Kutta, Wilhelm Martin 

Geburtsdatum/-ort: 03.11.1867; Pitschen (heute: Byczyna) in Oberschlesien
Sterbedatum/-ort: 25.12.1944; Fürstenfeldbruck
Beruf/Funktion:
  • Mathematiker
Kurzbiografie: 1875-1885 Realgymnasium zum Heiligen Geist Breslau, Reifezeugnis 1885
1885-1889 Studium der Mathematik, Physik und Astronomie an der Universität Breslau
1891-1894 Studium der Mathematik, Physik und Astronomie an der Ludwig-Maximilians-Universität München
1894 Staatsprüfung für höheres Lehramt in Mathematik und Physik in Bayern
1894-1898 Assistent für höhere Mathematik an der Technischen Hochschule München
1897 Spezialprüfung in Mathematik
1898-1899 Studienreise nach Cambridge (England)
1899-1902 Assistent für höhere Mathematik an der Technischen Hochschule München
1900 Jul. Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Dr. phil.; Dissertation: „Beitrag zur näherungsweisen Integration totaler Differentialgleichungen“, beurteilt von Prof. Lindemann und Prof. Bauer
1902 Mär. Habilitation für angewandte und reine Mathematik an der Technischen Hochschule München Habilitationsarbeit: „Über die Strömung einer Flüssigkeit um in sie versenkte zylindrische Flächen und den Druck, den diese dabei erfahren“, beurteilt von Prof. Finsterwalder und Direktor van Dyck
1902-1907 Privatdozent für angewandte und reine Mathematik an der Technischen Hochschule München
1907-1909 außerordentlicher Prof. an der Technischen Hochschule München
1909-1910 außerordentlicher Prof. für angewandte Mathematik an der Universität Jena
1910-1912 Prof. für Mathematik an der Technischen Hochschule Aachen
1912-1935 Prof. für Mathematik an der Technischen Hochschule Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Wilhelm Karl Kutta (gest. 1888), Grundbesitzer, Seifenfabrikant, Großkaufmann, Kunstmaler in Breslau (heute: Wroclaw)
Mutter: Anna, geb. Koschinsky
Geschwister: Dr. phil. Karl Friedrich Thomas (23.8.1864-23.12.1944), Privatgelehrter
Elisabeth
GND-ID: GND/128222557

Biografie: Senta Braun (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 150-151

Kutta war ein Mathematiker, der sich primär der damals im Entstehen begriffenen angewandten Mathematik widmete. Durch seine Gabe, einfache theoretische Ansätze zu finden, gelangen ihm zwei Arbeiten, die seinen Namen bis in die heutige Zeit in Mathematik- und Physikbüchern verewigen. In seiner Dissertation ging Kutta von einem 1895 veröffentlichten Lösungsansatz zur näherungsweisen Berechnung von Differentialgleichungen des Mathematikprofessors Carl Runge (1856-1927) aus. Unter den Gesichtspunkten einfacher Anwendung und hoher Genauigkeit entwickelte er diesen Ansatz weiter und die erhaltenen Formeln sind heute in der Numerik unter der Bezeichnung Runge-Kutta-Formeln bekannt. In seiner Habilitationsarbeit beschäftigte sich Kutta mit Aerodynamik und entwickelte mit Hilfe konformer Abbildungen das Grundgesetz für den Auftrieb bei ebenen Strömungsvorgängen. Damit war erstmals zumindest eine theoretische Näherungsberechnung für die Auftriebskraft an gewölbten Tragflügelprofilen von Flugzeugen möglich. Allerdings veröffentlichte Kutta diese Arbeit nur in Auszügen. Etwas später fand auch der russische Mathematiker Nikolai Jegórowitsch Joukowski (1847-1921) unabhängig von Kutta dieselben Zusammenhänge, weshalb man heute vom Kutta-Joukowski-Satz spricht. Charakteristisch für Kuttas wissenschaftliche Arbeiten ist der stets klare Aufbau und das Ausloten der Grenzen der gewonnenen Ergebnisse an verschiedenen Beispielen.
Kuttas großer Verdienst liegt wohl in der Ausbildung von Lehramtskandidaten und Ingenieuren. In seinem Unterricht nahm er Bezug auf Physik und Technik, betonte die geometrische Veranschaulichung und weckte damit auch bei den Ingenieuren Interesse für die Mathematik. Seine Vorlesungen in Höherer Mathematik waren gut besucht. Darüber hinaus führte Kutta in Seminaren und Spezialvorlesungen Interessierte auch in Sondergebiete der Mathematik ein. Er gab für die Studenten Zusammenstellungen von Formeln und Definitionen seiner Vorlesungen heraus und nahm sich auch viel Zeit für persönliche Beratung. Nicht zuletzt war die große Anzahl der Lehramtskandidaten in Stuttgart für Kutta ein Beweggrund, 1912 von Aachen nach Stuttgart zu wechseln.
Kutta verfasste lediglich rund ein Dutzend Schriften. Diese verteilen sich auf die Gebiete Wärmelehre, Numerik, Geschichte der Mathematik, Photogrammetrie und Aerodynamik. Ersichtlich wird Kuttas Vielseitigkeit und sein weitreichendes mathematisches Wissen; beides wahrscheinlich auch ein Resultat seiner raschen Auffassungsgabe. Kutta hatte wenig Ehrgeiz zu publizieren. Eventuell bestimmte auch die Rolle als Lehrer sein Leben so sehr, dass sie ihn zeitlich daran hinderte, die am Ende seiner Schriften angekündigten weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen zu veröffentlichen.
Die enge Verbundenheit zu seinem Bruder Karl und die Beteiligung an dessen Studien und Interessen machten Kutta zu einem Kenner von Kunst, Musik und orientalischen Sprachen. Auch die Gebiete Literatur und Geschichte interessierten ihn und man sprach Kutta ein großes Allgemeinwissen zu. Er fand es daher wichtig, dass Ingenieuren an der Hochschule nicht nur reines Fachwissen vermittelt wird. Bekannt war Kutta für seine Gesprächigkeit, wenn er mal ins Reden und Dozieren gekommen war und darüber jedes Gefühl für die Zeit verlor. Doch seine Ausführungen fesselten. Andererseits lebte er sehr zurückgezogen und nur wenige kannten ihn wirklich.
Quellen: UA LMU München, UA TU München, StA München, StadtA München, UA Jena, UA Aachen, UA Stuttgart; Briefsammlung, Hss.abteilung Staatsbibliothek Berlin.
Werke: Diss. 1900 (wie oben) auch veröff. in: Zs. für Mathematik und Physik 46 (1901), 435-453; Habilitation 1902 (wie oben), Auszug veröffentlicht in: Ill. Aeronautische Mitt. 6 (1902), 133-135; Über eine mit den Grundlagen des Flugproblems in Beziehung stehende zweidimensionale Strömung, Sitzungsberichte der Bayerischen Ak. d. Wiss., mathematisch-physikalische Kl., 1910, 1-58; Bibliographien in: Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch IV-VI, 1904, 1926, 1937 und NDB 13, 348-350; dort nicht aufgeführt ist ein Anhang Kuttas in: R. Emden, Gaskugeln, 1907, 92-95.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos (vgl. Lit.); UA Stuttgart.

Literatur: Kürschner 1928/29, 1931, 1935, 1940/41; Friedrich Pfeiffer, Zum 70.ten Geburtstag von W. M. Kutta, in: Zs. für angewandte Mathematik und Mechanik 17, 1937, 378 f.; Stuttgarter Neues Tagblatt, Persönliches, 3.11.1942; Friedrich Pfeiffer, W. Kutta zum Gedenken, Reden bei der Übergabe zum Rektoratsamt am 3. Mai 1950, 46-57 (mit Bild); Pioniere der Flugwissenschaften, in: Zs. für Flugwissenschaft 2 (1954) 340-343 (mit Bild); NDB 13, 348-350; DBE 6, 1997, 183.
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