Drauz, Richard 

Geburtsdatum/-ort: 02.04.1894;  Heilbronn
Sterbedatum/-ort: 04.12.1946; Landsberg
Beruf/Funktion:
  • NSDAP-Kreisleiter in Heilbronn
Kurzbiografie: 1914-1918 als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, Vizefeldwebel
1919-1921 Studium an der Höheren Maschinenbauschule in Esslingen
1921-1932 Berufstätigkeit als Ingenieur bei der Tiefbaufirma C. Baresel AG in Vaihingen/Enz, bei der Maschinenfabrik Esslingen sowie in Dortmund und in Essen
1923 NSDAP-Ortsgruppenleiter in Mettingen bei Esslingen
1928 Wiedereintritt in die NSDAP nach deren Wiederzulassung
1932–1938 Verlagsleiter der NS-Zeitung Heilbronner Tagblatt, zugleich ehrenamtlicher Kreisleiter der NSDAP in Heilbronn; Politischer Kommissar für das Oberamt Heilbronn, Sturmbannführer der SA ehrenhalber, Mitglied des Heilbronner Gemeinderats und Vertreter von Oberbürgermeister Heinrich Gültig (bis 1935), Mitglied des Reichstags (bis 1945)
1938-1945 hauptamtlicher Kreisleiter der NSDAP in Heilbronn
1940-1945 Einsatzführer der Volksdeutschen Mittelstelle des Gaues Württemberg-Hohenzollern
1943-1945 Oberbereichsleiter der NSDAP und zusätzliche Übernahme der Kreisleiterfunktionen in Vaihingen/Enz und Ludwigsburg
1945 Verhaftung durch den CIC, Verurteilung zum Tode durch ein amerikanisches Militärgericht
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev. (1937 aus der Kirche ausgetreten)
Verheiratet: 1. 1923 (Mettingen) Emma Frieda, geb. Sohn (geschieden 1937)
2. 1937 (Heilbronn) Klara, geb. Schoch (1909-1996)
Eltern: Vater: Christian Heinrich Drauz (1865-1937), Postunterbeamter in Heilbronn
Mutter: Friederike Johanna, geb. Dederer (1866-1938)
Geschwister: 1 Schwester und 1 Bruder (als Kleinkinder gestorben)
Berta Frieda (geb. 1899)
Kinder: 2 Söhne, 1 Tochter aus 1. Ehe
2 Söhne, 2 Töchter aus 2. Ehe
GND-ID: GND/130457000

Biografie: Susanne Schlösser (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 50-52

Über Kindheit und Jugend von Drauz ist wenig bekannt. Nach eigenen Angaben besuchte er die Oberrealschule in Heilbronn, die er wohl mit der Primareife verließ, und absolvierte dann eine Mechanikerlehre. Auslösende Momente für seine frühe politische Hinwendung zum Nationalsozialismus waren für ihn das Fronterlebnis im Ersten Weltkrieg und die Niederlage von 1918. Schon während seiner Anstellung bei der Firma Baresel trat Drauz für Adolf Hitler und dessen Ideologie ein und gewann unter seinen Kollegen einige Mitstreiter, die 1923 – offenbar nach seinem Wegzug – die erste NSDAP-Ortsgruppe in Vaihingen/Enz ins Leben riefen. Auch bei der Maschinenfabrik Esslingen gab es Anfang der Zwanziger Jahre unter den dort tätigen Ingenieuren und kaufmännischen Angestellten schon viele NS-Anhänger. Ihr Mittelpunkt war Wilhelm Murr, damals Angestellter im Büro der Gießerei. In diesem fand Drauz einen lebenslangen Freund und Förderer. Öffentlich ist Drauz bis 1932 allerdings kaum in Erscheinung getreten. Laut einem später von ihm selbst verfassten Lebenslauf soll er zwar bereits 1923 NSDAP-Ortsgruppenleiter in Mettingen bei Esslingen gewesen sein. Doch wie groß diese Ortsgruppe war, ob sie Aktivitäten entwickelte oder ein Schattendasein führte und welche Rolle er dabei tatsächlich spielte, lässt sich – mangels Quellen – nicht mehr rekonstruieren. Es gibt Hinweise darauf, dass Drauz im Sommer 1932 nochmals versuchte, in Mettingen als NSDAP-Ortsgruppenleiter Fuß zu fassen, was aber offenbar am Widerstand des Esslinger NSDAP-Kreisleiters Eugen Hund scheiterte.
Dagegen scheint NSDAP-Gauleiter Wilhelm Murr viel Vertrauen und große Hoffnungen in seinen Freund gesetzt zu haben, als er Drauz die wichtige und schwierige Stellung in dessen Geburtsstadt anbot. Denn in der „marxistisch-liberalistisch-jüdischen Hochburg“ Heilbronn hatte die NSDAP vor 1933 einen schweren Stand. Offenbar wählte die württembergische Parteileitung Drauz dafür aus, weil sie ihm das zutraute, was er selbst 1933 in einer Rede zur Handwerkerwoche als nationalsozialistische „Tugend“ pries: „Unsere führenden Männer sind rücksichtslos genug, alles, was sich ihnen in den Weg stellt, mit Vernichtung zu schlagen.“ Und tatsächlich war er bald wegen seines Fanatismus und seines rabiaten Vorgehens in ganz Württemberg bekannt und berüchtigt. Obwohl seine Taten nicht selten die Grenzen von Recht und Gesetz überschritten, und es auch innerparteiliche Querelen und Auseinandersetzungen gab, deckte ihn Murr immer wieder und so konnte sich Drauz trotz mancher Angriffe und Anfeindungen recht mühelos bis 1945 in seiner zentralen Position behaupten. Es steht außer Zweifel, dass Drauz der führende Nationalsozialist in der Stadt und im Oberamt bzw. dem späteren Landkreis Heilbronn gewesen ist, bei dem die Fäden zusammenliefen und der das Geschehen in allen Bereichen wesentlich mitbestimmte.
Denn nicht nur im engeren politischen Bereich übte Drauz viele Funktionen aus. In einigen wichtigen Betrieben und Unternehmen in Heilbronn und Umgebung gelangte er in den Jahren vor dem Krieg in den Aufsichtsrat. Ebenso spielte er bei der „Gleichschaltung“ von Vereinen und Verbänden eine zentrale Rolle. Er war nicht allein bei allen wesentlichen Sitzungen anwesend, sondern übernahm oft zumindest so lange den kommissarischen Vorsitz, bis ein neuer, nationalsozialistischer Vorstand gefunden war. Die Ortsgruppe des Reichsausschusses für Leibesübungen und den Verein für Rasenspiele leitete er schließlich über Jahre hinweg selbst. Als Verlagsleiter des „Heilbronner Tagblatts“ war Drauz auch wesentlich an der gewaltsamen Ausschaltung der sozialdemokratischen und bürgerlichen Heilbronner Presse beteiligt. Bis 1934 gelang es durch Überfälle, Beschlagnahmungen und Verbote sowie durch massive Abwerbemethoden, Einschüchterungen und „Inschutzhaftnahme“ von Anzeigenkunden, Redakteuren und Verlegern sämtliche Heilbronner Zeitungen und ihre Infrastruktur (Druckmaschinen usw.) in die Hand des „Heilbronner Tagblatts“ zu bringen.
Drauz war ein überzeugter und loyaler Nationalsozialist, der bis zum bitteren Ende auch noch dem absurdesten Befehl „seines Führers“ folgte und sich nicht scheute, dafür die Verantwortung für Schwerverbrechen auf sich laden. So ordnete Drauz beispielsweise Ende März 1945 an, dass die gesamten Anlagen der Fahrzeugwerke Neckarsulm gesprengt werden sollten, was schließlich am Widerstand verschiedener Stellen scheiterte, ebenso wie einige weitere, von ihm befohlenen Maßnahmen von „verbrannter Erde“ in der ohnehin völlig zerstörten Stadt Heilbronn. Auch scheint er sich zu derselben Zeit noch ernsthaft mit Evakuierungsplänen für die Bevölkerung des Stadt- und Landkreises Heilbronn beschäftigt zu haben. Die NSDAP-Ortsgruppenleiter in den Gemeinden des Landkreises wies er an, jedes Dorf in eine Festung zu verwandeln und zu verteidigen, wozu die meisten aber nicht mehr bereit waren. Je mehr sich abzeichnete, dass der „Kampf um Heilbronn“ verloren gehen würde, desto willkürlicher wurden die Handlungen von Drauz. Sie hinterlassen den Eindruck von dem sinnlosen Wüten eines Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat, aber bis zum letzten Augenblick mit Gewalt versucht, seinen bisherigen Machtanspruch zu behaupten. Fünf Menschen fielen dieser Willkür zum Opfer, die Drauz ohne weiteres erschießen ließ, weil sie nicht verhindert hatten, dass eine Panzersperre abgebaut wurde bzw. weil sie weiße Fahnen der Kapitulation gehißt hatten.
Drauz gelang es bei Kriegsende zunächst, durch Flucht einer Gefangennahme zu entgehen. Er fand in Kloster Dernbach bei Montabaur im Westerwald unter falschem Namen Unterschlupf, wurde dort aber vom CIC aufgespürt und verhaftet. Die Amerikaner suchten ihn wegen seiner Beteiligung an der Erschießung eines abgestürzten US-Piloten, der sich als Kriegsgefangener ergeben hatte. Für dieses Vergehen musste er sich vor einem amerikanischen Militärgericht in Dachau verantworten, wurde am 11. Dezember 1945 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und am 4. Dezember 1946 in Landsberg durch Erhängen hingerichtet. Dass seinem Leben gerade am zweiten Jahrestag der Heilbronner Stadtzerstörung ein strafendes Ende gesetzt wurde, war sicher keine bewusste Entscheidung der Amerikaner, wurde in Heilbronn aber voller Bedeutung interpretiert.
Quellen: BA Berlin, Abt. III (BDC), PK R. Drauz; StadtA Heilbronn E 007-21 (Zeitzeugengespräch mit Klara Drauz), E 007-20 (Zeitzeugengespräch mit Hugo Kölle), E 007-45 (Zeitzeugengespräch mit Kurt Weller); StAL EL 902/11 Bü 1592 (Spruchkammerakte R. Drauz), PL 502/16 (Kreisleitung Heilbronn); HStAS Q 2/25 (NL Josef Georg Wilhelm).
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im StadtA Heilbronn, Fotosammlung.

Literatur: Susanne Schlösser, „Was sich in den Weg stellt mit Vernichtung schlagen ...“ – R. Drauz, NSDAP-Kreisleiter von Heilbronn, in: Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, hg. von Michael Kißener und Joachim Scholtyseck, (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 2), 1997, 143-159; Chronik der Stadt Heilbronn IV (1933-1938), (Veröff. des Archivs der Stadt Heilbronn 39), 2001.
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