Roth, Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 28.04.1901; Zweibrücken-Ernstweiler (Rheinpfalz)
Sterbedatum/-ort: 14.05.1951; Straßburg
Beruf/Funktion:
  • MdR und MdB-SPD, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1907–1919 Volksschule bis 1910, Mittelschule, dann bis 1919 Oberrealschule in Zweibrücken, danach Lehrerseminar in Kaiserslautern
1919–1924 I. Redaktionsvolontär u. Hilfsredakteur bei bürgerlichen Zeitungen in Weimar, Aschaffenburg u. Zweibrücken
1920 Eintritt in die SPD
1924 II.–1933 Redakteur bei d. „Volksstimme“ in Mannheim
1932–1933 Vorsitzender des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, Mannheim
1932 VII.–1933 VI. MdR (Baden)-SPD
1933 Emigration ins Saargebiet, Anfang 1934 nach Straßburg
1945 VII.–1946 IX. Redakteur d. „Neuen Saarbrücker Zeitung“
1946 X.–1948 IX. Redakteur d. „Volksstimme“ in Saarbrücken, zugleich Vorstandsmitglied u. Generalsekretär d. SPD Saar sowie nebenamtl. Beigeordneter d. Stadt Saarbrücken
1948 IX. Ausweisung aus dem Saargebiet
1948 X.–1951 V. Landrat des Kreises Frankenthal, Rheinland-Pfalz
1949–1951 MdB; Mitglied des SPD-Bezirksvorstands Pfalz u. des Landesausschusses Rheinland-Pfalz
1950–1951 Stv. Mitglied d. Beratenden Versammlung des Europarates in Straßburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., später diss.
Verheiratet: 1925 (Mannheim) Greta, geb. Schneider (* 1906)
Eltern: Vater: Philipp Heinrich (1876–1955), Schlossermeister
Mutter: Susanna, geb. Straub (1879–1963)
Geschwister: 4; Rudolf (* 1902), Johanna (1903–1925), Margarete Susanna (1906–1973) u. Susanna Luise (1910–1911)
Kinder: 2; Ernst Wolfgang (* 1926) u. Günter Hermann (* 1927)
GND-ID: GND/130357596

Biografie: Frank Raberg (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 332-334

Er war ein deutsch-französischer „Grenzgänger“, dessen Lebensweg von dort ins Badische führte, wo er zu erster politischer Betätigung fand. In seinen knapp 50 Lebensjahren spiegelt sich fast idealtypisch wider, wie mancher junge Demokrat für die Demokratie eintrat, unterlag, Verfolgung erlitt, seine besten Jahre verlor, dann aber nach dem Ende des „Dritten Reiches“ den Neubeginn mit ins Werk setzte und seine politischen und parlamentarischen Erfahrungen in den Aufbau eines stabilen demokratischen Staates einfließen lassen konnte.
Roth entstammte einer pfälzischen Arbeiterfamilie. Der, wenn auch äußerst bescheidene, Wohlstand der Eltern ermöglichte ihm den Besuch guter Schulen und eines Lehrerseminars. Beim Ende des I. Weltkriegs noch nicht 18 Jahre alt und vom Militärdienst befreit, schlug Roth die journalistische Laufbahn ein und lernte dieses „Handwerk“ von der Pike auf. Erst 23-jährig erhielt er den Posten des Redakteurs der renommierten Mannheimer „Volksstimme“, des SPD-Parteiblattes. Roth gestaltete und prägte die Zeitung, eines der bedeutendsten demokratischen Presseorgane Badens in der Weimarer Zeit, über neun Jahre hinweg und entwickelte dabei einen untrüglichen Spürsinn, wenn es darum ging, die Absichten antirepublikanischer Kreise publizistisch zu brandmarken.
Doch Roth war nicht nur ein Mann des geschriebenen Wortes. Er engagierte sich sehr aktiv in der Mannheimer und der bad. SPD, deren Landesvorstand er zuletzt angehörte. 1930 kandidierte er, allerdings erfolglos, für den Reichstag; erst die Wahl im Sommer 1932 brachte dem kämpferischen Mannheimer Vorsitzenden des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, des Kampfbundes, der sich entschieden für die Erhaltung der Republik einsetzte, in Mannheim den gewünschten Erfolg.
Als einer der jüngsten Parlamentarier in Berlin fand er engen Kontakt zu dem um sechs Jahre älteren Kurt Schumacher (1895–1952), der die „Herrschaft der alten Männer“ in der Partei brechen wollte. Schumacher war von vielen Parteifreunden enttäuscht, aber für Roth hatte er nach Kriegsende lobende Worte. Im 1932 bereits politisch weitgehend paralysierten Reichstag vermochte Roth keine große Wirksamkeit mehr zu entfalten. Aber er lernte viele Frauen und Männer nicht nur in seiner Fraktion kennen, die mit ihm einig waren im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Die Reichstagswahl vom 5. März 1933 brachte Roth erneut in das Parlament. Kaum jemand hat in Mannheim Hitler und seine Gefolgsleute so hartnäckig und heftig bekämpft wie Roth, doch er stritt auf verlorenem Posten, auch vor dem „Ermächtigungsgesetz“. Am 22. Juni 1933 erklärten die Nationalsozialisten Roths Reichstagsmandat als erloschen; den Machthabern als unversöhnlicher Gegner bekannt, drohte ihm und seiner Familie fraglos Gefahr. Darum setzten sie sich ins Saargebiet ab, konnten sich aber auch dort nicht sicher fühlen. Auch Straßburg bot nur kurzfristig Sicherheit. Ende April 1939 wurde Roth mit seiner Frau und seinen Söhnen ausgebürgert. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich wurde er kurzfristig interniert, aber wieder auf freien Fuß gesetzt.
Erst das Kriegsende bedeutete für Roth und seine Familie das Ende stetiger Angst vor dem Zugriff der Gestapo und die Möglichkeit, den Weg in ein „normales“ Leben zurückzufinden. Roth ließ keinen Zweifel daran, dass er in Deutschland neu beginnen wollte. Im französisch besetzten Saargebiet wurde er wieder tätig, als Redakteur ebenso wie als Politiker, organisierte die SPD neu, gehörte dem Parteivorstand an und diente dem Landesverband als Generalsekretär. Der gesundheitlich angeschlagene Mittvierziger schonte sich nicht; in der Presse griff er wiederholt die französische Besatzungsmacht an. Wieder wurde er ausgewiesen, diesmal von den „Befreiern“.
Roth fand eine neue, völlig ungewohnte Aufgabe in der Pfalz, wo er an die Spitze des Landratsamtes des Kreises Frankenthal gewählt wurde. Auch in Rheinland-Pfalz füllte er führende Positionen in seiner Partei aus. Bei der ersten Bundestagswahl im August 1949 kandidierte Roth erfolgreich im Wahlkreis Neustadt an der Weinstraße. Er hat dies nie anders verstanden als die Fortsetzung seiner parlamentarischen Tätigkeit nach gewaltsamer Unterbrechung.
Seine Erfahrungen als „Grenzgänger“ bewirkten auch Roths lebhaftes Engagement in der Europabewegung, wobei für ihn die Aussöhnung mit Frankreich im Vordergrund stand. Als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarats konnte er sich darin bestätigt sehen, dass mit kleinen Schritten der Weg zu einem einigen Europa sicher beschritten werden konnte. Kurz nach seinem 50. Geburtstag starb Roth in Straßburg, der Stadt, die sein Leben und Streben sinnfällig symbolisierte.
Quellen: P. Weber (Bearb.), Die SPD-Fraktion im Dt. Bundestag. Sitzungsprotokolle 1949–1957, Erster Halbband, 1. bis 181. Sitzung, 1949–1953, 1993.
Nachweis: Bildnachweise: Reichstags-Hand., 1932, 328 (vgl. Literatur).

Literatur: Reichstags-Handbuch, V. Wahlperiode, 1932, 186; W. Hammer, Hohes Haus in Henkers Hand. Rückschau auf die Hitlerzeit, auf Leidensweg u. Opfergang Dt. Parlamentarier, 1956, 84; F. Osterroth, Biogr. Lexikon des Sozialismus, Bd. 1: Verstorbene Persönlichkeiten, 1960, 256 f.; Biogr. Handb. d. deutschspr. Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgesch. München u. von d. Research Foundation for Jewish Immigration Inc. New York, Gesamtleitung W. Röder u. H. A. Strauss, Bd. 1, 1980, 620; M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten d. Weimarer Republik in d. Zeit des Nationalsozialismus, 2. Aufl. 1992, 474; W. H. Schröder, Sozialdemokratische Abgeordnete in den dt. Reichs- u. Landtagen 1867–1933, 1995, 686 ff.; Th. Kurz, Feindliche Brüder im dt. Südwesten, 1996; M. Schumacher (Hg.), M.d.B. Volksvertretung im Wiederaufbau 1946–1961, 2000, 347 (Nr. 4798).
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