Eitel, Albert 

Geburtsdatum/-ort: 29.01.1866;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 25.08.1934;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Architekt
Kurzbiografie: 1899/1900 Errichtung des Wohnhauses Etzelstr. 27 für den Kommerzienrat P. Bauer
1906/12 Architektengemeinschaft Eitel mit Eugen Steigleder
1907/09 Bau des Kleinen Kursaales in Stuttgart-Bad Cannstatt
1909 Bau des „Kleinen Schauspielhauses“ und des Karl-Olga-Krankenhauses (Charlottenbau) in Stuttgart
1910 Bau der Villa Gemmingen in Stuttgart
1924/26 Bau des New Bismarck Hotels in Chicago
1928/28 Errichtung des Hindenburgbaus in Stuttgart (gemeinsam mit Paul Schmohl, Georg Stähelin und Richard Bielenberg)
1933 Mitwirkung am Bau der Kochenhofsiedlung in Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1902 (Stuttgart) Elisabeth (Lisa), geb. Hoffmann (24.11.1872–27.12.1961), Tochter des Verlagsbuchhändlers Julius Hoffmann.
Eltern: Vater: Emil Eitel (1840–1938), Kaufmann und Lederfabrikant in Stuttgart
Mutter: Charlotte Friederike, geb. Troost (1842–1917)
Geschwister: 7 (5 Brüder, 2 Schwestern)
Kinder: 2: Hans (9.7.1906–15.7.1991), Architekt in Stuttgart; Lore (18.7.1903–30.6.1984)
GND-ID: GND/122922662

Biografie: Alfred Lutz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 49-52

Der Sohn eines Lederfabrikanten studierte am Polytechnikum in Stuttgart bei Christian Friedrich Leins und dessen Nachfolger Skjöld Neckelmann Architektur, danach in Dresden (wo er auch im bekannten Architekturbüro von Rudolf Schilling und Julius Gräbner arbeitete) und in Düsseldorf. Schließlich war er eineinhalb Jahre lang im Büro von Alfred Messel in Berlin beschäftigt; zwischen Historismus und Moderne angesiedelt, war Messel einer der bedeutendsten Berliner Baumeister dieser Zeit. Bemerkenswert war nicht zuletzt auch ein Auslandsaufenthalt Eitels bei den Architekten Burnham und Root in Chicago. Kurz vor 1900 ließ sich Eitel in Stuttgart als Architekt nieder. Von 1906 bis 1912 arbeitete er mit dem Architekten Eugen Steigleder (1876–1941) zusammen; es war dies eines der bekanntesten Stuttgarter Architekturbüros. Einen besonderen Schwerpunkt in Eitels vielseitigem architektonischen Schaffen nahmen der Villenbau und dessen Innengestaltung ein. Von 1899 bis zum Ersten Weltkrieg erstellte Eitel hauptsächlich Villen, „von denen manche zu den besten Leistungen des Stuttgarter Eigenhausbaues gehören und vorbildlich gewirkt haben“, wie der Kunsthistoriker Julius Baum 1913 urteilte (Julius Baum 1913, 252). Je nach Wunsch des Bauherrn, baulicher Umgebung und zur Verfügung stehenden Geldmitteln baute Eitel luxuriös oder einfacher, stilistisch mit zum Teil auch kombinierten Anleihen bei der Neurenaissance, dem Neubarock, Heimatstil, Reformstil, Neuklassizismus, Landhausstil und Jugendstil. In der frühen Weimarer Republik war Eitels Schaffen dann von „Heimatstil, Protorationalismus und Expressionismus gekennzeichnet“ (Saur, Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 33, 85). Wolfgang Pfleiderer würdigt Eitels Leistungen auf seinem Haupttätigkeitsfeld, dem bürgerlichen Villen- und Wohnhausbau, 1929 so: „Das Wohnhaus des wohlhabenden Bürgers, der dem modernen Leben zugewandt ist, aber dem wilden, bunten Getriebe doch immer mit einiger Reserve gegenübersteht: das ist Eitels eigentliche Domäne. Es erscheint bald in ländlichem, bald in städtisch repräsentativem Charakter, ist immer mit viel Feingefühl in die Landschaft eingefügt und dem Gelände angepasst und technisch wie ästhetisch bis ins Kleinste sorgfältig durchgebildet. Hier bewährt sich auch der Innenarchitekt. Schlicht, vornehm, behaglich weiß er seine Räume auszustatten. Mit wenigen Mitteln kommt er aus, weil der Raum immer an sich schon klingt, an sich schon ausgestattet ist durch wohlige Maßverhältnisse, gute Lichtführung, reizvolle Durchblicke und Weiterführung zu angrenzenden Räumen und Gärten“ (Neue Werkkunst 1929, XI).
1910 errichtete Eitel für den Königlichen Kammerherrn Fritz Freiherr von Gemmingen-Hornberg eine prächtige Villa in bester Wohnlage am Rande der Stuttgarter Karlshöhe. Diesen aristokratischen Bauauftrag führte Eitel in der vereinfachten Form eines spätbarocken Lustschlosses aus. Symmetrische Garten- und Eingangsfassaden mit vorspringenden Seitenrisaliten, der plastische Schmuck und insbesondere der oval geformte Mittelrisalit mit Kuppeldach verdeutlichen dies; der letztere Bauteil spielt auf die Architektur der Lustschlösser Monrepos in Ludwigsburg und Solitude bei Stuttgart an, die Philippe de la Guépière für Herzog Karl Eugen errichtet hatte.
1907/09 fügte Eitel dem 1825/39 von Nikolaus Thouret in klassizistischen Stilformen erbauten Kursaal in Stuttgart-Bad Cannstatt geschickt ein Wirtschaftsgebäude, den sog. Kleinen Kursaal, an, der zur Belebung des Kurbetriebes ein Restaurant und einen Tanzsaal aufnehmen sollte. Das durch eine Kolonnade mit dem Thouretschen Saalbau verbundene, in den Einzelformen nicht zuletzt vom Kurhaus in Bad Nauheim inspirierte Wirtschaftsgebäude passt sich dem Altbau im Hinblick auf die Proportionen, Maßstäblichkeit, Wahl des Materials und Farbgebung, aber auch durch Verwendung neoklassizistischer Stilelemente (Säulen, Giebel, Fenster, Dachformen), geschickt an; im Sockelgeschoss wurden die Wirtschaftsräume, im Hauptgeschoss Veranstaltungsräume untergebracht; mit Hilfe differenzierender Gebäudehöhen und Fassadenformen wurden die einzelnen Baugruppierungen auch nach außen hin kenntlich gemacht.
Nicht erhalten ist in Stuttgart hingegen das von Eitel gebaute Geschäftshaus der Württembergischen Metallwarenfabrik in der Königstraße (1907), ein hohes, sechsachsiges, durch Pfeiler stark vertikal betontes Gebäude mit kalksteinverkleideter Fassade, wobei die großen Glasfenster im Erdgeschoss und erstem Obergeschoss die Funktion des Hauses herausstellten; auch das 1908 erstellte Warenhaus Knopf in der Stuttgarter Marienstraße, das – mehr horizontel betont –, in den unteren Stockwerken mit Kupfer verkleidet, in den darüber liegenden mit dunkel glasierten Backsteinen verblendet war – ist nicht erhalten.
Eitels wohl bedeutendstes Bauwerk ist das „Kleine Schauspielhaus“ in Stuttgart, das er 1909 in Jugendstilformen als Stahlbetonbau mit Sandsteinverkleidung errichtete. Schon die zeitgenössischen Architekturzeitschriften lobten Eitel vor allem für die geschickte Einfügung des Bauwerks auf einem kleinen und ungünstig geschnittenen Grundstück inmitten einer links und rechts unmittelbar anschließenden Häuserzeile; nur eine Ecke des Grundstücks grenzte an die Straße. Einen Versatz im Häuserblock nutzte Eitel, um gewissermaßen als Blickfang einen ovalen, überkuppelten Baukörper im Straßenraum zu platzieren; dieser vom Mittelbau des Schlosses Solitude inspirierte Bauteil ermöglichte es, dem Schauspielhaus trotz der beengten Platzverhältnisse einen repäsentativen Eingangsbereich (im Bereich darüber wurde das Foyer angeordnet) zu verschaffen. Die Formen der Fassade und des Foyers wie auch der Zuschauerraum (drei steil gestaffelte Ränge mit ursprünglich 750 Plätzen) sind nicht zuletzt vom Berliner Hebbel-Theater beeinflusst, das der Architekt Oskar Kaufmann 1907/08 errichtet hatte.
Der 1909 von Eitel errichtete Charlottenbau des Karl-Olga-Krankenhauses in Stuttgart ist in seiner axial-symmetrischen Gliederung vom Neoklassizismus, in seinen verputzten, einfach verzierten Fassaden und in der Dachpartie aber auch vom Neobarock geprägt. In neoklassizistischen Stilformen errichtete Eitel 1916 auch das Verwaltungsgebäude der Landwirtschaftlichen Genossenschaft in Stuttgart – ein mächtiger, fünfgeschossiger Walmdachbau mit Werksteinfassade und von dorischen Säulen flankiertem Eingang sowie übergiebeltem Fenster und Balkon in den darüberliegenden Stockwerken. Ebenfalls 1916 erbaute Eitel das Mausoleum für die Familie von Ostertag-Siegle in Hoheneck bei Ludwigsburg. Dieser Zentralbau in Werksteinbauweise über griechischem Kreuz ist nach frühchristlichen Vorbildern gestaltet und weist nach Westen eine halbrunde Apsis auf; der Zugang erfolgt über eine vorgelagerte Freitreppe und einen Säulenportikus (1955 zur Aussegnungshalle umgestaltet).
1922 errichtete Eitel eine kleine Arbeitersiedlung für die Textilfabrik Merkel&Kienlin in Esslingen; in manchem erinnert sie an die städtebaulich und sozial vorbildhafte Arbeiterwohnkolonie Gmindersdorf in Reutlingen, die Theodor Fischer 1904/14 im Auftrag des Textilindustriellen Louis Gminder erbaut hatte. Nach einem Architektenwettbewerb (1917) erbaute Eitel gemeinsam mit Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer 1920 in Formen des stark reduzierten Heimatstils die Heimstättensiedlung in Stuttgart-Weilimdorf; diese aus zweigeschossigen Reihenhäusern bestehende Kleinsiedlung für bescheidene Wohnansprüche erfuhr ihre charakteristische Prägung vor allem durch die überhöhten, mehrere Hauseinheiten umfassenden Walmdächer, deren Traufen bis zum Erdgeschoss hinabreichten.
1924/26 erstellte Eitel in Oberlenningen eine Turn- und Festhalle; dieser von den Papierfabrikanten Scheufelen der Gemeinde geschenkte Bau zeigt eine gotisierende und expressionistische Formensprache (breite Spitzbogenportale, Eckquaderung, im Inneren sichtbar belassene Eisenbetonstützen und spitzbogige Deckenkonstruktion). Den Neubau des New Bismarck Hotels in Chicago, das von seinen in den 1890er Jahren in die USA ausgewanderten Brüdern gegründet worden war, errichtete Eitel 1924/26; der mächtige moderne Komplex zeigt Einflüsse des Expressionismus und des Art Déco. In Gemeinschaft mit den Architekten Paul Schmohl, Georg Stähelin und Richard Bielenberg realisierte Eitel 1926/28 den Hindenburgbau am neuen Stuttgarter Bahnhofsvorplatz; der langgestreckte, vertikal rückgestaffelte, sachlich-rational gehaltene Flachdachbau mit Büros, Läden und Theaterkomplex erfuhr durch die neun Meter hohen Rundbogenarkaden des Mittelteils (von einem Gestaltungsentwurf von Paul Bonatz übernommen), durch die Verkleidung mit Muschelkalkplatten und den Verzicht auf dekorative Elemente eine dominierende neoklassizistisch-strenge Akzentuierung.
Einen modernen Neubau für die Innere Klinik des Stuttgarter Karl-Olga-Krankenhauses errichtete Eitel 1930: eine viergeschossige Terrassenklinik für 150 Betten, wobei im obersten Stockwerk die Abteilung für Tuberkulose Platz fand.
In den letzten Bauten des 1934 gestorbenen Eitel zeigte sich eine deutliche Annäherung an die konservativ-restaurative Stuttgarter Schule von Paul Schmitthenner: dazu zählt die Mitwirkung an der Kochenhofsiedlung 1933 (Doppelhaus Nr. 11/12) und schließlich an der Vogelsangsiedlung 1934, die im Typus der den Kern der Siedlung bildenden „Kettenhäuser“ und in der Gestaltung bereits unter dem Eindruck nationalsozialistischer Siedlungsarchitektur stand. Diese beiden Projekte entstanden bereits in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Hans Eitel, der 1933 in das Büro des Vaters eingetreten war. Der architektonische Nachlass Eitels wurde zum großen Teil im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in: Spemanns goldenes Buch vom eignen Heim, 1905, Nr. 495.

Literatur: Spemanns goldenes Buch vom eignen Heim, hg. unter Mitwirkung von Felix Becker u. a., 1905, Nr. 495; Moderne Bauformen 8 (1909), 134–142; Deutsche Bauztg. 44, Nr. 51 (1910); Moderne Bauformen 9, Nr. 4 (1910), 149–180; Julius Baum (Bearb.), Die Stuttgarter Kunst der Gegenwart, 1913; ThB, Bd. 10, 1914, 442; Neue Werkkunst – Architekt Albert Eitel, Stuttgart (mit einer Einleitung von Wolfgang Pfleiderer), 1929; Werner Fleischhauer/Julius Baum/Stina Kobell, Die schwäbische Kunst im 19. und 20. Jh., 1952, 178; Vollmer, Bd. 5, 1961, 453; Helmut Heißenbüttel (Hg.), Stuttgarter Kunst im 20. Jh., 1979, 175, 178, 185, 193, 201; Norbert Bongartz, Dreimal Theater in Stuttgart, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 11 (Okt.–Dez. 1982), 145–153, hier 152 f.; Rolf Bothe (Hg.), Kurstädte in Deutschland. Zur Geschichte einer Baugattung, 1984, 115, 294 f.; Valentin W. Hammerschmidt, Anspruch und Ausdruck in der Architektur des späten Historismus (1860–1914), 1985, 474 f.; Petra Simon, Margrit Behrens, Badekur und Kurbad. Bauten in deutschen Bädern 1780–1920, 1988, 227 f.; Axel Hinrich Murken, Vom Armenhospital zum Großklinikum, 1988, 229 f.; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Baden-Württemberg I, bearb. von Dagmar Zimdars u. a., 1993, 27, 215, 366, 763, 766, 768; Martin Wörner/Gilbert Lupfer, Stuttgart. Ein Architekturführer, 2. Aufl., 1997, 5, 11, 60, 71, 148; Christine Breig, Der Villen- und Landhausbau in Stuttgart 1830–1930, 2000; Stefanie Plarre, Die Kochenhofsiedlung – Das Gegenmodell zur Weißenhofsiedlung. Paul Schmitthenners Siedlungsprojekt in Stuttgart von 1927 bis 1933, 2001, 26, 62; Saur, Allgemeines Künstler-Lexikon, Bd. 33, 2002, 85 f.; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Denkmaltopographie Baden-Württemberg, Bd. I. 8. 1., Stadt Ludwigsburg, 2004, 114, 155, 223; Karlheinz Fuchs, Baukunst im deutschen Südwesten. Architekten und Baumeister aus acht Jh., 2004, 160 f.; Gert Kähler (Hg.), Villen und Landhäuser des Kaiserreichs in Baden und Württemberg, 2005, 156 f., 159.
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