann Krebs und dessen Sohn Hermann weitergeführt. Die Firmengeschichte berichtet, sein Onkel Johann (1813–1895), ein erfahrener Kaufmann, habe Krebs geholfen, sich in die neue Materie einzuarbeiten und ihm zwanzig Jahre lang, bis zu seinem Tode, beigestanden. Diese Nachricht könnte man auch als Zeugnis für Krebs‘ Familiensinn, seine warme Mitmenschlichkeit interpretieren, der dem alten, stets elegant gekleideten Herrn die Heimat nicht nehmen wollte. Als Mathematiker und stets wacher Beobachter der wirtschaftlichen Entwicklung bedurfte Krebs wohl keines permanenten Beistandes, allenfalls in Bezug auf die metiertypischen Umgangsformen, gegen die er gerne rebellierte, wenn er seine Rede mit „Ich als alter Schlosser“ begann.
Krebs nutzte die Chancen des stürmischen Wachstums um die Wende zum 20. Jahrhundert. Er wirtschaftete erfolgreich und mit Gewinn. Neben der Verwaltung der Sparguthaben der alten Kunden florierte nun das Depositen- und Kontokorrentgeschäft. Manche Freiburger Firma erhielt im Hause Krebs ihr Startkapital. Von den 1890er Jahren an gab das Haus auch festverzinsliche Industrieobligationen aus und übernahm Staats- und Städtebauanleihen (Fs., S. 41). Als 1904 der ledige Cousin Hermann das Warengeschäft altershalber aufgab, verlegte Krebs die Bank zurück ins Stammhaus am Münsterplatz. Er ließ es komplett umbauen, in der Außenwirkung denkmalpflegerisch einfühlsam, innen hochmodern und funktional in gediegener Eleganz. Architekt war Carl Anton Meckel (vgl. S. 270), der wie auch sein Vater Max (1847–1910) mit Krebs befreundet und seit 1901, der Eheschließung des Sohnes Eugen mit Meckels Schwester Christine, genannt Tiny, auch verschwägert war.
Wie sein Vater gehörte Krebs dem Freiburger Stadtrat an, wo seine Stimme bei technischen und finanziellen Fragen Gewicht hatte. Er setzte sich für den Bau der Tiefkanalisation ein, veranlasste städtisch finanzierte Winterarbeitsprogramme; einige Waldfahrstraßen und der Waldsee wurden auf diese Weise angelegt. Als Oberbürgermeister Otto Winterer (➝ II 310) gleich nach seinem Amtsantritt 1888 die Gründung des Münsterbauvereins plante, fand er in Krebs einen effektiven Mitstreiter, „der ihm einen ersten Grundstock schenkte“ (Engelbert Krebs, S. 65) und mit Hilfe seiner Verbindungen den Weg zu einer Lotteriegenehmigung für Baden und weitere Bundesstaaten, vor allem Preußen, ebnete. Auch Lorenz Werthmann (➝ I 270), dem Gründer des Deutschen Caritasverbandes, stand Krebs 1897 mit fachlichem Rat und finanziellen Mitteln zur Seite; „opferwillige Mitarbeit an den großen Unternehmungen seines Freundes“, formuliert der Sohn und Priester (S. 67). Krebs wurde 1897 zum Kassier, 1908 zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes gewählt.
Über Parteigrenzen hinweg wurde Krebs‘ Engagement für das Gemeinwohl als echt und uneigennützig wahrgenommen. Bei der Wahl des Stadtrats 1908 erhielt er als einziger die Stimmen aller im Bürgerausschuss vertretener politischen Richtungen, ein ungewöhnlicher Vorgang, Antwort auf außergewöhnliche Taten.
Sein Leben war jedoch kein freudloser Opfergang. Er führte eine sehr glückliche Ehe mit einer sanften klugen und starken Frau. Am wohlsten fühlte er sich im Kreis seiner großen Familie, wo buntes Leben herrschte; der Altersunterschied zwischen dem erst- und dem letztgeborenen der zehn Kinder betrug 21 Jahre. Das Ehepaar pflegte die zeit- und standesgemäße Geselligkeit. Alles, was Rang und Namen hatte, verkehrte im Hause Krebs. Ein besonders gern gesehener Gast und Freund war Musikdirektor Hermann Dimmler (1843–1903), der prominenteste der Komponist und Klaviervirtuose Franz Liszt, der 1882 eine Woche in Freiburg verbrachte und im Hause Krebs Wohnung nahm.
Ein jäher Schicksalsschlag traf Krebs mit dem Tod seiner Ehefrau auf einer Osterreise 1910 nach Rom, wo der Sohn Engelbert damals studierte. Krebs‘ Lebenswille kehrte auch nach dem Trauerjahr nicht mehr zurück. Er ließ seiner Frau eine kleine Nekropole errichten: eine offene Kapelle über einer Gruft in der Nordostecke des Freiburger Hauptfriedhofs, wo man ihn in seinen beiden letzten Lebensjahren oft angetroffen habe. Dorthin begleiteten ihn zwei Jahre später Menschen aller Stände in einem nicht enden wollenden Trauerzug (Auer, S. 1). Er war kaum 64 Jahre alt geworden.
Die Leitung der Bank übernahmen nach ihm die Söhne Adolf und Eugen, die schon seit 1905 mitgearbeitet hatten. Sie standen nun vor der Aufgabe, den übrigen acht Geschwistern ihr Erbteil auszuzahlen. Um die Kapitaldecke konstant zu halten, nahmen sie die Rheinische Creditbank und zwei leitende Herren dieses Hauses als Kommanditisten auf. Das Unternehmen überstand den I. Weltkrieg, die Inflation und die große Wirtschaftskrise von 1929 dank des Verzichts auf waghalsige Spekulationen. Auch Krebs‘ Enkel Adolf (1905–1988) und Heinz (1906–2003), die sich hochbetagt 1986 aus der Firma zurückzogen, hielten sich an diese hergebrachten Hausregeln. Zur 250-Jahrfeier 1971 gratulierten prominente Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kirche. Eine 275-Jahrfeier gab es jedoch nicht mehr. Das Bankhaus Krebs, eine der ältesten Privatbanken Deutschlands, wurde im Sommer 1995 „von einem Nicht-Familienmitglied in die Pleite getrieben“, wie die Badische Zeitung am 29. März 1996 resumierte.
Quellen: UA Freiburg A 17/2/176; StadtAF, K1/107/10 u. K 1/107/22, Dwe 2247 c; Auskunft des Hochschularchivs d. RWTH Aachen vom 1. 3. 2011; Inschriften in d. Kapelle über d. Gruft in d. NO-Ecke des Freiburger Hauptfriedhofs u. auf einem weiteren Familiengrab dort; Auskünfte von Wolfgang Krebs, Freiburg, Urenkel von Krebs, vom Dez. 2010.
Nachweis: Bildnachweise: Engelbert Krebs, Eugen Krebs, 1912, 1; Auer, 1912, Vorsatzblatt; Geschichte des Bankhauses, 1921, zwischen 36 u. 37 (vgl. Literatur).

Literatur: Alexander Ferber, Geschichte des 1. Bad. Feldartillerie-Regiments Nr. 14, 1906; Engelbert Krebs, Eugen Krebs 1848–1912. Bilder aus dem Leben eines Alt-Freiburger Bürgers, 1912; Heinrich Auer, Dr. Eugen Krebs. Aus dem Leben eines Caritasfreundes. 1912; Engelbert Krebs u. Goetz Briefs, Geschichte des Bankhauses J. A. Krebs in Freiburg im Br. 1721–1921, 1921; 250 Jahre J. A. Krebs. Im Wandel d. Generationen, 1971, 34–41; BZ v. 4.1.1991, 14.7. u. 17.8.1995, 29.3.1996; Ursula Huggle, Strumpfbänder vom Christkind. Weihnachten im Hause Krebs vor 150 Jahren, in: BZ, Freiburger Ztg. vom 24.12.1999, 32; Werner Wolf-Holzäpfel, Der Architekt Max Meckel (1847–1910). Studien zur Architektur u. zum Kirchenbau des Historismus, 2000, 26, 259 u. 319; Peter Kalchthaler u. Walter Preker, Freiburger Biographien, 2002, 92 f.
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