Wieland, Philipp Jakob 

Geburtsdatum/-ort: 10.04.1863;  Ulm
Sterbedatum/-ort: 16.04.1949; Thun (Schweiz)
Beruf/Funktion:
  • Aufsichtsratsvorsitzender der Wieland-Werke und Politiker
Kurzbiografie: 1870–1876 Kgl. Gymnasium in Ulm
1876–1879 Realgymnasium in Stuttgart
1880–1881 École industrielle cantonale in Lausanne
1882–1883 Einjährig-Freiwilliges Militärdienstjahr beim Feldart.-Rgt. „König Karl“, danach Reservist, zuletzt als Oberleutnant der Reserve (1893)
1884–1885 Studium an der Bergakademie in Clausthal (Harz)
1885–1886 Volontariat im technischen Büro der Maschinenbau-Firma Gebr. Sulzer in Winterthur (Schweiz)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Auszeichnungen und Ehrungen: Kommerzienrat (1905); Geheimer Kommerzienrat (1917); Eisernes Kreuz am weiß-schwarzen Band (1917); Dr. ing. h. c. der TH Stuttgart (1918); Ehrenmitglied des Württ. Bezirksvereins Deutscher Ingenieure (1920).
Verheiratet: 21.5.1887 Lydia geb. Sulzer (-Steiner) (geboren 28.12.1866, gestorben 29.12.1938)
Eltern: Vater: Philipp Jakob Wieland (1793–1873), Unternehmer, Erfinder und Gründer der Wieland-Werke
Mutter: Mathilde, geb. Wieland (Nichte ihres Mannes) (1838–1920)
Geschwister: 3: Anna Barbara Mathilde (1864–1906); Marie Fanny Charlotte (1866–1949), verh. Karl von Auler, General der Infanterie und Mitglied des Aufsichtsrats der Wieland-Werke; Max Robert Wieland (1867–1935), Teilhaber und kaufmännischer Leiter der Wieland-Werke
Kinder: 6:
Else Lydie (geboren 10.3.1888, gestorben 13.9.1971), verh. 1910 Walther von Selve, Unternehmer, Erfinder und Sportler;
Lydie Bertha (geboren 28.7.1890, gestorben 23.5. 1986);
Dr.-Ing. Philipp Jacob Heinrich (geboren 3.1.1892, gestorben 28.4.1973);
Dr.-Ing. Hans Karl Philipp (geboren 7.12.1893, gestorben 16.9.1991) Mitglied des Vorstands der Wieland-Werke;
Robert Konrad Philipp (geboren 19.5.1897, gestorben 28.11.1971);
Ulrich („Uli“) Eberhard Philipp (geboren 5.6.1902, gestorben 9.7.1934 beim Versuch der Erstbesteigung des Nanga Parbat)
GND-ID: GND/130087246

Biografie: Michael Wettengel (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 252-254

Wieland war der älteste überlebende Sohn des Ulmer Unternehmensgründers Philipp Jakob Wieland, der die ursprüngliche Kunst- und Glockengießerei seines Onkels in eine „Messing- und Metallwarenfabrik“ umgewandelt, zugleich auch eine „Feuerspritzen- und Glockenfabrikation“ weitergeführt hatte. Am 5. Mai 1887 trat Wieland als Mitgesellschafter in die von seiner Mutter nach dem Tod des Vaters geführte Firma Wieland&Cie. ein. Im selben Jahr heiratete er Lydia Sulzer(-Steiner) aus der schweizerischen Unternehmer- Familie Sulzer, die er während seiner Tätigkeit bei der Firma Gebr. Sulzer in Winterthur, einem bedeutenden Maschinenbau-Unternehmen, kennengelernt hatte. 1892 übernahm er von seiner Mutter die Leitung des Ulmer Unternehmens, ihm zur Seite stand sein jüngerer Bruder Max Robert Wieland, der Teilhaber der Firma und deren kaufmännischer Leiter wurde.
Das führende deutsche Unternehmen bei der Herstellung von Halbzeugfabrikaten, vorzugsweise aus Kupfer- und Kupferlegierungen, expandierte rasch, die Zahl der Mitarbeiter stieg von 454 im Jahr 1892 auf rund 1700 im Jahr 1912. Besonders das Werk in Vöhringen, das zu dem speziellen Verantwortungsbereich von Wieland gehörte, wurde ständig erweitert und umfassend modernisiert. Hier wurde ab 1891 die gesamte Plattengießerei konzentriert und ein Drahtwalzwerk errichtet. 1901 wurde in Vöhringen die erste Strangpresse für Profile und Rohre in Betrieb genommen, 1904 eine elektrische Zentrale mit vier Turbinen eingerichtet und 1924 wurden die Kohleöfen in der Vöhringer Gießerei auf elektrische Induktionsöfen umgestellt, die einen tiefgreifenden Wandel im Schmelzen und Gießen von Messing einleiteten.
Die Firma Wieland&Cie. wurde 1919 in die Aktiengesellschaft „Wieland Werke AG“ umgewandelt. Wieland, der sich immer mehr seinen politischen Aufgaben widmete, zog sich aus den Unternehmensgeschäften zurück und übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrates. Die Leitung des Unternehmens wurde seinem Bruder Max Robert Wieland als Vorstandsvorsitzenden übertragen. Der Tradition der Familie gemäß waren die Brüder Wieland auch in großem Umfang sozial und mäzenatisch tätig. So wurden Arbeiterwohnhäuser für Werksangehörige gebaut und die Wieland-Stiftung für Betriebsangehörige eingerichtet, außerdem Kindergärten und Krippen für Kinder gefördert.
Wieland engagierte sich sehr erfolgreich in der Politik, zunächst als kaisertreuer Nationalliberaler. Bereits 1890 wurde er in den Ulmer Bürgerausschuss gewählt, dann 1893 in den Gemeinderat, dem er bis 1919 angehörte. Seit 1910 war er Erster Vorsitzender der nationalliberalen Deutschen Partei in Ulm. Nach dem Tod des Abgeordneten Albert Mayer wurde Wieland in der Stichwahl am 3. April 1909 Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Ulm Stadt. Von 1909 bis 1918 gehörte er der Kammer der Abgeordneten des Württembergischen Landtags an (37., 38. und 39. o. Landtag), seit 1913 als Vorsitzender der nationalliberalen Fraktion. Er war Mitglied in der Justizgebungskommission sowie in der Finanzkommission, seit 1911 im Volkswirtschaftlichen Ausschuss, dessen Vorsitz er 1913 übernahm. Im selben Jahr wurde er auch Mitglied des Weiteren Ständischen Ausschusses des Landtages.
1918 trat Wieland der DDP bei und war langjähriges Mitglied ihres Württembergischen Landesvorstands. 1919 wurde er sowohl in die Württembergische Verfassunggebende Landesversammlung (Platz 8 der Vorschlagsliste der DDP) als auch in die Deutsche Nationalversammlung, danach ab 1920 in den Reichstag im Wahlkreis 31/32 (Württemberg) gewählt (Platz 3 der Vorschlagsliste der DDP). Er zählte zu den einflussreichsten DDP-Politikern der Weimarer Zeit und war Mitglied des Fraktionsvorstandes im Reichstag. Das Angebot, Schatzminister in der Reichsregierung zu werden, lehnte Wieland Anfang 1920 ab. Dem Reichstag gehörte er bis 1930 an (1., 2., 3. und 4. o. Reichstag), bis 1924 im Wahlkreis 34 (Württemberg) auf Platz 2 der Vorschlagsliste der DDP, danach im Wahlkreis 31 (Württemberg) auf Platz 1. Er wirkte im Volkswirtschaftlichen Ausschuss, im Reichshaushaltsausschuss und im Ausschuss für Verkehrsangelegenheiten des Reichstags mit.
Wieland war Repräsentant des wirtschaftsnahen Flügels der DDP und leitete im Hauptvorstand der Partei den Reichsausschuss für Handel, Industrie und Gewerbe. Er machte sich einen Namen als Energiepolitiker und Förderer der Elektroindustrie. Sein innerparteilicher Gegner in Württemberg war der spätere erste Bundespräsident Theodor Heuss, der ihm schon 1924 die Kandidatur für den Reichstag streitig zu machen versuchte und ihn schließlich 1930 als württembergischer Spitzenkandidat der DDP für den Reichstag ablöste.
Wieland war u. a. Teilhaber der Deutschen Delta-Metallgesellschaft in Düsseldorf und Gesellschafter und Aufsichtsrat der Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH. Er gehörte zahlreichen Aufsichtsräten an, u. a. der Vereinigten Industrie-Unternehmungen AG, der Gesellschaft für Kraftübertragung, der Deutschen Werke AG (Berlin), der Vereinigten Aluminiumwerke AG, der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft, der Berg-Heckmann-Selve AG (Altena), der Elektrowerke AG und der Württembergischen Vereinsbank. Er war Mitglied des Württembergischen Landesausschusses der Deutschen Bank und Präsidiums- und Vorstandsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie.
Auch gesellschaftlich in vielen Vereinen tätig, war er u. a. Präsident des Württembergischen Yachtclubs in Friedrichshafen, Mitglied der Gesellschaft 1914, des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und des Instituts für Metallforschung sowie seit 1904 Vorstandsmitglied der Sektion Ulm/Neu-Ulm des bayerischen Kanalvereins.
Wieland zog sich seit den 1930er Jahren aus dem öffentlichen Leben zurück, wozu der Tod seine jüngsten Sohnes 1934 sowie seines Bruders 1935 und seiner Frau 1938 beigetragen haben mögen. Die Unternehmensleitung ging 1935 auf Karl Eychmüller als Vorstandsvorsitzenden mit Alleinzeichnungsberechtigung über. Infolge von Bombenangriffen wurden 1944/45 sowohl das Wohnhaus von Wieland als auch Teile der Wieland-Werke zerstört, die ein kriegswichtiges Rüstungsunternehmen geworden waren. Nach dem Krieg wurden Teile der Produktionsanlagen demontiert. Wieland übernahm im September 1945 nochmals interimistisch den Vorstandsvorsitz, bis dieser wieder von der regulären Unternehmensführung wahrgenommen werden konnte. Danach zog Wieland nach Thun in der Schweiz, wo er am 16. April 1949 starb.
Wieland zählte zu den prägenden Persönlichkeiten der württembergischen Wirtschaftsgeschichte des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, die auch im politischen Bereich von maßgeblichem Einfluss waren. Unter seiner Leitung vollzog sich die konsequente Modernisierung der Produktionsverfahren und der Wandel der patriarchalisch geführten Firma zu einer Aktiengesellschaft. Bemerkenswert war das Ausmaß seines Engagements auf reichspolitischer Ebene, weshalb er schließlich auf die aktive Leitung seines Unternehmens verzichten musste. Wieland war Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels der DDP und förderte die enge Verbindung von Wirtschaft und Politik, auch gegen Kräfte innerhalb seiner Partei, die dies als kritisch ansahen. Wieland fasste dagegen die Versuche insbesondere von Heuss, ihn als Spitzenkandidaten für den Reichstag in Württemberg abzulösen, als fehlende Anerkennung seiner Leistungen für die DDP auf und betonte die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Aufgaben. Seine zahlreichen Positionen als Teilhaber oder Aufsichtsrat von Gesellschaften und Unternehmen belegen seinen großen Einfluss und seine Vernetzung. Am Ende seines Lebens musste er den Verlust ihm nahestehender Menschen und die Zerstörung seines Wohnhauses, von Werksteilen und seiner Vaterstadt verkraften. Den Wiederaufbau der Wieland-Werke nach dem Krieg erlebte er nicht mehr.
Quellen: Archiv des Liberalismus Gummersbach, N 121 (NL Peter Bruckmann), N 121; HStAS M 430/1 Bü 2957 (militärische Personalakte); Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus Stuttgart, Politischer NL Theodor Heuss; UnternehmensA der Wieland-Werke AG, Ulm; StadtA Ulm, G 2 Wieland, Philipp; B 005/5 Ratsprotokolle.
Werke: Die Verfassung des Königreichs Württemberg, auf der Grundlage eines im Ulmer Politischen Ausbildungskurs des Nationalvereins für das liberale Deutschland von Philipp Wieland gehaltenen Vortrags über den württembergischen Landtag, hg. vom Nationalverein, 1912; Das Budget der Vereinigten Staaten von Nordamerika: Seine Aufstellung, parlamentarische Behandlung und Ausführung, Selbstverl. des Reichsverbandes der Dt. Industrie, 1929; Über Kaltwalzen und Ausglühen von Kupfer-Zink-Legierungen, 1921.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos des Premierleutnants Wieland, HStAS, 1893; Foto, UnternehmensA der Wieland-Werke AG, Ulm, um 1900; Foto, Raberg, Biograph. Handbuch, 1016; LandtagsA Stuttgart, ca. 1930; Zeichnung, UnternehmensA der Wieland-Werke AG, Ulm ca. 1930; Lithographie von Emil Stumpp (1886 – 1941), Emil-Stumpp-A., Michael Stumpp, Gelnhausen, frühe 1930er Jahre.

Literatur: Hermann Baumhauer, Wieland. Geschichte einer Arbeitsheimat, 1991; Achim Hopbach, Unternehmer im Ersten Weltkrieg: Einstellungen und Verhalten württembergischer Industrieller im „Großen Krieg“ (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 22), 1998; Raberg, Biograph. Handbuch, 1016-1017; Theodor Heuss, Bürger der Weimarer Republik: Briefe 1918 – 1933, hg. und bearb. von Michael Dorrmann (Theodor Heuss Stuttgarter Ausgabe 2), 2008; Frank Raberg, Biografisches Lexikon für Ulm und Neu-Ulm, 1802 – 2009, 2010, 470-471; Die Wieland-Werke Ulm von ihrer Gründung bis zum Jahre 1937, 1937.
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