Pohlhammer, Ulrich 

Geburtsdatum/-ort: 26.02.1852; Neu-Ulm
Sterbedatum/-ort: 28.08.1926;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Architekt, Baurat
Kurzbiografie: 1869/1873 Studium am Polytechnikum in Stuttgart
1882 Zweites Staatsexamen nach mehrjähriger Tätigkeit in Architekturbüros (Stuttgart, Kassel, Köln)
1885/1886 Als erste Kirche nach Plänen Pohlhammers wird St. Joseph in Schwäbisch Hall im Stil der Neugotik errichtet
1891 Niederlassung als „selbständiger Privatarchitekt“ in Stuttgart
1896/1899 Bau der kath. St. Nikolauskirche in Stuttgart
1899 Teilnahme am Architektenwettbewerb zum Bau einer kath. Garnisonskirche in Ulm
1906 Pohlhammer erhält den Titel „Baurat“
1911/1913 Als letzte größere Bauwerke Pohlhammers entstehen die kath. Kirchen in Dettingen an der Iller, Rechberghausen und Meckenbeuren
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Franz Pohlhammer, Oberpostsekretär Gmünd
Mutter: Maria Theresia, geb. Braun
Geschwister: 1 Johanna (geboren 6.4.1854 Neu-Ulm)
GND-ID: GND/120907062

Biografie: Alfred Lutz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 180-182

Nach dem Schulbesuch in Neu-Ulm und Ulm studierte Pohlhammer Architektur an der Polytechnischen Schule (seit 1876 Technische Hochschule) in Stuttgart. Dort waren Christian Friedrich (von) Leins und Robert (von) Reinhardt seine wichtigsten Lehrer. Beide waren wichtige Vertreter der historistischen Architektur in Württemberg. Leins zeichnete für sehr zahlreiche evangelische Kirchenneu- und -umbauten verantwortlich, sein Hauptwerk ist die 1876 errichtete neugotische Johanneskirche in Stuttgart. Auch Reinhardt war mit der Pfarrkirche in Wimsheim (1883, neuromanisch), der Brenzkirche in Weil der Stadt (1888/89, neugotisch) und der Jobst-Gedächtniskirche in Stuttgart (1894, neugotisch) auf dem Gebiet des evangelischen Sakralbaus vertreten. Während seines Studiums zählte Pohlhammer zu den Gründern der katholischen Studentenverbindung Alania in Stuttgart. Die erste Staatsprüfung legte Pohlhammer 1873 ab. Zunächst war er in Stuttgart, dann in Kassel und Köln als Architekt in „Privatbüros“ tätig. Bedeutsam für seine spätere Tätigkeit auf dem Gebiet des Kirchenbaus war das gründliche Studium der mittelalterlichen rheinischen Kirchen während eines mehrjährigen Aufenthalts in Köln. Nach dem bestandenen Zweiten Staatsexamen 1882 war er seit 1885 als „selbständiger Privatarchitekt“ tätig. Zunächst war er in Schwäbisch Hall ansässig und von 1888 bis 1890 in der Pfalz beschäftigt. 1891 ließ er sich dauerhaft in Stuttgart nieder. Pohlhammer war ein vielgefragter Architekt auf dem Gebiet des katholischen Kirchenbaus im Königreich Württemberg bzw. der in ihrer Ausdehnung mit dem Landesgebiet identischen Diözese Rottenburg. Das starke Anwachsen der Bevölkerung, auch die Bildung zahlreicher Diasporagemeinden machten zahlreiche Kirchenneubauten oder Erweiterungen erforderlich. Seinen ersten Sakralbau konnte Pohlhammer in Schwäbisch Hall realisieren; hier entstand nach seinen Plänen 1886/87 die katholische Pfarrkirche St. Joseph, eine dreischiffige Basilika in neugotischen Stilformen. Zu den zahlreichen weiteren neugotischen katholischen Kirchenbauten Pohlhammers in der Folgezeit zählen jene in Pfedelbach (1888), Eislingen an der Fils (1892/93, alter Turm und Chor einbezogen), Backnang (1893/94), Laudenbach (1894/95), Balingen (1898), Röhlingen (1898 – 1901), Oggelshausen (1901/02, unter Einbeziehung des alten Turms), Aixheim (1902/03), Massenbachhausen (1905/06) und Winzeln (1907/09). In Pfeffingen (Nikolauskirche, 1897) und Burgfelden (neue Michaelskirche, 1896) wurde Pohlhammer auch mit dem Bau von zwei kleineren evangelischen Dorfkirchen im Stil der Neugotik beauftragt. Die nach seinen Plänen 1895/96 in Stuttgart errichtete katholische Nikolauskirche, eine dreischiffige basilikale Anlage (die jeweils östlichste Achse der Seitenschiffe war querflügelartig ausgebaut und nahm Kapellen auf) mit halbrundem Chor und Sitz- und Stehplätzen für rund 1500 Personen, wurde nicht zuletzt wegen der begrenzten, zur Verfügung stehenden Geldmittel in „französischem Übergangsstil“ (Monatsschrift des Württ. Vereins für Baukunde, 8 (1897), 41), d. h. in einer Mischung aus romanischen und gotischen Stilformen, ausgeführt. Der Sichtbacksteinbau mit Architekturgliederungen aus Sandstein und mit Strebepfeilern besaß lediglich einen hölzernen Dachreiter; aus Kostengründen wurde auf einen Turmbau zunächst verzichtet. Die 1944 ausgebrannte Nikolauskirche wurde 1947 bis 1949 in vereinfachter Form wieder aufgebaut und 1963 durch einen Turm in modernen Formen ergänzt.
In den Formen der Neuromanik führte Pohlhammer die katholischen Kirchen in Kupferzell (1900), Tiefenbach (1901/02), Bachenau (1901/02, unter Einbeziehung des alten Turms), Zuffenhausen (1902), Salach (1904), Sontheim (1904, Einbeziehung des alten Chors und Turms), Wachbach (1905, ein sehr frühes Beispiel in der Diözese Rottenburg für die Ausführung der Arkadenpfeiler und -bögen in Eisenbeton), Hauerz (1908, unter Einbeziehung des alten Turms) und Bargau (1911) aus.
Im Falle des Kirchenneubaus in Bargau kritisierte der um eine Stellungnahme gebetene Diözesankunstverein, „daß er fast zu correct, nach klassischen Mustern des Rheinlandes von basenlosen Rundsäulen bis zur rheinischen Thurmhaube“ sei und nicht in die Gegend passe. Gewünscht wurde „die Wuchtigkeit der alten Ostturmkirchen statt eines ,ziemlich gezierten Dorfkathedralbaus‘, eine einschiffige Halle, auch eine Art Zentralbau, etwa nach dem Muster der Pauluskirche [erbaut 1898 – 1901 nach Plänen von Robert Curjel und Karl Moser, d. Verf.] in Basel“ (Richard Strobel, Kunstdenkmäler, 270 f.); die Kirche in Bargau wurde jedoch nach den ursprünglichen Plänen von Pohlhammer ausgeführt. Dass Pohlhammer hier wie auch in zahlreichen anderen Fällen Kirchenneubauten in Sichtbacksteinbauweise ausführte, war nicht zuletzt Kostengründen geschuldet. Als Leitlinien für viele seiner seit den 1880er Jahren entstandenen Kirchenbauten nannte Pohlhammer 1920 rückblickend „größte Einfachheit“, den „Verzicht auf Kreuzblumen, Krabben, Fialenaufbauten, Maßwerke u. dergl.“, „Grundrisse in knappster Form, aber mit klarer Gliederung der Baumassen in Unter- und Ueberordnung und mit Vermeidung einer kleinlichen Dimensionierung“, eine „Monumentalität, wie sie die alte heimische Kirchenbaukunst romanischen und gotischen Stils gelehrt hatte“; es sei „die Aufgabe kirchlicher Kunst, die Liturgie zu unterstützen, sie ästhetisch wirksam zu um rahmen, nicht in konventionell ausdruckslosen schablonenhaften, sondern in lebensvollen Formen … mit besonderer Bewertung und Heraushebung des Altarraums als geistiges Zentrum, nach welchem hin auch die bauliche Gliederung gerichtet sei ohne Abschwächung, Unterbrechung oder Unklarheit“ (Pohlhammer, Katholische Kirchen in Württemberg). Ab etwa 1910 widmete sich Pohlhammer verstärkt dem neubarocken Stil, den er vor allem bei Kirchenneubauten in Oberschwaben, einer katholisch und vom Barock geprägten Region, realisierte; hatte er noch 1901/02 in Oggelshausen die neugotische Dorfkirche – wohl in erster Linie aus Kostengründen – als Sichtbacksteinbau (mit Hausteingliederungen) errichtet, der in der Region doch eher wie ein Fremdkörper wirken musste, so nahm er nun in Oberschwaben mehr „Rücksicht auf die Eigenheiten der Kunstlandschaft“ (Schmid, 29). So entstanden 1910 die Kirche in Immenried, 1911/13 die Kirche in Dettingen an der Iller und 1914/19 die kleine Filialkirche in Hannober bei Ravensburg in neubarockem Stil; bereits 1902 war der Turm der katholischen Stadtpfarrkirche St. Petrus und Paulus in Laupheim von Pohlhammer in neubarocken Formen erhöht und mit einer laternenbekrönten Zwiebelhaube versehen worden. In diesem Zusammenhang konstatierte Pohlhammer 1920 im Rückblick, dass in Oberschwaben, „dem klassischen Fundort für Barock und Rokoko, beim Volk die Begeisterung für die großen kirchlichen Bauten aus jener Zeit nie erloschen“ sei (Pohlhammer, Katholische Kirchen in Württemberg). Weitere neubarocke Bauten Pohlhammers sind die Kirche in Harthausen (1910/11) und die Erweiterungen der Kirchen in Oberbettringen (1913) und Altheim bei Riedlingen (1909) jeweils um ein Querschiff. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstanden in einer eigentümlichen, bereits modern-versachlichten Mischung von Stilelementen des Neubarocks, Neuklassizismus, Heimat- und Jugendstils die Kirchen in Rechberghausen (1912) und Meckenbeuren (1912/13). Auch an der Restaurierung zahlreicher historischer Sakralbauten war Pohlhammer maßgeblich beteiligt; hierzu zählen unter anderem die Bergkirche in Laudenbach, die Kapuzinerkirche in Neckarsulm und die Stadtpfarrkirche in Mergentheim.
Beim allgemeinen und öffentlichen Architektenwettbewerb um den Bau der evangelischen Friedenskirche in Stuttgart (1888) erhielten der Dresdner Architekt Christian Schramm den ersten und der damals in Hall ansässige Pohlhammer den zweiten Preis zugesprochen; ausgeführt wurde der Kirchenneubau jedoch schließlich 1890 bis 1892 nach Entwürfen von Konrad Dollinger, Professor für Baukonstruktionslehre an der Technischen Hochschule Stuttgart. Pohlhammer zählte zu den sechs Kirchenarchitekten, die vom württembergischen Kriegsministerium nach Rücksprache mit dem Bischöflichen Ordinariat Rottenburg 1899 zur Teilnahme am Wettbewerb um den Bau der katholischen Garnisonskirche in Ulm aufgefordert wurden. Die Konkurrenz um dieses prestigeträchtige Bauprojekt, an der sich Pohlhammer beteiligte, konnte schließlich der Erzbischöfliche Baudirektor Max Meckel aus Freiburg im Breisgau für sich entscheiden; nach seinem Entwurf („Schwäbisch“) wurde die katholische Garnisonskirche (heute kath. Pfarrkirche St. Georg) 1902 bis 1904 in neugotischen Formen errichtet.
Bis zum Ersten Weltkrieg zeichnete Pohlhammer für den Neubau, die Erweiterung und Restaurierung von rund 70 Kirchen und Kapellen verantwortlich; damit zählte er von der Mitte der 1880er Jahre bis zum Ersten Weltkrieg neben dem nur wenige Jahre jüngeren Joseph Cades (1855 – 1943) zu den meistbeschäftigten Architekten auf dem Gebiet des katholischen Sakralbaus in Württemberg bzw. der Diözese Rottenburg. Außerdem führte Pohlhammer unter anderem den Festsaal „Europäischer Hof“ (1892) und den Erweiterungsbau der katholischen Töchterschule (1907), beide in Stuttgart, das Sanatorium Carolinum in Mergentheim (1908), das neubarocke Schulhaus in Bargau (1911 bis 1913) sowie Pfarrhausbauten in Schwäbisch Hall und Feuerbach aus. Am 25. Februar 1906 wurde Pohlhammer anlässlich des Geburtstags König Wilhelms II. mit dem Titel „Baurat“ geehrt; die Anregung hierzu war vom Oberamt Göppingen anlässlich der Fertigstellung der nach Plänen Pohlhammers errichteten katholischen Kirche in Salach (1905) ausgegangen.
Quellen: StAL E 21/VI Bü 2053.
Werke: Katholische Kirchen in Württemberg. Bauten und Entwürfe, 1920.

Literatur: Zentralblatt der Bauverwaltung 8 (1888), Nr. 30, 319; 26 (1906), Nr. 19, 121; Deutsche Bauzeitung 30 (1896), Nr. 101, 636; Monatsschrift des Württ. Vereins für Baukunde in Stuttgart, 8 (1897), 41-45; ebda., 6 (1903), 26-28; Beschreibung des Oberamts Tettnang, hg. vom K. Statistischen Landesamt, 2. Bearb., 1915, 819 f.; Vollmer, Bd. 27, 1933, 192; Stuttgarter Neuestes Tagblatt vom 28.8.1926; Schwäbische Kronik vom 30.8.1926; Gustav Wais, Alt-Stuttgarts Bauten im Bild, 1951, 631; Werner Fleischhauer/Julius Baum/Stina Kobell, Die schwäbische Kunst im 19. und 20. Jahrhundert, 1952, 135; August Hagen, Geschichte der Diözese Rottenburg, Bd. 3, 1960, 473; Hartwig Beseler/Niels Gutschow, Kriegsschicksale deutscher Architektur, Bd. II: Süd, 1988, 1252; Julius Fekete, Kunst- und Kulturdenkmale in Stadt- und Landkreis Heilbronn, 1991, 18, 79, 234, 243; Hans Georg Tiefenbacher/Wolfgang Urban/Egon Rainer, Kirchenbau und religiöse Kunst in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 1992, 30; Heribert Hummel, Rechberghausen, 1992; Heinz E. Walter (Hg.), Fluorn-Winzeln. Ortsbuch, 1992, 153-157; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Baden-Württemberg I: Die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe, bearb. von Dagmar Zimdars u. a., 1993, 161, 637, 643, 651, 685; Immo Eberl, Die Pfarrkirche Röhlingen und ihre Kapellen, 1994; Eva-Maria Seng, Der evangelische Kirchenbau im 19. Jahrhundert, 1995, 335, 397, 399; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Baden-Württemberg II: Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen, bearb. von Dagmar Zimdars u. a., 1997, 276, 523; Werner Wolf-Holzäpfel, Der Architekt Max Meckel (1847 – 1910), 2000, 299, 365; Richard Strobel, Die Kunstdenkmäler der Stadt Schwäbisch Gmünd IV: Kirchen und Profanbauten außerhalb der Altstadt – Ortsteile, 2003, 270-272, 282-285; Richard Strobel, Landkirchen in den Ortsteilen von SchwäbischGmünd um 1900, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 (2005), 73-87; Annette Schmidt, Ludwig Eisenlohr. Ein architektonischer Weg vom Historismus zur Moderne, 2006, 78; Michael Andreas Schmid, Moderner Barock und Stilimitatoren. Sakraler Neubarock und denkmalpflegerische Rebarockisierungen in der Diözese Augsburg, 2007; Denkmaltopographie Baden-Württemberg, Bd. I.5: Stadtkreis Heilbronn, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, 2007, 249 f.; Wolfgang Urban, Pfarrkirche St. Margareta Laudenbach, 2007; Lothar Wölfle (Hg.), Der Bodenseekreis, 2009, 211; Frank Raberg, Biografisches Lexikon für Ulm und Neu-Ulm 1802 – 2009, 2010, 319.
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