Scherer, Peter 

Geburtsdatum/-ort: 26.04.1869; Gondorf
Sterbedatum/-ort: 30.05.1922;  Ravensburg
Beruf/Funktion:
  • Fotograf
Kurzbiografie: 1893 Übernahme eines Fotografengeschäfts in Ravensburg, Eheschließung mit Emilie Weiss
1895 Scherer erhält die silberne Medaille des süddeutschen Fotografen-Vereins; zahlreiche weitere Auszeichnungen für sein künstlerisches Können folgen in den nächsten Jahren
1898 Eröffnung eines Fotografengeschäfts in Koblenz
1900 Rückkehr nach Ravensburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 22.5.1893 Emilie, geb. Weiss (1871–1958) aus Ravensburg, Tochter des Malers Julius Weiss
Eltern: Vater: Sebastian Scherer, Lehrer
Mutter: Margarethe, geb. Münch
Geschwister: 3 Brüder, darunter Anton (* 1878), Fotograf, und 2 Schwestern
Kinder: 5: August, Fotograf (* 1894); Julius Peter (* 1896); Margaretha (* 1902); Elsa (* 1909); Emilie (* 1909)
GND-ID: GND/132719088

Biografie: Alfred Lutz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 242-243

Der aus der Gemeinde Gondorf an der Mosel stammende Lehrerssohn Scherer kam nach der Ausbildung zum Fotografen im nahe gelegenen Koblenz und der Ableistung des Militärdienstes im elsässischen Schlettstadt 1891 ins oberschwäbische Ravensburg. Dort vervollständigte er zunächst seine Kenntnisse bei dem Fotografen Karl Weiss in der Burgstraße, dessen Geschäft er schließlich 1893 übernahm. Im selben Jahr heiratete er zudem die Schwester von Karl Weiss. Da es in Ravensburg zu dieser Zeit bereits mehrere etablierte Fotoateliers gab und die wirtschaftlichen Perspektiven infolgedessen nicht sehr vielversprechend waren, gründete Scherer 1898 ein Fotografengeschäft in Koblenz; doch kehrte er bereits 1900 nach Ravensburg zurück, angeblich vor allem deswegen, weil seine Frau unter Heimweh gelitten hatte. Neben den gewerbsmäßigen Aufgaben eines Berufsfotografen, der Porträtfotografie, den fotografischen Arbeiten bei Hochzeiten, Festen, Beerdigungen, den Aufnahmen von Häusern, Fabriken und Geschäften, war es für Scherer gewissermaßen ein Lebensbedürfnis, Fotografie als Kunst auf den großen Ausstellungen durchzusetzen. Bei Personen- wie bei Landschaftsfotografien erfasste Scherer, beeinflusst von Romantik und Realismus, beeindruckt von Malern wie Jean François Millet, Gustave Courbet, Hans Thoma, Wilhelm Leibl und Adolph Menzel, auf meisterliche Weise die charakteristischen Seiten und die malerische Wirkung. Scherers große Gabe war es, den Menschen in seiner Umwelt und angestammten Umgebung darzustellen, wie sie sich dem Fotografen zu seiner Zeit darbot. Scherer suchte seine Motive in Bürgerhäusern und Hinterhöfen, Bauernstuben und Küchen, auf dem Feld und auf Märkten, bei der Weinlese, auf Volksfesten, Manövern und Bahnhöfen. So fand er zum Beispiel „eindrucksvolle Bauerngesichter, vom Leben voller harter Arbeit gezeichnet. In seinen Aufnahmen verwandeln sie sich in fast biblische Gestalten, in Philosophen und Propheten. Seine Bauernfamilie wird zur Verkörperung des Bauernstandes, sein kleines Bauernmädchen zum Prototyp“ (Ditmar Albert, 146). Bestens vertraut mit der Landschaft und ihren Menschen, erfasste Scherer mit scharfem Blick die gesellschaftlichen Realitäten und Probleme im ländlichen und kleinstädtischen Leben während dieser Zeit des Wandels: Kinderarmut, das Leben gesellschaftlicher Randgruppen, Bürgerstolz, die harte Arbeit der Handwerker und Arbeiter, die starke Beanspruchung der Frauen in Haushalt, Stall und auf dem Feld, den rasanten technischen Fortschritt in Gestalt von Zeppelin-Luftschiffen, Automobilen oder Fabriken, auch das militärische Pathos im Kaiserreich. Was zum Beispiel Scherers Fotografien der Vorarlberger Hütekinder in Oberschwaben „zu echten Sozialdokumenten macht, ist die distanzierte Beschreibung, die nicht oberflächlich in bewegendem Pathos an die Wohltätigkeit des bürgerlichen Betrachters appelliert, sondern zu einer kritischen Analyse der dargestellten Zustände herausfordert“ (Eva Moser, 19). Sorgfältig hatte Scherer zuvor den jeweiligen Aufnahmestandort, Licht und Landschaft studiert. Dank behutsamer, geschickter Regie und großem Einfühlungsvermögen vermochte er es meisterlich, Menschen so unverkrampft und authentisch zu gruppieren, „wie es seinem ästhetischen Gefühl entsprach, ohne geplant und gezwungen zu wirken“ (Ditmar Albert, 146). Scherer erreichte stets, dass sich die Menschen vor seiner Kamera nicht in „Photographierpose“ stellten (Peter Scherer jr., 1974, 8). Souverän brachte er Personen und Landschaft in einen „stimmungsvollen Zusammenhang“ (Eva Moser, 14). Beim Thema „Ländliches Leben“, das einen gewichtigen Teil in seinem Werk einnimmt, hat Scherer „nicht nur das malerische Motiv gesehen, sondern zugleich eine Interpretation vorgenommen, die romantisierend die bäuerliche Welt als Gegenwelt zu einer entfremdeten städtischen Lebensweise begriff. Darüber hinaus sind seine sensiblen Annäherungen an die als entschwindend erlebte Daseinsform auch als dokumentarisches Festhalten zu verstehen“ (Eva Moser, 14). Ausdrucksstarke, markante Einzelporträts Scherers zeigen bekannte Ravensburger Persönlichkeiten wie den Unternehmer und Mäzen Julius Spohn, den Küfer und Gastwirt Nepomuk Knoblauch oder den Schmied Franz Xaver Bernhard in dem für sie charakteristischen Ambiente und den hohen künstlerischen Ansprüchen Scherers entsprechend; anderen Porträts (z. B. Fotografie „Herr und Hund“, um 1900) hingegen ist mitunter ein feiner Zug der Ironie eigen. Der elegant und „künstlerisch“ auftretende Scherer verfügte über hohes labortechnisches Können und war insbesondere ein ausgezeichneter Kenner des mehrschichtigen Gummidruckverfahrens, einem der aufwändigsten der Edeldruckverfahren. Es war dies eine Technik, die es dem Fotografen ermöglichte, „sein ganzes künstlerisches Empfinden und Auffassen in der malerischen Wirkung des Bildes zum Ausdruck zu bringen“ („Unsere Heimat in Bildern“ vom 17.6.1922). Anerkennung und Erfolge stellten sich für den Fotografen Scherer und sein künstlerisches Schaffen rasch ein. Seit 1894 durfte er den werbewirksamen Satz „Allerhöchste Anerkennung seitens Seiner Majestät des Königs Wilhelm II. von Württemberg“ auf die Rückseite der zum Aufziehen der Fotografien bestimmten Karten drucken; 1895 erhielt er in München die silberne Medaille des Süddeutschen Fotografen-Vereins zuerkannt, 1897 in Freiburg ein Ehrendiplom desselben Verbandes, 1904 in Leipzig auf der Ausstellung des Sächsischen und Thüringischen Fotografen-Bundes die Bronzemedaille, 1905 einen Ehrenpreis für vorzügliche Leistungen auf der Ausstellung des Deutschen Fotografen-Vereins. Weitere Ehrungen auf Ausstellungen in Weimar, Stuttgart, Halle, Heidelberg und Brüssel folgten.
Nach dem frühen Tod Scherers im Jahre 1922 wurde das Ravensburger Fotografengeschäft von seiner Witwe und dem ältesten Sohn August weitergeführt.
Werke: Der künstlerische NL Peter Scherers befindet sich in Privatbesitz.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in: Unsere Heimat in Bildern. Beilage der Oberschwäbischen Volksztg. und Tettnanger Bauernztg. vom 17.6.1922; Peter Scherer jr. (Hg.), Gute alte Zeit?, 1974, 2.

Literatur: Unsere Heimat in Bildern. Beilage der Oberschwäbischen Volksztg. und Tettnanger Bauernztg. vom 17.6.1922; Peter Scherer jr. (Hg.), Gute alte Zeit?, 1974; „Alte Zeit durch alte Linsen“, in: Schwäbische Ztg. vom 13.4.1974 (Zeit und Welt); Eva Moser, Frühe Photographie – Eine Einführung, in: Landrat Siegfried Tann (Hg.), Frühe Photographie 1840–1914, 1985, 5–29; Ditmar Albert, Peter Scherer, Photograph in Ravensburg, in: ebda. 1985, 138–153; Georg Wieland, Landleben – dokumentarische Elemente der Kunstphotographie Peter Scherers, in: ebda. 1985, 154–159.
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