Zachmann, Max Ernst Ludwig 

Geburtsdatum/-ort: 28.08.1892;  Heidelberg
Sterbedatum/-ort: 18.12.1917; bei Kortrijk/Courtrai in Flandern, beigesetzt auf dem Soldatenfriedhof Heule, dann umgebettet nach Menen
Beruf/Funktion:
  • expressionistischer Maler und Graphiker
Kurzbiografie: 1898-1909 Volksschule und Oberrealschule Heidelberg, Einjährigen-Examen; dann Volontariat bei zwei Malermeistern
1909-1910 Kunstgewerbeschüler in Stuttgart, wohnhaft bei Verwandten in Esslingen
1910-1912 Schüler der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule Karlsruhe; Belobigungen und Preise bei Wettbewerben, vor allem im Fach „Musterzeichnen“ (1912); Freundschaft mit W. Fraenger
1913-1914 Handwerkliche Tätigkeit in Mannheim (Wandfries in der Villa Dr. Mayer), Esslingen und Stuttgart, dann Fortsetzung der Studien in Stuttgart; Einjährig-Freiwilliger bei der Kavallerie
1914-1917 Leutnant in einer Fliegerabteilung in Flandern; Eisernes Kreuz II. Klasse und Badische Verdienstmedaille in Silber
1915 Schenkung von 10 Werken an die Kunsthalle Mannheim
1916-1917 Versetzung zur Fliegertruppe, Leutnant bei der Feldfliegerabteilung 8 in Flandern; Eisernes Kreuz II. Klasse und Badische Verdienstmedaille in Silber
1933-1945 Sein Bruder Ludwig versteckt Werke Zachmanns in einem Kohlekeller in Heidelberg
1937 31 Graphiken Zachmanns werden in der Kunsthalle Mannheim als „entartet“ beschlagnahmt
1992 Ausstellung „M. Zachmann (1892-1917) – Werke aus dem Nachlass“ der Gesellschaft für Kunst und Kultur Sigmaringen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Ernst Friedrich (1864-1939), Lehrer in Heidelberg
Mutter: Elina, geb. Wössner (1864-1939)
Geschwister: 2:
Ernst Friedrich (1894-1989), Prof. Dr., Mathematiker
Ludwig Emil Theodor (1901-1980), Buchhändler in Heidelberg
Kinder: keine
GND-ID: GND/129747572

Biografie: Heinrich Bücheler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 300-302

Die Familie Zachmann hatte seit 1531 im Pfinzgau bei Pforzheim vor allem Lehrer und Pfarrer hervorgebracht. Zachmann brach mit dieser Familientradition und schlug eine künstlerische Laufbahn ein. Zachmann kam am 143. Geburtstag Goethes zur Welt, in Heidelberg, einem Hauptort der deutschen Romantik. Vor allem die Mutter soll für den ältesten Sohn eine Beamtenlaufbahn vorgesehen haben und war auch von seiner frühen Passion fürs Zeichnen und Malen wenig angetan. Von Ludwig, dem jüngsten der drei Brüder, dessen Aufzeichnungen und Mitteilungen die wichtigste Quelle über Zachmann darstellen, wissen wir, Zachmann habe „im Kampf mit dem Elternhaus um seine Überzeugung gestanden“. Schon vom 16jährigen Heidelberger Schüler gibt es aquarellierte Stilleben, bereits erstaunlich in Komposition, Perspektive und Farbe. Neben der Vorbereitung für das Einjährigen-Examen, das er als Siebzehnjähriger ablegte, übte er sich weiter in der Aquarelltechnik mit gegenständlichen Themen wie „Kupferkessel mit Zwiebeln“ und „Rettiche“ (1908). Noch als Schüler, vermutlich ebenfalls 1908, gelang ein erster Beweis seiner Zeichenkunst: ein undatiertes Selbstportrait in Kohle, ein Jünglingsantlitz, mit sinnlichem Mund und ernsten, fragend suchenden Augen. Bald nach dem Einjährigen-Examen im Frühjahr verließ der 18-jährige Zachmann das Elternhaus und und ging nach Esslingen am Neckar. Ein polizeiliches Leumundszeugnis für „Militärzwecke“ bescheinigt, dass er als „Kunstgewerbeschüler“ vom 9. Oktober 1909 bis zum 15. Juli 1910 in Esslingen wohnhaft und über ihn „nichts Nachteiliges“ bekannt ist. An der Kunstakademie im nahen Stuttgart wirkte seit 1906 der aus Olmütz in Mähren stammende Adolf Hölzel (1853-1934) und lockte mit seinem Ringen um die „absolute Malerei“ und seiner von der Harmonie der Farben ausgehenden Kunsttheorie sehr viele Schüler an. Als Zachmann im Herbst 1910 für zwei Jahre Schüler der Kunstgewerbeschule Karlsruhe wurde, war er in der Technik der Farblithographie bereits fortgeschritten. Diese zwei Karlsruher Jahre von 1910 bis 1912 bilden den ersten Höhepunkt der so kurzen Künstlerlaufbahn und sind auch am besten dokumentiert. Die Jahresberichte der Kunstgewerbeschule weisen auf Anerkennung und Preise hin. So erhielt Zachmann am 27. April 1912 von Direktor K. Hoffacker für eine Arbeit im Studienfach „Musterzeichnen“ eine Belobigung. Er muss damals in einem wahren Schaffensrausch gelebt haben. Seine Vaterstadt und das Neckartal verewigte Zachmann in den letzten Friedensjahren auf farbigen Steinplatten: die berühmte „Alte Brücke“ und eine „Altstadtgasse“ in Heidelberg, den „Bierhelder Hof“, eine „Wiesenlandschaft im Neckartal“ und andere Motive gestaltete der noch nicht Zwanzigjährige in der jungen Kunstform, Architektur- wie Naturdarstellung auf gleichem Niveau. Der Kunststudent Zachmann beeindruckte mit seinem Können auch die wissenschaftlich Begabtesten seiner Kommilitonen. So vor allem den zwei Jahre älteren, von Erlangen nach Heidelberg gekommenen, später sehr bedeutenden Wilhelm Fraenger. Zwischen beiden entstand so etwas wie eine Lebensfreundschaft. In Fraengers Nachlass – er starb hoch betagt in Potsdam – fanden sich Raritäten: einige Postkarten und ein Brief Zachmanns. Und die Karlsruher Unterlagen Zachmanns enthalten eine handschriftliche Aufforderung Fraengers, er solle fünf Werke für Prof. Carl Neumann bereitlegen, wo Graf Kalckreuth sie einsehen wolle. Unter den fünf Werken Zachmanns, die Fraenger anforderte, waren auch ein „Mädchenkopf aus Holz“ sowie das „Bildnis à la Hodler“. Der Berner Ferdinand Hodler (1853-1918) war im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts eine europäische Berühmtheit geworden und führte Jugendstil, Expressionismus und Symbolismus auf neue Gipfel. Für Zachmann wurde Hodler der große Fixstern seiner Karlsruher Jahre. Er übertrug Hodlers „Ideen-Malerei“ auf seine Aquarelle, Gouachen, Lithos und Mischtechniken von 1912. Zachmanns herkulisch gebaute Jünglinge wie sein „Gestisch schreitender Mann“ erinnern an Hodlers große Wandbilder. Das letzte Friedensjahr 1913 wurde für die weitere künstlerische Entwicklung Zachmanns besonders wichtig. Der Heidelberger Doktorand Wilhelm Fraenger, später ein über den akademischen Bereich weit hinaus wirkender Kulturhistoriker, wirkte auch bei Zachmanns endgültiger Hinwendung zum Expressionismus mit. In seinem Nachlass fanden sich, mit Widmung Fraengers, die beiden Ausgaben 186 und 187 vom Dezember 1913 der Halbmonatsschrift „Der Sturm“. Diese von Herwarth Waiden in Berlin und Paris herausgegebene Zeitschrift prägte sowohl den künstlerischen wie den literarischen Expressionismus. Immer deutlicher dominierte ab 1913 der Holzschnitt, für Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) „die graphischste aller graphischen Techniken“, Zachmanns geistige und seelische Aussage. Darin konnte er, nach seinem Bruder Ludwig ein „Kraftmensch und Grübler“, am besten sein über letzte Menschheitsfragen grübelndes Inneres nach außen kehren. Im Holzschnitt kam er dem Expressionismus, den wahlverwandten Künstlern der Dresdener „Brücke“ und des Münchener „Blauen Reiter“ am nächsten. Die meist kleinformatigen Schwarzweiß-Blätter „Betende Menschen“, „St. Georg“, „Orpheus“, „Zarathustra I und II“ benannte wohl der Bruder; die Titel treffen aber die geistige Welt des Künstlers sehr gut. 1913 ging Zachmann noch einmal nach Esslingen. Vermutlich begann dort schon seine militärische Laufbahn, über die wir nur wenig wissen. Sie bedeutete aber keineswegs das Ende seiner künstlerischen Tätigkeit, obwohl für die zwei Hauptbegabungen, den Holzschnitt und die Lithographie, nun die Materialien fehlten. Es entstand eine kleine Anzahl von Radierungen; wie andere dürfte Zachmann dazu das Blech leerer Munitionskisten verwendet haben. Zachmann setzte nun als „Kampfbeobachter“ – zur dienstlichen wie künstlerischen Darstellung des Grauens der Materialschlachten – seine Zeichenkunst ein. Bleistiftskizzen wie die „Kriegslandschaften“ und „Soldaten im Granatfeuer“ entstanden wohl während oder unmittelbar nach Aufklärungsflügen über Flandern; nach der Rückkehr wurden solche Impressionen oft noch einmal in Tusche niedergelegt. Die Werke dieser letzten Phase „spiegeln die kritische Grundeinstellung gegenüber dem unfassbaren Phänomen wider“ (Hannspeter Kunz), sind bedeutende künstlerische Hinterlassenschaften Zachmanns, der noch jünger als Macke, Marc und Morgner vom Krieg ausgelöscht wurde. Schon vor Ausbruch des Krieges zeigten Zachmanns Holzschnitte Erdreich, Menschen und Tiere so, als seien sie mit Zacken, züngelnden Flammen umgeben; „Zacken-Zachmann“ nannte er sich selbst. Hatte er die heraufziehende Katastrophe vorausgeahnt?
Quellen: Ludwig Zachmann, Erinnerungen an seinen Bruder, handschrl., 1927; Auskünfte von Helga Werner geb. Zachmann, 72511 Bingen-Hitzkofen, Nichte des Künstlers, Tochter des Nachlasshüters Ludwig Zachmann.
Werke: Pfalzgalerie Kaiserslautern; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Städt. Kunsthalle Mannheim; Städt. Wessenberg-Galerie Konstanz; Stiftung Museum Schloss Moyland; Wilhelm Fraenger-Institut GmbH, Potsdam; außerdem im Nachlass bei Helga Werner.
Nachweis: Bildnachweise: Mehrere Selbstportraits in Kohle u. Öl im Nachlass; Foto als Fliegerleutnant in Uniform, um 1916/17.

Literatur: „M. Zachmann, Entdeckung eines Expressionisten“, AK Städt. Wessenberg-Galerie Konstanz, 2004, mit Beiträgen von Barbara Stark u. Andreas Gabelmann; Heinrich Bücheler, M. Zachmann – Zur Wiederentdeckung eines verschollenen bad. Expressionisten, in: Allmende 46/47,15. Jg., 1995, 78-93; Der Kunsthistoriker Wilhelm Fraenger 1890-1964, hg. von Ingeborg Baier-Fraenger, 1994; Hannspeter Kunz, M. Zachmann – Werke aus dem Nachlass, Ausstellung d. „Gesellschaft für Kunst u. Kultur Sigmaringen“, Sept./Okt 1992, Gedenkblatt mit einführ. Text, Farblitho u. Holzschnitten; Christoph Wartenberg, Vom Impressionismus zum Expressionismus, in: Schwäb. Ztg., Lokalteil Sigmaringen, vom 23. 9. 1992; Ursula Malkowsky, Wegbereiter einer neuen Epoche, in: Südkurier vom 10. 10. 1992; ThB 17, 176-179, sowie 36, 377; Johannes Fischer, Zwischen Wolken u. Granaten, 1932, 196.
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