Köster, Roland Wilhelm Dietrich Helmut 

Geburtsdatum/-ort: 01.06.1883;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 31.12.1935; Paris
Beruf/Funktion:
  • Diplomat
Kurzbiografie: 1903-1911 Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten München und Heidelberg
1905-1912 Tätigkeiten im badischen Justizministerium und am Amtsgericht Heidelberg
1911 Dr. jur. Universität Heidelberg
1912 Eintritt in den badischen Diplomatischen Dienst
1913 Aufnahmegesuch für Verwendung im diplomatischen Dienst des Deutschen Reiches
1914-1915 Teilnahme am I. Weltkrieg (Westfront), Eisernes Kreuz I. Klasse
1915-1920 Legationssekretär an der Deutschen Gesandtschaft Den Haag
1920-1922 Vertreter an der Deutschen Botschaft Brüssel
1922-1925 Vertreter an der Deutschen Gesandtschaft Prag
1925-1929 Protokollchef des Auswärtigen Amtes in Berlin
1929-1930 Leiter der Deutschen Gesandtschaft Oslo
1930-1932 Verwaltungschef des Auswärtigen Amtes
1932-1935 Deutscher Botschafter in Paris
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1924 Theodora Angelika Hyacinthe Helene Maria, geb. Freiin von Liebieg (1902-1984), Tochter von Theodor Freiherr von Liebieg (1872-1939), Textilindustrieller in Reichenberg/Böhmen
Eltern: Vater: Wilhelm (1854-1902) Bankier, Honorarkonsul von Venezuela
Mutter: Anthonia Maria, geb. Dyserinck (1858-1943)
Geschwister: Wanda Anna Hermana, unverheiratet (1881-1956)
Kinder: 2:
John (geb. 1926, adoptiert 1947 von Bülow)
Josef (geb./gest. 1928)
GND-ID: GND/120048698

Biografie: Robert W. Mühle (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 154-156

Köster wurde am 1. Juni 1883 in Mannheim als zweites Kind eines badischen Bankiers und einer holländischen Mutter geboren. Die Ehe der Eltern wurde nach einer Mesalliance der Mutter und dem darauf folgenden Duell des Vaters, das mit dem Tod des Geliebten endete (26. 11. 1886 im Käfertaler Wald), geschieden. Die Kinder wurden 1889 dem Vater zugesprochen, der nach kurzer Festungshaft von Kaiser Wilhelm I. begnadigt wurde. Sie wuchsen zuerst in Lörrach und nach dem Ableben des Vaters (1902) bei der Mutter in Heidelberg auf. In München und Heidelberg absolvierte Köster seine juristischen Studien, die er 1911 mit einer Promotion mit dem bezeichnenden Thema „Germanische Eheschließungsformen in ältester und fränkischer Zeit und die Stellung der Frau bei der Eheschließung“ abschloss.
Ein ausgeprägtes Interesse für Länderkunde, Begeisterung für technische Neuerungen und auch die Lust am Abenteuer kennzeichneten Köster, der nach seinem Studium eine Autoreise durch halb Europa unternahm und einen Ballonführerschein machte. Nach bestandener Piloten- und Feldpilotenprüfung soll Köster 1913 als erster mit einem Wasserflugzeug über den Bodensee geflogen sein.
Seinen beruflichen Werdegang begann Köster im badischen Justizministerium, um dann zielstrebig seinen persönlichen Neigungen gemäß einen Zugang zum diplomatischen Dienst zu suchen. Kurz nach seinem Eintritt in den diplomatischen Dienst Badens und dem Einsatz an der badischen Gesandtschaft in Berlin (1912) stellte er ein Gesuch um Verwendung in den diplomatischen Dienst des Deutschen Reiches (1913). Nach dem bestandenen Eintrittsexamen begann er indes nicht seine für September 1914 vorgesehene Attachétätigkeit, sondern zog in den Krieg und nahm als Fliegeroffizier an der Schlacht von Ypern teil.
1915 wurde Köster dem diplomatischen Dienst zur Verfügung gestellt und als Legationssekretär nach Den Haag geschickt, ein wichtiger Posten bei der strategischen Bedeutung der neutralen Niederlande im I. Weltkrieg. Wegen seiner von der Mutter erlernten holländischen Sprachkenntnisse wurde Köster vor Ort rasch unverzichtbar. Der Mantel der Weltgeschichte streifte den jungen Diplomaten, als er zur Jahreswende 1918/1919 in engsten Kontakt zum in den Niederlanden asylierten deutschen Kaiserhaus kam. Köster fungierte auf dienstliche Weisung als Kurier zwischen dem Kaiser, der Gesandtschaft in Den Haag und dem Auswärtigen Amt in Berlin, um die noch offenen Rechtsgeschäfte, die aus der faktischen Abdankung Kaiser Wilhelms II. entstanden waren, einer Lösung zuzuführen. So wurde er mit der delikaten Aufgabe betraut, Wilhelm in Holland eine im Auswärtigen Amt rasch entworfene Abdankungsurkunde zur Unterzeichnung vorzulegen. Insbesondere zum abgedankten Kaiser entwickelte sich eine enge Beziehung, da Köster auch als persönlicher Ratgeber das Kaiserpaar unterstützte: Noch nach Kösters Tod 1935 äußerte Wilhelm, dass er ihm für seine praktische Hilfe „bis an das Ende seiner Tage dankbar“ sein werde. Wegen seines Eintritts in den diplomatischen Dienst im Kriegsjahr 1914 gehörte Köster nicht mehr zu den klassischen kaiserlichen Diplomaten, was im Zuge der politischen Umstrukturierung des diplomatischen Dienstes Anfang der 1920er Jahre in der Weimarer Republik von Nutzen war. Als konservativer „Vernunftrepublikaner“ kletterte der nichtadlige Badener Köster die Karriereleiter steil nach oben: Nach Verwendungen in Brüssel und Prag erhielt er 1925 das Referat „Etiquette“ im Auswärtigen Amt. Hier erwirkte er ganz im Sinne des neuen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, dem Weimarer Staat mehr Glanz und Würde zu geben, eine Erhöhung und Ausgestaltung des Protokolls. Aus der unmittelbaren Nähe zum Reichspräsidenten entwickelte sich eine dauerhafte Freundschafts- und Treuebeziehung, die bis zum Tod Hindenburgs (1934) andauerte. Kösters weiterer Aufstieg wurde dadurch ebenso begünstigt wie – insbesondere nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten – auch gesichert. Der Kontakt zum abgedankten Kaiser sowie zum Reichspräsidenten wie auch die Heirat mit der Industriellentochter Theodora Freiin von Liebieg 1924 förderten die gesellschaftliche Position von Köster, der 1930 – im Alter von nur 43 Jahren – zum Personalchef des Auswärtigen Amtes avancierte. Nur zwei Jahre später erhielt Köster einen Spitzenposten der Reichsdiplomatie: Vertreter des Deutschen Reiches in Paris.
Köster gehörte zu jenem Kreis deutscher Diplomaten, die dem Nationalsozialismus kritisch bis feindselig gegenüberstanden. Die Verachtung der „braunen Revolution“ und ihres „Führers“ Adolf Hitler kontrastierte indes mit einer Teilidentität der Interessen auf außenpolitischem Gebiet: Auch Köster gehörte zu den Kritikern der von Stresemann und Briand verfochtenen Locarno-Politik und sprach dem Revisionismus das Wort. Der neue Reichskanzler misstraute seinem Botschafter: „Früher“, so urteilte Hitler gegenüber seinem Vertrauten Rosenberg über Köster, „hat er posaunt, Hitler bedeutet Krieg. Jetzt kann er uns nicht vertreten“. In der Tat beabsichtigte Köster, gemeinsam mit den Botschaftern in Washington und New York sowie mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt wegen der hereingebrochenen Diktatur in Deutschland von seinem Posten zurückzutreten. Das Vorhaben wurde jedoch – wahrscheinlich wegen der zögernden Haltung des Vertreters in London, Leopold von Hoesch – nicht umgesetzt: Köster verblieb in Paris und wurde bis zu seinem frühen Tod Ende 1935 mehr und mehr „ein Diplomat auf verlorenem Posten“. Köster stand als Botschafter in Paris ab 1933 massiv unter dem Druck des Regimes. Besonders problematisch war, dass Joachim von Ribbentrop als Berater Hitlers in Frankreich-Fragen mehr und mehr Einfluss gewann und seit dem Sommer 1933 an der deutschen Botschaft in Paris vorbei eine Paralleldiplomatie aufbaute, die Köster immer weniger politische Gestaltungsmöglichkeiten ließ. Die Konflikte mit Ribbentrop und den Nationalsozialisten setzten dem seit Jahren kränkelnden Köster stark zu, dessen Position in Paris durch den Tod seines Mentors und Freundes von Hindenburg 1934 nochmals erschüttert wurde. Aus Resignation über die politischen Zustände und der gesundheitlichen Regeneration wegen bat Köster im Herbst 1935 Reichsaußenminister von Neurath um Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Bis Februar 1936 sollte er die Pariser Geschäfte noch leiten, als er unerwartet am Silvestertag 1935 an einer Lungenentzündung starb. Köster wurde nach einem offiziellen Trauerakt mit militärischen Ehren vom Gare du Nord in Paris nach Heidelberg überführt und dort beigesetzt.
Quellen: GLA Karlsruhe, Bad. Gesandschaft in Berlin (berufl. Werdegang); Personalakten im Polit. A des Auswärt. Amtes Berlin, nicht erhalten d. dort 1943 noch nachgewiesene Nachlass Kösters; spärl. Unterlagen im Familien-A des Sohnes John von Bülow-Köster, Arlesheim, CH.
Werke: Die germanischen Eheschließungsformen in ältester und fränkischer Zeit u. die Stellung d. Frau bei d. Eheschließung, (Diss. jur. Heidelberg) 1911.
Nachweis: Bildnachweise: Familien-A John von Bülow-Köster.

Literatur: Robert W. Mühle, Ein Diplomat auf verlorenem Posten: R. Köster als Deutscher Botschafter in Paris (1932-1935), in: FRANCIA – Forschungen zur westeurop. Geschichte 23/3 (1996), 1997, 23-48. – In d. Fachliteratur taucht Köster nur selten, allenfalls kursorisch auf, dabei meist in Verwechslung mit dem sozialdemokratischen Reichsaußenminister Adolf Köster (1920), zu dem keinerlei verwandtschaftliche Verbindungen bestanden.
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