Gleichauf, Wilhelm Anton 

Geburtsdatum/-ort: 04.08.1855;  Donaueschingen
Sterbedatum/-ort: 25.09.1923; Berlin
Beruf/Funktion:
  • Gewerkschaftsvorsitzender, Mitglied des Reichstags – DDP
Kurzbiografie: 1866-1871 Gymnasium bis 1868, dann Gewerbeschule in Donaueschingen, Schlosserlehre, Monteurlehre, Meisterprüfung als Monteur
1884 Eintritt in den (Hirsch-Duncker) Gewerkverein der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter in Mannheim
1885 1. Vorsitzender des Ortsvereins Mannheim des Gewerkvereins der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter
1890 Mitglied des Generalrats (Hauptvorstandes) des Gewerkvereins der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter
1893-1902 Ehrenamtlicher Bezirksleiter des Gewerkvereins der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter für die Region Baden, Bayerische Pfalz und südliche Rheinlande, Sitz in Mannheim
1902 Jul.-1903 Dez. hauptamtlicher Gewerkvereinssekretär am Sitz des Gewerkvereins-Hauptvorstandes in Berlin
1902 Jul.-1923 Sep. Mitglied des Zentralrates des Verbandes der Deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) als Repräsentant des Gewerkvereins der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter (seit Okt. 1916 Vorsitzender des Zentralrates), 1906-1923 Vorsitzender des Gewerkvereins der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter, 1906-1918 zugleich Redakteur des Gewerkvereinsorgans „Der Regulator“
1919 Jan.-1920 Jun. Mitglied der Deutschen Nationalversammlung – DDP (Wahlkreis Westpreußen), im Petitionsausschuss
1919-1923 Vorstandsmitglied des deutschen Wohnungsausschusses
1919-1923 Leiter der Demobilisierungsabteilung des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten
1920 Mitglied des Reichsausschusses des Freiheitlich-nationalen Gewerkschaftsrings der deutschen Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Karl (1854-1866), Landwirt, Bürgermeister von Donaueschingen
Mutter: Karoline, geb. Steiner
Geschwister: 3: 2 Brüder und eine Schwester
GND-ID: GND/12641792X

Biografie: Hans-Georg Fleck (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 93-94

Gleichauf entstammte bäuerlichen Familien aus dem ehemals Fürstenbergischen. Nach dem Tode des Vaters, dessen zweiter, später Eheschließung er entsprossen war, sah die Mutter sich wohl finanziell nicht in der Lage, ihren Kindern eine höhere Schulbildung angedeihen zu lassen. Alle drei Söhne verließen das Fürstenbergische Gymnasium in Donaueschingen binnen weniger Jahre, um eine berufliche Ausbildung zu beginnen. Gleichauf wählte eine Handwerkslehre, die er mit der Meisterprüfung abschloss. Schon in den 1870er Jahren dürfte er in die aufstrebende Maschinenbauindustrie Mannheims eingetreten sein, wo er sich zunächst im örtlichen Katholischen Arbeiterverein, dann auch im sozialliberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkverein der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter zu engagieren begann.
Während die sozialdemokratischen Gewerkschaften unter den Pressionen des Sozialistengesetzes nur in Form der sich eher unpolitisch gerierenden Fachvereinsbewegung weiter bestanden bzw. neu entstehen konnten, standen die sozialliberalen Gewerkschaften zwar auch unter polizeilicher Aufsicht und waren einzelnen Schikanen ausgesetzt, insbesondere gegen ihre Selbsthilfeeinrichtungen, konnten aber ihre Arbeit sonst unangefochten fortsetzen. Das Eintreten der Gewerkvereine für gewerkschaftliche Organisationsmacht, soziale Gerechtigkeit und friedlich-schiedlichen Interessenausgleich zwischen den Arbeitsmarktparteien wurde von der staatlichen Obrigkeit solange nicht als bedrohlich empfunden, wie die Gewerkvereine den Streik als Arbeitskampfmittel zwar theoretisch, als „ultima ratio“ guthießen, in praxi jedoch nicht einsetzten.
Mit kritischen Beiträgen im Gewerkschaftsorgan „Regulator“ über die die Aktivitäten der Mitglieder lähmend wirkende Zentralisation in seiner Gewerkschaft und die das sozialliberale Gewerkschaftsbild diskreditierende, faktische Wirtschaftsfriedlichkeit der Berliner Gewerkvereinsführung machte sich Gleichauf rasch einen Namen in der Organisation, so dass er schon nach wenigen Jahren als auswärtiges Mitglied in den Hauptvorstand jenes Gewerkvereins eintrat, der seit seiner Gründung 1868/69 stets die Stütze der sozialliberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaftsbewegung gewesen war. In den internen Auseinandersetzungen im Gewerkverein der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter um die Jahrhundertwende zwischen vorsichtigen Zauderern und den ungestümen Neuerern der „Düsseldorfer Opposition“ nahm Gleichauf eine vermittelnde, eher reformerische Haltung ein. Seine Wahl zum Gewerkschaftsvorsitzenden und Redakteur des Gewerkschaftsorgans wurde dann durchweg als Sieg jener Kräfte gesehen, die aus dem sozialliberalen Gewerkverein eine moderne, kampffähige und überparteiliche Organisation formen wollten, ohne zugleich die geistigen Wurzeln der Gewerkvereinsbewegung in einem sozial-reformerischen Liberalismus zu verschweigen. Dass Gleichauf 1907 bei dem Versuch scheiterte, auch den Vorsitz des sozialliberalen Gewerkschaftsdachverbandes, des „Verbandes der Deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker)“ zu übernehmen, bedeutete einen herben Rückschlag für die Gewerkvereinsreformer.
Obwohl Gleichauf wiederholt scharf die klassenkämpferischen Akzente bei den sozialdemokratischen und die katholisch-klerikalen Elemente in den christlichen Gewerkschaften kritisierte, sah er die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung in der Einheitsgewerkschaft. Schon 1915 rief er dazu auf, die im Zeichen des Burgfriedens eingeleitete Zusammenarbeit der Richtungsgewerkschaften zur Schaffung einer Einheitsgewerkschaft nach Kriegsende zu nutzen. Diese Haltung, seine humorvolle Art und das ihn ein Leben lang prägende südbadische Idiom trugen ihm nicht nur die uneingeschränkte Sympathie der Gewerkvereiner, sondern auch die Achtung der gewerkschaftlichen Konkurrenten im sozialdemokratischen Lager ein.
Nachdem Gleichauf schon während des I. Weltkriegs weitere gesellschaftliche und politische Aufgaben übernommen hatte – er war z. B. Mitglied des Oberausschusses zur Festsetzung von Kriegsschäden –, wuchs ihm im neuen demokratischen Deutschland nach dem November 1918 eine Fülle von unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zu, u. a. wurde er Vorsitzender der Außenhandelsstelle für Maschinenbau und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft des deutschen Maschinenbaus. Von 1920–1922 war Gleichauf Mitglied des Vorstandes der Berliner Ortsgruppe der „Gesellschaft für Soziale Reform“. Episodisch verlief sein Eintritt in die parlamentarische Sphäre. Er nahm zwar an den Sitzungen der Weimarer Nationalversammlung als Abgeordneter der linksliberalen DDP teil, ergriff jedoch kein einziges Mal das Wort im Plenum. Als der Tod Gleichauf im Krisenjahr 1923 mitten aus seinen vielfältigen Aufgaben riss, verlor die sozialliberale Gewerkschaftsbewegung einen ihrer wichtigsten Köpfe, der politische und wissenschaftliche Sozialliberalismus in Deutschland einen seiner ruhigen, nachdenklichen und stetigen Mitstreiter.
Quellen: Schriftliche Auskünfte u. Dokumentationshilfen des Kath. Stadtpfarramts St. Johann Donaueschingen u. des StadtA Donaueschingen; Protokolle d. Verbandstage des Verbandes d. Dt. Gewerkvereine (Hirsch-Duncker); Protokolle d. Delegiertentage des Gewerkvereins d. dt. Maschinenbau- u. Metallarbeiter (Hirsch-Duncker), Der Regulator, Jgge. 1885-1923.
Werke: Geschichte des Verbandes d. dt. Gewerkvereine (Hirsch-Duncker), 1907; Ein Mahnwort an Mann u. Frau im Arbeiterstand. Im Auftrag des Generalrates des Gewerkvereins d. dt. Maschinenbau- u. Metallarbeiter (Hirsch-Duncker) verfaßt, 1905.
Nachweis: Bildnachweise: Brustbild (1919) bei E. Heilfron, Bd. 9, o. J. (vgl. Lit.).

Literatur: Wer ist‘s, 1922 8. Aufl.; Biograph. Beitrag von A. Erkelenz, in: Internat. Handwörterb. des Gewerkschaftswesens, hg. v. Ludwig Heyde, Bd. 1, 1930; Eduard Heilfron, Die Dt. Nationalversammlung im Jahre 1919 u. im Jahre 1920 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen dt. Volksstaates, 9 Bde., o. J.; Hans-Georg Fleck, Sozialliberalismus u. Gewerkschaftsbewegung. Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine 1868-1914, 1994.
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