Leiber, Robert 

Geburtsdatum/-ort: 10.04.1887;  Oberhomberg bei Überlingen
Sterbedatum/-ort: 18.02.1967; Rom
Beruf/Funktion:
  • Jesuit, Kirchenhistoriker, Berater von Papst Pius XII.
Kurzbiografie: 1905 Abitur in Freiburg i. Br.
1905-1906 Studium der Theologie als Konviktor in Freiburg i. Br.
1906 Eintritt in die Gesellschaft Jesu (SJ) in Tisis (Österreich)
1908-1911 Studium der Philosophie in Valkenburg (Niederlande)
1911-1914 Präfekt und Magister am Andreaskolleg in Ordrupshoj (Charlottenlund) bei Kopenhagen (Dänemark). Studium der Geschichte in Kopenhagen (Kr. S. A. Erslev)
1914-1915 Studium der Theologie in Valkenburg
1915-1916 Sanitäter in Galizien, Nordpolen, Südungarn, Serbien und Frankreich
1916 Entlassung aus dem Sanitätsdienst wegen Asthma
1917 Priesterweihe
1920-1922 Studium der Geschichte in Berlin (F. Meinecke, D. Schäfer, M. Tangl)
1922 Dozentur (vertretungsweise) für Kirchengeschichte in Valkenburg
1922-1923 Tertiat in Florenz (Italien)
1923-1924 Mitarbeiter an der Kirchengeschichte von Ludwig Freiherr von Pastor
1925-1929 Mitarbeiter von Nuntius Eugenio Pacelli in München bzw. Berlin
1930-1958 Prof. für Kirchengeschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom
1930-1958 Enger Mitarbeiter und Berater von Kardinal Pacelli, nachmals Papst Pius XII. 1939-1958
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Wendelin Leiber, Lehrer (1857-1920)
Mutter: Katharina, geb. Locher (1858-1936)
Geschwister: 5
GND-ID: GND/124729061

Biografie: Horst Mühleisen (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 183-184

1923 war Leiber Mitarbeiter des Kirchenhistorikers Ludwig von Pastor in Rom; er bearbeitete für dessen Werk „Geschichte der Päpste“ ein Thema aus dem Pontifikat Innozenz' XI. Das Ergebnis dieser Forschungsarbeit war die Studie über die Haltung von Papst Innozenz XI. zur Abwehr der Türkengefahr (Pastor, Band 14, Teil II, 1930, 694-786).
Während seiner Archivstudien wurde Leiber beauftragt, für den Apostolischen Nuntius, Eugenio Pacelli, Akten aus dem Päpstlichen Geheimarchiv zwischen 1810 und 1820 herauszusuchen, die sich noch ungeordnet in der Registratur des Staatssekretariates befanden. Pacelli benötigte sie für die Vorbereitung des Konkordats mit Bayern.
Im Frühsommer 1924 konnte Leiber dem Nuntius die Aktenstücke übergeben. Diese Begegnung wurde für Leiber und seinen künftigen Lebensweg bestimmend. Pacelli erteilte in der folgenden Zeit wiederholt persönliche Aufträge, so daß die Leitung der Gesellschaft Jesu (General Ledochowski) schließlich die Zustimmung des Übertritts von Leiber in den Dienst des Nuntius erteilte.
War ursprünglich beabsichtig gewesen, Leibers Tätigkeit auf wenige Monate zu begrenzen, so wurden daraus Jahre, schließlich Jahrzehnte. Rückblickend beschrieb Leiber den Stil der Zusammenarbeit mit dem Nuntius, Kurienkardinal (1929) und Papst (2. 3. 1939) als „sachlich, nüchtern, kühl und kurz“.
Von 1930 bis 1958 lehrte Leiber Kirchengeschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Im Mittelpunkt seiner Vorlesungen wie Interessen standen die Krisen im Verhältnis von Kirche und Staat, die durch Bonifaz VIII., Innozenz XI., Benedikt XV. personifiziert waren, sowie das Recht und die Freiheit des Individuums gegenüber kirchlichen Einrichtungen (Inquisition). Die doppelte Aufgabe – Mitarbeiter, Berater von Pacelli und Kirchenhistoriker zu sein – ließ es nicht zu, daß Leiber umfassende Arbeiten, die aus seinen Vorlesungen entstanden, veröffentlichen konnte. Leibers Anteil an wichtigen Verträgen des Kurienkardinals (Preußisches Konkordat 1929; Badisches Konkordat 1932 und Reichskonkordat 1933) ist bedeutsam. Nach der Wahl Pius' XII. (1939) war Leiber gehalten, seine Lehrtätigkeit erheblich einzuschränken.
Leiber galt stets als Privatsekretär des Papstes. Es ist schwierig, seine Stellung eindeutig zu beschreiben; Art und Umfang des Dienstes wurde niemals schriftlich festgelegt. Noch 1955 bestritt der Vatikan, Leiber habe eine Vertrauensstellung in der Nähe des Papstes inne. Leiber diente Pius XII. loyal; Diskretion war ihm oberstes Gebot. Zu keiner Zeit hat Leiber dem Papst, ohne von ihm aufgefordert worden zu sein, seine Ansicht geäußert, sie jedoch auch nicht zurückgehalten, wenn er danach gefragt wurde. Der Papst suchte Mitarbeiter zur Erweiterung und Klärung seiner eigenen Gedanken.
Auf Leiber gehen entscheidende Anstöße in päpstlichen Schriftstücken und Aussagen zurück. Zwei Äußerungen seien beispielhaft erwähnt: das am Beginn eines neuen Zeitalters stehende Wort Pius' XII., die Kirche sei an keine bestimmte Kultur gebunden und die Feststellung, bestimmte Auffassungen in der von Papst Bonifaz VIII. erlassenen Bulle „Unam Sanctam“ seien zeitbedingt. Dies war im Sinne des Abbaus eines übersteigerten kirchlichen Autoritätsverständnisses zu verstehen. Erhebliche Dienste hat Leiber Pius XII. bei der Behandlung der deutschen Frage geleistet. Eine beträchtliche Anzahl der Briefe, die der Papst zwischen 1939 und 1943 den deutschen Bischöfen geschrieben hat, sind von Leiber entworfen worden.
Leibers Beteiligung bei den Friedensfühlern zwischen deutschen Widerstandskreisen, dem Vatikan und den Alliierten verdient besonderer Erwähnung. Leiber war der Vermittler der von Admiral Canaris über Rechtsanwalt Müller („Ochsensepp“) ausgehenden Kontakte zwischen Pius XII. und dem englischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Osborn; sie hätten den Krieg zwischen dem Polen- und Frankreichfeldzug im Winter 1939/40 beenden können. England hatte seine Zustimmung zur Friedensregelung erteilt, in der noch keine Bestimmungen über den Polnischen Korridor festgelegt worden waren. Im letzten Augenblick versagte sich der Oberbefehlshaber des Heeres, von Brauchitsch.
Nach Kriegsende war Leiber Vertrauensmann der päpstlichen Hilfe in Deutschland (teilweise mit dem Kirchenrechtler P. Ivo Zeiger SJ). Der Kirchenhistoriker Leiber arbeitete die päpstlichen Ansprachen vor dem Internationalen Historikerkongreß (1955), zur Seligsprechung Innozenz' XI. (1956) sowie die nicht mehr vorgetragene Würdigung Benedikts XIV. (1958) aus. Pius XII. gegenüber hat Leiber seine innere Unabhängigkeit stets bewahrt. Sein Urteil über den Papst war nicht das eines Verzauberten. Er wandte sich vor allem gegen die Deutung des Papstes ins Charismatische. Von höfischen vatikanischen Gepflogenheiten hat sich Leiber nie bestimmen lassen. Den Spannungen, die wegen seines Dienstes beim Papst mit offiziellen Stellen des Heiligen Stuhls entstanden, begegnete er gelassen und mit der Maxime „Altior Adversis“ (über Widerwärtigkeiten erhaben).
Werke: (in Auswahl): Bonifatius VIII., Potestas ecclesiastica et civilis medio aevo, 1933 f.; Pius XII., in: Stimmen der Zeit 163, 1958/1959, 81-100; wiederabgedr. in: Pius XII. sagt. Zsgest. von Michael Chinigo, Frankfurt am Main 1959, 401-422 (geringfügig erw.); Reichskonkordat am Ende der Zentrumspartei, in: Stimmen der Zeit 167, 1960/1961, 213-223; Pius XII. und die Juden in Rom 1943-1944, in: Stimmen der Zeit 167, 1960/1961, 428-436; „Mit brennender Sorge“, in: Stimmen der Zeit 169, 1961/1962, 417-426; Eugenio Kardinal Pacelli – Staatssekretär Pius XI. 1930-1939, in: W. Sandfuchs, Die Außenminister der Päpste, 1962; Die Inquisition, 1963.
Nachweis: Bildnachweise: Foto, in: Der Spiegel 23 (1969) Nr. 20, 169.

Literatur: Harold C. Deutsch, Verschwörung gegen den Krieg. Der Widerstand in den Jahren 1939-1940, München 1969; Mario von Galli, Ein unbedankter Diener, in: Orientierung 31, 1967, 37-39; Sr. M. Pascalina Lehnen, Ich durfte ihm dienen: Erinnerungen an Papst Pius XII., Würzburg 1983 4. Aufl.; Josef Müller, Bis zur letzten Konsequenz. Ein Leben für Frieden und Freiheit, München 1975; Kurt Sendtner, Die deutsche Militäropposition im ersten Kriegsjahr, in: Vollmacht des Gewissens. Hg. von der europäischen Publikation e. V., Bd. 1, Frankfurt am Main-Berlin 1960, 387-532 (bes. Kapitel IV: Die römischen Friedensgespräche, 442-473); Ludwig Volk SJ, Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Von den Ansätzen in der Weimarer Republik bis zur Ratifizierung am 10. September 1933 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Kathol. Akad. in Bayern. Reihe B: Forschungen, Bd. 5), Mainz 1972; Josef Schmitz van Vorst, Der Privatsekretär Pius' XII. Zum Tode von Pater R. Leiber, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. Februar 1967.
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