Veit, Ludwig Andreas 

Geburtsdatum/-ort: 24.05.1879; Mainz-Finthen
Sterbedatum/-ort: 25.04.1939;  Freiburg im Breisgau, beerdigt auf dem Hauptfriedhof Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Kirchenhistoriker
Kurzbiografie: 1885–1897 Volksschule Finthen bis 1889, Progymnasium Dieburg bis 1895, Großherzogl. Gymnasium Mainz bis Abitur
1897–1901 Studium d. Philosophie u. d. kath. Theologie am Priesterseminar Mainz, Priesterweihe am 30.11.1901 durch Bischof Heinrich Brück
1901–1907 Seelsorgetätigkeit an verschiedenen Stellen, u. a. als Kaplan in Viernheim 1904 bis 1907; Besuch historischer u. philosoph. Vorlesungen an d. Universität Heidelberg 1905
1907–1909 Kaplan in Gießen u. Studium d. Geschichte, Nationalökonomie u. d. Germanischen Philologie, Promotion zum Dr. phil. am 5.12.1908 bei Felix Rachfahl (1867–1925): „Das Volksschulwesen in Kurmainz unter Erzbischof Johann Philipp von Schönborn (1647–1673)“
1909–1912 Seelsorgetätigkeit in Mainz, St. Stephan, u. Pfeddersheim
1912–1925 Pfarrer in Neckarsteinach; Promotion zum Dr. theol. in Würzburg am 14.2.1918 bei Sebastian Merkle (1862–1945): „Kirche u. Kirchenreform in d. Erzdiözese Mainz im Zeitalter d. Glaubensspaltung u. d. beginnenden tridentinischen Reformation (1517–1618)“
1925–1939 Habilitation; Privatdozent für Kirchengeschichte an d. Universität Freiburg; seit 1928 ao. Professor, seit 1934 o. Professor für Mittlere u. Neuere Kirchengeschichte
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Philipp Friedrich (1852–1924), Kaufmann u. Gastwirt
Mutter: Apollonia Maria, geb. Schottler (1857–nach 1924)
Geschwister: Philipp Jakob (1888–1957), Arzt; weitere früh verstorben
Kinder: keine
GND-ID: GND/121111989

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 416-418

Schon als junger Vikar war der Rheinhesse Veit ein ausgewiesener Kenner der kurmainzischen Kirchengeschichte. Über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg hat er unter Aufbietung aller Kräfte seine seelsorgerlichen Verpflichtungen und seine Forscherleidenschaft in erstaunlichen Einklang gebracht. Seine wissenschaftliche Betätigung fand ihre Krönung an der Universität Freiburg, wo er nach der Habilitation zunächst eine ao. Professur bekleidete und seit 1934 Lehrstuhlinhaber für Neuere Kirchengeschichte war.
Veits früh gefasster Entschluss, seiner geistlichen Berufung zu folgen, hatte im Elternhaus nachhaltige Förderung gefunden. Nach seiner Priesterweihe war er den kirchlichen Gepflogenheiten entsprechend an verschiedenen Orten der Diözese als Kaplan tätig. Die Versetzung nach Viernheim 1904 weckte in ihm den Wunsch, an seinen beiden freien Nachmittagen im nahen Heidelberg historische und philosophische Vorlesungen u. a. bei Karl Hampe (➝ III 15) und Eberhard Gothein (➝ II 102) zu hören. Seit 1907 Kaplan in Gießen entschloss er sich an der dortigen Universität zu einem systematischen Studium der Geschichte, anfänglich bei Hermann Oncken (➝ III 207), sowie der Nationalökonomie und der Deutschen Philologie bei Otto Behaghel (➝ V 7). Schon nach vier Semestern schloss er das Studium mit der Promotion ab.
Mit der ausdrücklichen Empfehlung seines Doktorvaters wurde Veit kurz danach auf Grund einer Vereinbarung seiner Kirchenbehörde und der Historischen Kommission in Hessen beauftragt, in einigen größeren deutschen und österreichischen Archiven, vornehmlich in Würzburg und Wien, die im Zuge der französischen Revolutionskriege aus dem ehemaligen Erzstift ausgelagerten Protokolle des Kurmainzischen Domkapitels von 1450 bis 1514 zu sammeln und editionsfähig zu bearbeiten. Dabei stieß er vor allem wegen der kaum zu entziffernden Schrift und des fragmentarischen Zustandes der ersten Protokolle auf ungeahnte Schwierigkeiten. In das Würzburg näher gelegene Neckarsteinach versetzt konnte er dank einer nochmaligen befristeten Beurlaubung einen zweiten Anlauf nehmen. Tatsache ist, dass Veit gerade in jenen Jahren eine dauerhafte Verbindung von Wissenschaft und Seelsorge als Lebensideal vorschwebte. Obwohl er selbst sich bereits nahe am Ziel der ihm übertragenen Publikation glaubte, nahm er als nunmehr investierter Pfarrer von Neckarsteinach endgültig von seinem wissenschaftlichen Projekt Abstand. Sein Weggang aus Würzburg bedeutete für ihn auch den Abschied von einem geschätzten Gelehrtenkreis, und es bedurfte großer Anstrengungen einiger seiner besten Freunde, ihn 1918 für den Erwerb auch des theologischen Doktorgrades zu erwärmen.
Unabhängig von den pastoralen Aufgaben hatte Veit von Neckarsteinach aus nicht nur seine Dissertation vorbereitet, sondern in regelmäßigen, zeitlich sehr kurzen Abständen Untersuchungen zu kirchengeschichtlichen und volkskundlichen Themen veröffentlicht.
Für seinen weiteren Lebensweg schicksalhaft wurden wiederholte Begegnungen mit dem ihm befreundeten Historiker Ludwig von Pastor (1854–1928), und anlässlich eines Rombesuchs 1924 eröffnete ihm dieser, dass er ihm den Weg zur Habilitation in Freiburg geebnet habe. Als Habilitationsschrift legte Veit sein in Fachkreisen viel beachtetes Buch „Mainzer Domherren vom Ende des 16. bis zum Ausgang des 18. Jh.s in Leben, Haus und Habe“ vor. Diese seinem Bischof Ludwig M. Hugo (1921–1935) gewidmete Publikation bewirkte, dass er als Privatdozent auch zum Diözesanarchivar ernannt wurde, ohne zum festen Wohnsitz in der Bischofsstadt verpflichtet worden zu sein. Bereits im Herbst 1928 erfolgte die Ernennung zum ao. Professor mit Lehrauftrag für die Geschichte der Kirche Deutschlands und seiner Territorien. Nach dem frühen Tod von Emil Göller (➝ IV 100) wurde er 1934 dessen Nachfolger auf dem Freiburger Lehrstuhl für Neuere Kirchengeschichte.
Als den eigentlichen Schwerpunkt seiner Studien weist Veits Bibliographie die Erforschung der Kirchengeschichte des Mainzer Bistums sowie des ehemaligen Erzstiftes aus. Dies entsprach ganz und gar seinem ausgeprägten Heimatbewusstsein. Da jedoch der Mainzer Erzstuhl wegen seiner Machtstellung häufig mit der Reichsgeschichte verknüpft war, bestand für Veit nie die Gefahr einer allzu starken lokalen oder regionalen Verengung. Vielmehr erwiesen sich seine Studien langfristig als wichtige Stationen, um so auch in die universale Kirchengeschichte hinein zu wachsen. Dies ermöglichte ihm nach der Übernahme des kirchengeschichtlichen Lehrstuhles in Freiburg auch seine Vorlesungen und Seminare auf eine breitere Basis zu stellen und gesamtkirchliche Vorgänge und Entwicklungen stärker zu berücksichtigen. Seine Vorlesungen hatten meist längere Epochen der Kirchengeschichte zum Gegenstand, etwa „Das christliche Altertum“, „Das Mittelalter“, „Zeitalter der Glaubensspaltung und der kath. Reform“.
Wichtigster Ausfluss seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als Universitätslehrer war sein 1931 bis 1933 erschienenes zweibändiges Werk „Die Kirche im Zeitalter des Individualismus“, das die Zeit von 1648 bis zur Gegenwart umfasst. Zu der Erforschung der neueren und neuesten Kirchengeschichte trat nahezu gleichrangig eine noch stärkere Hinwendung zu volkskundlichen Studien, woraus Veits letzte große Veröffentlichung und zugleich sein viel beachtetes Hauptwerk auf diesem Gebiet, „Volksfrommes Brauchtum und Kirche im deutschen Mittelalter“, erwuchs.
Als Veit im Frühjahr 1939 kurz vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres verstarb, geschah dies zu früh für nennenswerte kirchliche oder wissenschaftliche Auszeichnungen oder Ehrungen; noch weniger konnte dies unter der damaligen Herrschaft des Nationalsozialismus erwartet werden, auch wenn sein hohes Ansehen trotz der verhältnismäßig kurzen Lehrtätigkeit bei Fach- und Fakultätskollegen wie Studierenden unstrittig war. Die umfänglichen und vorzüglich auf der Grundlage des Quellenmaterials erarbeiteten Studien belegen Veits Position bei der Erforschung nicht nur der mittel- und oberrheinischen, sondern auch der neueren deutschen und europäischen Kirchengeschichte. An der Verwirklichung zweier ehrgeiziger Ziele, die schon vor dem I. Weltkrieg in Angriff genommene Publikation der kurmainzischen Kapitelsprotokolle zu vollenden und sein nahezu fertiggestelltes Manuskript „Kirche und Judentum im deutschen Mittelalter“ zu drucken, hat ihn sein früher Tod gehindert. Postum erschien 1956 von Ludwig Lenhart herausgegeben „Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeitalter des Barock“.
Quellen: Mitteilungen des A des Bistums Mainz, d. Stadtbibliothek Mainz u. des UA Gießen vom Januar 2010, des UA Würzburg u. des StadtA Mainz vom Februar 2010 sowie d. StadtAA Heidelberg, Eberbach u. Neckarsteinach vom März 2010.
Werke: Bibliographie Ludwig Andreas Veit in: Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 2, 1950, 363–366; Einzeltitel in: Biographisch-bibliogr. Kirchenlexikon Bd. 12, 1997, Sp. 1190 f. -Auswahl: Die Stellung des Erzstiftes Mainz im Gange d. dt. Geschichte, in: Mainzer Journal Nr. 24, 1910; Episoden aus dem Taubergrund z. Zt. des Bauernaufstandes in den Jahren 1525/26, in: FDA, 18, 1917, 194–207; Beiträge zur Geschichte d. vormals Mainzischen Pfarreien des bad. Odenwaldes im 16. u. 17. Jh., in: FDA 21, 1920, 1–49; Der Zusammenbruch des Mainzer Erzstuhls infolge d. Französischen Revolution, in: FDA 28, 1927, 1–141; Das Aufklärungsschrifttum des 18. Jh.s u. die deutsche Kirche. Ein Zeitbild aus d. dt. Geistesgeschichte, 1937.
Nachweis: Bildnachweise: Konradsblatt Nr. 21, 1939 u. unter www.ub.uni-freiburg.de, Ludwig Andreas Veit, Personenportal d. UB Freiburg.

Literatur: W. Franzmathes, Zum Ehrentag eines Gelehrten unserer Diözese, in: Mainzer Journal Nr. 276 vom 27.11.1926; Andreas Ludwig Veit, in: Handb. d. Diözese Mainz, Hg. von d. Bischöfl. Kanzlei Mainz, 1931, 500; J. Sauer, Andreas Ludwig Veit †, in: FDA 39, 1938, V–X; S. Merkle, Andreas Ludwig Veit †, in Hist. Jahrb. d. Görresgesellschaft Bd. 59, 1939, 560– 563; J. Vincke, Ludwig Andreas Veit †, in: Konradsblatt Nr. 21 vom 21. 5. 1939; ders., Andreas Ludwig Veit †, Necrologium Friburgense 1939, in: FDA 41, 1941, 39 f.; L. Lenhart, Ludwig Andreas Veit. Ein priesterlicher Künder lebendigen Heimat-, Volks- u. Kirchenbewusstseins an d. Univ. Freiburg, in: Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 2, 1950, 329–362; N.N., Andreas Ludwig Veit (1879–1939), in: Anzeiger für die Kath. Geistlichkeit Nr. 5, 1964, 196; L. Lenhart, Ludwig Andreas Veit, in: LThK Bd. 10, 1965, 653; K.-B. Springer, Andreas Ludwig Veit, in: Biographisch-bibliograph. Kirchenlexikon Bd. 12, 1997, Sp. 1190 f.
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