Menz, Maria 

Andere Namensformen:
  • Pseudonym: Marie Anna Riem
Geburtsdatum/-ort: 19.06.1903;  Oberessendorf, Lkr. Biberach
Sterbedatum/-ort: 07.03.1996;  Oberessendorf
Beruf/Funktion:
  • Dichterin
Kurzbiografie: 1909 Volksschule Oberessendorf
1916 Mädcheninternat in Rottenburg
1917 Heimkehr ins Elternhaus
1923–1925 Besuch d. Krankenpflegeschule in Stuttgart
1925–1942 Examen; anschließend Stationsschwester, zeitweise auch Arztsekretärin in Stuttgart, Sangershausen, Leipzig, Ludwigsburg u. Wangen im Allgäu
1942 Aufgabe des Berufs aus gesundheitlichen Gründen u. Rückkehr nach Oberessendorf; erste Veröffentlichungen
1960 Erste Mundartgedichte
1967 Auftritt vor dem Literarischen Forum Oberschwaben
1981 Erscheinen d. dreibändigen Werkausgabe
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Johann-Peter-Hebel-Preis des Landes Baden-Württemberg (1982); Droste-Preis (zusammen mit Dorothee Sölle; 1983); Päpstlicher Orden Pro Ecclesia et Pontifice (1988); Bundesverdienstkreuz I. Klasse (1988)
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Joseph Anton (1861–1965), Landwirt
Mutter: Josepha, geb. Hummler (1877–1952)
Geschwister: 9; 4 in jungen Jahren gestorben, ein Bruder fiel im Krieg
Kinder: keine
GND-ID: GND/122198107

Biografie: Manfred Bosch (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 268-270

Menz war nach eigener Aussage als Kind schmächtig und gesundheitlich wenig belastbar; ihre Kindheit und Jugend hat sie in seelischer wie körperlicher Hinsicht als hart bezeichnet. Vom „selben Stoff“ wie ihr Vater, ein „frei und schürfend“ denkender Mann, galt sie als introvertiert. Mit elf Jahren entstanden ihre ersten Verse. Ihr Wunsch, Lehrerin zu werden, scheiterte an den weiteren Kosten für das Rottenburger Internat wie auch daran, dass sie in der elterlichen Landwirtschaft gebraucht wurde, als der Vater zum Militär einberufen war. Die erhoffte Gelegenheit, die heimische Enge zu durchbrechen, erhielt sie schließlich durch eine Schwesternausbildung, der nach bestandenem Examen 17 Jahre Berufstätigkeit an verschiedenen Orten des Reiches folgten. Während dieser Zeit widmete sich Menz dem Schreiben, das sie als innere Notwendigkeit empfand; kontinuierlich entstanden in diesen Jahren zahlreiche Gedichte sowie erzählende und darstellende Prosa.
Seit 1942 zeigten sich Anzeichen einer vegetativen Dystonie, die eine weitere Berufsausübung unmöglich machte. In ihr Elternhaus zurückgekehrt sah sich Menz dem „austrocknenden Milieu“ ihres Heimatdorfes erneut ausgesetzt und empfand – bei Lektüren verschiedenster Art, jedoch ohne den Vorteil einer erreichbaren Bibliothek – den Mangel an geistigem Austausch und weitergehenden Bildungsmöglichkeiten umso stärker. Zwar hielt sie der dörflichen Isolation zugute, dadurch ihren „Eigenwuchs“ bewahrt zu haben, ihr Wunsch nach Begegnung mit anderen Schreibenden wurde indes immer unabweislicher.
Nachdem Menz, insbesondere seit den frühen 1950er-Jahren, erste Anerkennung durch Veröffentlichungen in der Tagespresse und im Süddeutschen Rundfunk gefunden hatte, las sie 1967 vor dem „Literarischen Forum Oberschwaben“, einem von dem Wangener Landrat Walter Münch ins Leben gerufenen und bis in die Gegenwart alljährlich stattfindenden Werkstatt-Treffen von Autoren aus dem alemannisch-oberdeutschen Sprachraum. Vermittelt worden war dieser Kontakt durch Josef W. Janker, mit dem Menz seit den frühen 1960er-Jahren korrespondierte – entdeckt und dann aufs Nachhaltigste gefördert wurde sie jedoch, wie zuvor schon Maria Müller-Gögler und nach ihr Maria Beig, durch Martin Walser. Mit seinem Diktum „Endlich einmal Pfingsten!“ stellte er ihre Werke sogleich in die Tradition regionaler geistlicher Dichtung, die im Sakralraum Oberschwaben mit dem aus Altshausen stammenden Hermann dem Lahmen, Heinrich Seuse oder auch der Guten Beth eine über tausend Jahre währende Tradition aufzuweisen hat.
Als unmittelbare Folge ihres Auftritts beim „Literarischen Forum“ erschienen 1968 und 1969 erste Gedichtbände. Sie enthielten vorbildlose, der eigenen religiösen „Schau“ (Menz) angelehnte Verse einer „wortgeladen[en] schwingende[n]Seele“. Zehn Jahre später überraschte Menz mit schwäbischen Mundartgedichten („Oberland“), die seit Beginn der 1960er-Jahre entstanden waren und deren Erfolg sich an einer zweiten, stark erweiterten Auflage ablesen ließ. Begab sich Menz in den hochdeutschen Gedichten auf die Suche nach Gott, drängte in ihren Mundartgedichten eine vom Aussterben bedrohte bäuerliche Erfahrungswelt auf Überlieferung. Zwar wolle Menz ihre gotisch gerichteten hochdeutschen Gedichte bevorzugen, so brachte Martin Walser das Verhältnis dieser beiden „Gattungen“ auf den Begriff, doch lasse sich die „horizontale Stimme in ihr nichts gefallen von der vertikalen“. Inmitten der Renaissance der Mundartliteratur jener Jahre hatte sich unversehens eine Stimme zu Wort gemeldet, die in aller „Erdabroite“ von Eigenwert und Würde einer minder geachteten Kultur und Lebensart erzählte und die Schönheit des Einfachen pries, ohne die Enge der bäuerlichen Welt zu kaschieren.
Zum Werk von Menz gehört in gleicher Weise die Korrespondenz mit ihren „Feder-Freunden“ (Menz) – in erster Linie mit Martin Walser. Er war ihr kollegialer Freund und Lektor, Mutmacher, unermüdlicher Werber und Vermittler. Von ihm sagte Menz, er habe in ihr „einem Funken zur Flamme“ verholfen. Kurze Zeit auch Adressat gewisser christlicher Missionierungsbemühungen schätzte Walser, der von der Gläubigkeit Menzens um Welten entfernt war, „unsere aufs schönste verstiegene Seuse-Schwester“ trotz ihrer Tendenzen zum Mystischen und einem Hang zu religiösem Obskurantismus als große religiöse Dichterin.
Gegen Lebensende konnte sich Menz steigender Anerkennung und Wertschätzung erfreuen; ihren Ausdruck fand beides in der Verleihung zweier Literaturpreise, von denen der Johann-Peter-Hebel-Preis ihrer Dichtung besonders gerecht wurde – mochte die bescheidene Dichterin, sich „bar allen freien Schwungs“ wähnend, auch fürchten, „im öffentlichen Licht […] die geforderte Form nicht zu leisten“. Ihren literarischen und geistigen Rang belegen neben den hochdeutschen und Mundartgedichten, den Briefen und den zuletzt erschienenen Tiergeschichten („Rettungen“) auch die beiden in „Briefe“ (Bd. I) enthaltenen Essays „Der Weg“ und „Natürliche und übernatürliche Arbeit im Garten“. Sie zählen zu den wesentlichen Zeugnissen religiöser Dichtung des ausgehenden 20. Jahrhunderts.
Quellen: Nachlass im LiteraturA Oberschwaben, Biberach.
Werke: Bibliographie in Maria Menz, Briefe, 2005, 417-420. – Auswahl: Innenwelt. Gedichte, mit einer Einführung von Wilhelm Gössmann, 1968; Anmutungen. Gedichte, mit einem Nachwort von Josef W. Janker, 1969; Oberland. Schwäb. Gedichte, 1979 (2., erw. Aufl. 1985, mit Schallplatte); Gedichte. Werkausgabe in drei Bänden mit einem Beiheft. Bd. 1: Gott, Schale, Schwelle, Bd. 2: Mensch, Welt, Natur, Bd. 3: Oberlendische Vers, 1981; Was lupft deine Flügel. 1987; Gedanken – Gedichte, 1989; Rettungen. Geschichten, 1993; Briefe, hgg. von Claus-Wilhelm Hoffmann. Bd. I: Briefwechsel mit Martin Walser. 2005; Bd. II: Briefwechsel mit Befreundeten, 2009.
Nachweis: Bildnachweise: Der Johann-Peter-Hebel-Preis 1936–1988, 1988, 312.

Literatur: Martin Walser, Licht u. Land, in: Schwester Seuse u. Äbtissin Voltaire, 1979 (wieder abgedr. in: Werke in 12 Bänden, Bd. 12, 1997, 349-345 u. Hoffmann, Briefe 2005, 361-366); Ders., Höchste Schule, in: Allmende 1, H. 2, 1981, 122-127 (wieder abgedr. in: Werke, ebd., 366-372 u. Hoffmann, Briefe 2005, 367-374); Dieter Fringeli, Hebelpreis für Maria Menz, in: Basler Ztg. Nr. 106 vom 8.5.1982; Walter Münch, Zum Hebelpreis 1982 des Landes Baden-Württemberg für Maria Menz, 1983; Paul Konrad Kurz (Hg.), Wem gehört die Erde?, 1984; Karl-Josef Kuschel, Weil wir uns auf dieser Erde nicht ganz zu Hause fühlen, 1985, 141ff. (wieder abgedr. in: Hoffmann, Briefe 2005, 375-393, hier bes. 386f.); Walter Münch, Lobrede zu Ehren von Maria Menz, in: Allmende H. 13, 1986, 143f.; Wolfgang Müller-Welser, „… wie durch Schleier dämmern“, in: Anzeiger für die Seelsorge H. 4, 1987, 136-138; Hans-Joachim Rennkamp, Kampf mit dem Glühenden, in: Kath. Sonntagsblatt. Kirchenztg. für die Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 20./27.12.1987; Josef W. Janker, Jankerbriefe. Werkausgabe Bd. 4, 1988, passim; Peter Renz, Hoher Ton u. „Erdabroite“, in: Rudi Holzberger (Hg.), Oberschwaben. Bilder, Berichte, Reportagen 1988; Manfred Bosch (Hg.), Der Johann-Peter-Hebel-Preis 1936–1988, 1988, 312-317; Autoren in Baden-Württemberg. Ein aktuelles Nachschlagewerk, 1991, 348f.; Erentraud Wild, Vermittlung von Literatur in d. „Provinz“, in: Joseph A. Kruse u.a. (Hgg.), Literatur, Verständnis u. Vermittlung, 1991, 265– 273; dies., Maria Menz, Alles gerät ihr zum Gedicht, in: Bodenseehefte 43, H. 6, 1993, 34-37; Josef W. Janker, Meine Freunde die Kollegen, 1994, 225-228; ders., Der Erzengel aus dem wilden Ried. Aus verspätetem Anlass des 90. Geburtstags von Maria Menz, in: Allmende 14, H. 40/41, 1994, 101-103; Peter Eitel, Elmar L. Kuhn (Hgg.), Oberschwaben, Beiträge zu Geschichte u. Kultur 1995, 207-210; Armin Ayren, Unzeitgemäß, weil zeitlos, in: BZ vom 9.3.1997; Otto Beck, Zum Tode von Maria Menz, in: BC. Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 19, H. 1, 1996, 3-4; Erentraud Wild, Stimme aus Oberschwaben. In memoriam Maria Menz, in: 0berland 8, H. 2, 1997, 24-30; dies.; Wegspuren. Maria Menz – Dichterin aus Oberschwaben, 2000; Hannelore Nussbaum, Die offene Tür – Begegnungen mit d. Dichterin Maria Menz, 2002; dies.; Schreiben Sie weiter, kommen Sie wieder. Gedanken zum 100. Geburtstag von Maria Menz, in: Schönes Schwaben 17, H. 6, 2003, 33-36; Oswald Burger, Die bewegende, fromme Tochter eines Bauern. Aus d. Rede zum 100. Geburtstag d. oberschwäb. Dichterin Maria Menz, in: Südkurier vom 21.6.2003; DBE 7, 2. Aufl. 2006, 7.
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