Mandry, Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 05.09.1863;  Tübingen
Sterbedatum/-ort: 14.03.1949;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Arzt und Chirurg, Sanitätsrat; Leiter des städtischen Krankenhauses Heilbronn (1894–1930), Vorsitzender des ärztlichen Landesausschusses von Württemberg (1909–1920)
Kurzbiografie: 1871–1881 Gymnasium und Abitur in Tübingen
1881/1882 einjährig freiwilliger Militärdienst
1882–1887 Studium der Medizin in Tübingen (Mitglied der Verbindung Igel) und Berlin (Diss. Zur Frage der Arthrectomie des Kniegelenkes)
1888–1893 Assistenzarzttätigkeit in Köln, Halle, Tübingen und Basel
1893 Niederlassung als Chirurg und Gynäkologe in Heilbronn
1894 Spitalarzt bzw. Chefarzt der Chirurgischen Abt. und Leiter des Krankenhauses Heilbronn
1930 Versetzung in den Ruhestand und Umzug nach Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., ab 1930 ev.
Auszeichnungen: Ehrungen und Auszeichnungen: 1914 Geheimer Sanitätsrat; 1916 EK II. Klasse; 1948 Straßenbenennung in Heilbronn
Verheiratet: 6.6.1894 (Manchester) Ida, geb. Lempfert (1871–1951)
Eltern: Vater: Gustav Mandry (1832–1902), Jurist, Prof. in Tübingen
Mutter: Marie, geb. Wörz (1844–1925)
Geschwister: 2: Karl (1866–1926) Württ. Justizminister 1917/18; Klara, verh. Hofmeister (1869–1931)
Kinder: Kurt (1895–1974)
GND-ID: GND/131604244

Biografie: Walter Hirschmann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 185-187

Gustav Mandry, der als ältester Sohn des Tübinger Rechtsgelehrten Mandry eigentlich ebenfalls Jurist werden sollte, setzte seinen eigenen Berufswunsch durch und studierte in Tübingen Medizin. Mitte der 1880er Jahre wechselte er für vier Semester mit der Familie nach Berlin, als sein Vater zum Mitglied der Ersten Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch berufen wurde.
In dieser Zeit gab es in der Medizin neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Septik. Insbesondere die Chirurgie machte dadurch große Fortschritte, weil man das Problem der bis dahin vielfach tödlichen Wundinfektionen besser in den Griff bekam.
Mandry erhielt so eine wissenschaftlich fundierte und gute praktische medizinische Ausbildung, u. a. bei dem Chirurgen Prof. Paul von Bruns. Nach Abschluss des Studiums und mehreren Jahren als Volontär und Assistenzarzt folgte er seiner Neigung zur Praxis und eröffnete 1893 in Heilbronn eine kleine chirurgische und gynäkologische Privatklinik. Dies war in jener Zeit wagemutig, da sich die Facharztspezialisierung erst anbahnte. Mandry wurde von den übrigen niedergelassenen Ärzten nicht gerade mit offenen Armen empfangen.
Für Mandry ergab sich aber schon im folgenden Jahr die Chance für seine Lebensstellung. Das in den 1860er Jahren neu aber sparsam erbaute Heilbronner Krankenhaus war auf bescheidenem technischen Niveau. Auch personell gab es zwischen den beiden leitenden Ärzten einerseits und dem Oberbürgermeister Paul Hegelmeier andererseits Querelen, die zum Rücktritt von Dr. Paul Mayer führten, dem einzigen Sohn des Arztes und Physikers Dr. Robert von Mayer.
Als Nachfolger wurde 1894 mit Mandry erstmals ein ausgebildeter Chirurg Chefarzt der Chirurgischen Abteilung und Leiter des Krankenhauses. Er hatte sich in seiner kurzen Zeit in Heilbronn einen guten Ruf erworben, so dass seine Anstellung einhellig begrüßt wurde. Man verband damit die Hoffnung, dass nun Patienten nicht mehr nach Stuttgart überwiesen werden mussten und damit das städtische Krankenhaus auch wirtschaftlich gewinnen würde.
Diese Erwartung erfüllte Mandry und das Krankenhaus erlebte unter seiner Leitung eine sehr gute Entwicklung. In den Jahren 1902 bis 1905 entstanden in einem Erweiterungsbau zwei Operationssäle sowie Räume für ein Röntgengerät, medizinische Bäder und die Krankengymnastik. Diesen Fortschritt in der Medizintechnik hat Mandry über die Jahre miterlebt und noch im hohen Alter einmal betont, wie wichtig das gute Verständnis der Elektrizität für Mediziner sei, das ihm leider gefehlt habe.
Ab 1906 wurde ein Internist als Chefarzt für die Medizinische Abteilung eingestellt, die Mandry bis dahin mit Assistenzärzten mitbetreut hatte.
Weitere Pläne für den notwendigen großzügigen Ausbau des Krankenhauses waren seit 1913 fertig, konnten aber während des Ersten Weltkriegs und auch danach nicht mehr ausgeführt werden.
Bei Kriegsbeginn hatte Mandry den Rang eines Oberstabsarztes der Landwehr und musste als Leiter eines Feldlazaretts bis März 1915 ausrücken. Für den gelungenen Rückzug des Lazaretts aus französischem Granatbeschuss erhielt er das Eiserne Kreuz. Anschließend war er intensiv mit der Versorgung von Soldaten im Krankenhaus und in den umliegenden Lazaretten beschäftigt.
Seine Frau Ida, die aus einer deutschstämmigen Familie in England stammte, engagierte sich stark in der Kriegsfürsorge, nachdem sie schon seit 1912 die Wöchnerinnenfürsorge des Frauenvereins leitete. Das Ehepaar Mandry hatte sich sehr gut in Heilbronn integriert und wohnte seit 1903 im eigenen Haus. Mandry wurde 1906 in die Grässle-Gesellschaft, einen Heilbronner Honoratiorenverein, aufgenommen. Seit 1905 konnte man die Familie mit einem der ersten Autos in Heilbronn auf den Straßen sehen. Die große Wertschätzung, die Mandry als Arzt und Bürger genoss, kam bei seinem 25-jährigen Dienstjubiläum 1919 zum Ausdruck.
Die Grenzen der ärztlichen Kunst musste auch Mandry leidvoll erfahren, insbesondere als sein geliebter Bruder Karl, OLG-Präsident in Stuttgart und 1918 letzter Justizminister des Königreichs, in seiner Behandlung 1926 nach einer harmlosen Operation an einer Embolie starb. Im Jahr 1930 bat Mandry um die Ruhestandsversetzung mit der Begründung „Es wird Zeit, dass ich einer jüngeren Kraft Platz mache; mit 67 Jahren muss man mit dem Nachlass der Leistungsfähigkeit rechnen, während die Stelle eine volle Arbeitskraft verlangt.“
Auch vom Stuttgarter Alterssitz – Mandry wurde dort Mitglied der „Montags-Gesellschaft“ – riss die Verbindung nach Heilbronn nicht ab. In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs half Mandry im Wilhelmsspital in Stuttgart als Chirurg aus. Im Herbst 1944 übersiedelte das Ehepaar Mandry kriegsbedingt wieder nach Heilbronn und überlebte hier den verheerenden Luftangriff am 4. Dezember. Sein Nachfolger Chefarzt Dr. Karl Bachlechner, der auch sein Privathaus übernommen hatte, kam bei diesem Angriff darin ums Leben.
Beim 51. Deutschen Ärztetag im Oktober 1948 in Stuttgart wurde Mandry als ältester Teilnehmer begrüßt und seiner verdienstvollen Tätigkeit in der ärztlichen Standesorganisation gedacht.
Er hatte sich als langjähriger Vorsitzender des ärztlichen Bezirksvereins Heilbronn engagiert und von 1909 bis 1920 den ärztlichen Landesausschuss, den Vorläufer der Ärztekammer, geleitet und die Interessen der Ärzte als Berufsstand vertreten.
Quellen: FamilienNL im StadtA Heilbronn (D 73) und in Familienbesitz.
Werke: Der Erweiterungsbau des städt. Krankenhauses Heilbronn (o. V.), 1906, und medizinische Aufsätze.
Nachweis: Bildnachweise: Steinhilber (vgl. Literatur), StadtA Heilbronn, Büste in Familienbesitz.

Literatur: Wilhelm Steinhilber, Gustav Mandry und seine Zeit, in: Schwaben und Franken. Heimatgeschichtliche Beilage der Heilbronner Stimme Nr. 4 und 5/1963; Elke Koch, Frauen-Männer-Stadtgesellschaft, 2002.
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