Sütterlin, Ludwig Karl 

Geburtsdatum/-ort: 23.07.1865;  Lahr
Sterbedatum/-ort: 20.11.1917; Berlin; beigesetzt 24. 11.1917 Dreifaltigkeitsfriedhof Berlin-Kreuzberg
Beruf/Funktion:
  • Gebrauchsgraphiker, Kunstgewerbler, Entwerfer der Sütterlinschrift
Kurzbiografie: 1871-1879 Volksschule Lahr
1879-1884 Lithographenlehre Lahr
1884-1888 praktische Berufsausübung Frankfurt a. M.
1888-1917 praktische Berufsausübung, künstlerische Ausbildung und Tätigkeit Berlin; Lehrer an der 1. Handwerkerschule für Buchdrucker; Leiter der Fachklasse für Buchdrucker sowie der Kunstklasse der Buchbinderinnung
1904-1917 Lehrbeauftragter an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums Berlin
1917 Ernennung zum Prof. daselbst
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Daniel Sütterlin, Kartonager
Mutter: Sophie, geb. Seybel
Geschwister: 3: Ernst; Sophie; Karl-Friedrich (früh verstorben)
GND-ID: GND/124061168

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 292-293

Seine Schul- und Berufsausbildung als Lithograph erhielt Sütterlin in Lahr. Nach einer Zwischenstation in Frankfurt a. M. lebte und wirkte er seit 1888 in Berlin. Wahrscheinlich hat er dort am Königlichen Kunstgewerbemuseum eine künstlerische Ausbildung erfahren, denn schon wenige Jahre später zählte er zum Schülerkreis von Emil Doepler und Max Koch, die damals an der dem Museum angegliederten Unterrichtsanstalt lehrten.
Sütterlin hat sich sehr schnell zu einem hoffnungsvollen Talent entwickelt. Als 1894 die Berliner Elektrizitäts-Werke AG (BEWAG) ihr zehnjähriges Bestehen feierten, wurde er mit dem Entwurf verschiedener Illustrationen für die Festschrift beauftragt. Seinen eigentlichen Durchbruch in den Künstlerkreisen der Reichshauptstadt erfuhr er 1896 mit seinem „Hammerplakat“. Diesem Plakatentwurf für die Berliner Gewerbeausstellung wurde damals der 1. Preis zuerkannt.
Gegenüber dem in jenen Jahren einsetzenden Stilwandel zur Moderne zeigte sich Sütterlin grundsätzlich aufgeschlossen; doch die Jagd nach persönlichem Ruhm im künstlerischen Wettstreit lag ihm gänzlich fern. Mit großer Hingabe widmete er sich dem Lehrberuf, der ihm erlaubte, unabhängig von flüchtigen Modeerscheinungen in der Stille zu wirken. Hauptberuflich unterrichtete er an der 1. Handwerkerschule in Berlin, wo er die Fachklasse für Buchdrucker und die Kunstklasse der Buchbinderinnung leitete. An dieser Stätte hat er seine Schriftentwürfe entwickelt. Zu ihnen zählen auch die von ihm kreierten neuzeitlichen Drucktypen; unter ihnen hat die „Sütterlin-Unziale“ der Berliner Schriftgießerei Gursch seine künstlerische Eigenart in besonderer Weise zum Ausdruck gebracht. Doch sind in diesem pädagogisch-künstlerischen Umfeld auch seine Entwürfe für Gläser und kunstgewerbliche Lederarbeiten entstanden. Da seine Kreationen allgemeine Beachtung fanden, gingen ihm Aufträge verschiedener Herstellerfirmen, vorab der Kunstglasindustrie, zu. Sütterlin-Vasen finden sich heute in Museen und Privatsammlungen.
Bereits auf der Pariser Weltausstellung (1900) wurden Sütterlins Entwürfe zu den Lederarbeiten der Hofbuchbinderei Collin (Berlin) mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Seine anerkannte Meisterschaft im Schriftentwurf und in der Schriftgestaltung bewirkte, daß ihm die künstlerische Ausstattung der „Marksteine der Weltliteratur“ anvertraut wurde. Bei diesem Buchband handelte es sich um eine bibliophile Kostbarkeit, die anläßlich des 500. Geburtstages von Johann Gutenberg geplant, nach jahrelanger sorgfältiger Vorbereitung 1902 in Leipzig erschien. Auf den Erfolg der „Marksteine“ gründete sich der Lehrauftrag für Ornament- und Schriftzeichnen, den Sütterlin 1904 an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums erhielt. Einige Jahre war er auch künstlerischer Berater der Reichsdruckerei, wo er u. a. die bibliophile Ausstattung der „Reichsbibel“ (1908) besorgte.
Sütterlins Name verbindet sich vor allem mit der Reform der deutschen und lateinischen Schreibschrift. Doch im Rahmen seines künstlerischen Schaffens kommt der nach ihm benannten „Sütterlinschrift“ nur sekundäre Bedeutung zu. Fachmann war er in erster Linie auf dem Gebiet der künstlerischen Schriftgestaltung. Und wenn er mit der Leitung der Arbeitslehrgänge beauftragt war, die das preußische Unterrichtsministerium seit 1911 mit Blick auf eine Reform der Schreibschrift angeordnet hatte, dann gilt festzustellen, daß die allmählich kreierte Ausgangsschrift zu einem guten Teil auch das Werk seiner Mitarbeiter war.
Zusammen mit seinem Bruder hatte Sütterlin 1902 in Berlin das Albrecht-Dürer-Haus gegründet. Innerhalb weniger Jahre entwickelte es sich zu einem in Deutschland führenden Kunstgewerbegeschäft. Ernst war Geschäftsführer; Ludwig hingegen betätigte sich vornehmlich als künstlerischer Berater. Als Gestalter und Experte befand er über den Kunstwert der Ware, und nicht wenige seiner eigenen künstlerischen Produkte wie Vasen, Bucheinbände und Lederarbeiten gehörten zum Angebot des Hauses. Im familieneigenen Verlag Albrecht-Dürer-Haus konnte Sütterlin 1917 auch sein Unterrichtswerk „Neuer Leitfaden für den Schreibunterricht“ vorstellen.
Krönung der künstlerisch-pädagogischen Laufbahn Sütterlins war die Ernennung zum Professor an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums (November 1917); doch ehe ihn die Bestallungsurkunde erreichte, verstarb der erst 52jährige unerwartet an einem Hirnschlag.
Werke: Der Entwurf des Bucheinbandes, in: P. Kersten, Der exakte Bucheinband, 160-177, Halle 1. Aufl. 1909; Neuer Leitfaden für den Schreibunterricht, Berlin 1. Aufl. 1917.
Nachweis: Bildnachweise: StAF Bildnissammlung; BH, 71 (1991) 253.

Literatur: Besonders informative Einzeltitel (in Auswahl): Das geistige Dt. am Ende d. 19. Jhs. E. Enzyklopädie d. dt. Geisteslebens in biograph. Skizzen, Bd. 1, 690-691, Leipzig/Berlin 1898; H. Wieynck, L. Sütterlin, in: A. f. Buchgewerbe, H. 11/12, 238, Leipzig 1917; O. Schmidt, Im Geiste Sütterlins. Method. Ergänzungen zu Sütterlins Neuem Leitfaden f. d. Schreibunterricht, Berlin 1. Aufl. 1922; A. Busch, Die Sütterlin-Schreibweise, in: Der Bücherschatz d. Lehrers, hg. v. K. O. Beetz u. A. Rüde, Osterwieck 1930; H. Rose, Die Sütterlin-Schreibweise. E. prakt. Wegweiser u. kurzgefaßter Lehrgang f. d. neuzeitl. Schreibunterricht, Berlin 1932; BEWAG, 100 Jahre Strom f. Berlin. Erinnerungsmappe „Neue Technik in menschl. Gestalt“ v. L. Sütterlin, Berlin 1984; B. Maier, L. Sütterlin. Ein (fast) vergessener Lahrer Künstler, in: Brücke z. Heimat, Hg. Stadt Lahr, Nr. 39, 22-26, Lahr 1984; C. Siebler, K. L. Sütterlin (1865-1917). Skizzen zu e. Lebens- u. Werkbeschreibung, in: BH, 71 (1991), 253-273 mit weiterführender Literatur; M. Scharfe, Utopie u. Physik. Zum Lebensstil d. Moderne, in: Der industrialisierte Mensch. 28. Dt. Volkskunde-Kongreß Hagen, 7. bis 11. Okt. 1991, hg. v. M. Dauskardt u. H. Gerndt, Hagen 1993.
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