Hübner, Paul Friedrich 

Andere Namensformen:
  • Pseudonym: Paul Friedrich
Geburtsdatum/-ort: 20.03.1915;  Lörrach
Sterbedatum/-ort: 21.08.2003;  Kandern
Beruf/Funktion:
  • Werbegrafiker, Lehrer, Dichter und Maler
Kurzbiografie: bis 1943 Weil am Rhein dann wohnhaft
1943-1968 in Lörrach bis 1954, dann in Holzen wohnhaft
1968 Umzug nach Kandern
1934-1935 Italienaufenthalt und autodidaktische literarische und malerische Studien, danach Gelegenheitsarbeiten, private Studien, erste literarische Arbeiten
1938-1945 Arbeitsdienst, dann Wehrdienst in Norwegen; nach Verwundung ab 1943 Industriedienst
1945-1950 freischaffender Schriftsteller und Maler
1951-1969 Werbegrafiker bei Suchard in Lörrach, danach Ausbildung und Arbeit als Volksschullehrer, ab 1953 in Lörrach und Holzen bei Kandern. Danach freischaffender Schriftsteller und Maler
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1936 (Weil am Rhein) Gertrud Hedwig, geb. Bernhard (geb. 1914 in Lörrach)
Eltern: Vater: Karl Friedrich (1886-1971), Fabrikarbeiter, Straßenwart
Mutter: Berta, geb. Wohlschlegel (1888-1966)
Geschwister: 2:
Klara, verheiratete Leibold (1919-1989)
Elisabeth, verheiratete Behrend (geb. 1924)
Kinder: 3:
Christiane, verheiratete Ahlswede (geb. 1943 in Lörrach)
Marianne, verheiratete Hübner
GND-ID: GND/133251802

Biografie: Markus Manfred Jung (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 162-164

Als Arbeitersohn musste Hübner, trotz hervorragender Leistungen, die Schullaufbahn auf dem Lörracher Hans-Thoma-Gymnasium abbrechen, das Schulgeld war zu teuer. Bei Hoffmann-La Roche absolvierte er eine Ausbildung zum Chemielaboranten und bildete sich in Abendkursen fort. Schnell konnte er im Betrieb Verantwortung übernehmen, Erfolge im Sport und auch sonst schienen den Weg zu einem geregelten, leichten Leben zu ebnen. Gerade das bedingte aber eine existentielle Krise, eine Unzufriedenheit, die bis zur Suizidgefahr führte. Mit 15 begann Hübner zu schreiben: Lyrik, Erzählungen, Entwürfe zu Dramen, Notizen mit philosophischen und gesellschaftskritischen Gedanken. Erst nach dem Krieg wurde Einiges davon ausgeführt.
Mit 19 brach Hübner, in einem Gefühl von Unbehaustsein, aus seinem bisherigen Leben aus. Zuerst mit zwei Freunden und dann allein zog er durch die Schweiz und Österreich nach Italien, immer auf der Suche nach sich und einem tieferen Sinn des Lebens. Den Unterhalt verdiente er sich mit Musik. Das Schreiben wurde zur ernsthaften Beschäftigung, viele der „Beiläufigen Notizen“ entstanden, fast ohne literarische Vorbildung und ohne Publikum, mehr intuitiv als rational. In seiner stark autobiographisch gefärbten Erzählung „Aus dem Wanderleben des Tomas Balder“ versuchte Hübner die Verarbeitung dieser Lebenskrise zu beschreiben. Literarisch noch ganz der Tradition verpflichtet, erinnern die romantisch-symbolische Darstellung der Natur und der mystische Unterton darin stark an Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ und „Das Marmorbild“. Interessante Passagen mit Selbstreflexionen wirken wie eine Vorbereitung der späteren Werke. Ein Aufenthalt bei den Brüdern auf dem Monte Cassino und in Rom, wo er bei einer Audienz Papst Pius XI. mit seiner offenen Geradlinigkeit überraschte, führte schließlich zur gesuchten Lebensperspektive auf dem Boden des christlichen Glaubens.
Zu Hause versuchte Hübner im Selbststudium mit Griechisch, Latein und Hebräisch das Abitur nachzuholen, um Theologie studieren zu können. Nebenher entstanden Novellen, Gedichte und das Drama „Pizarro und der Inka“, in dem Parallelen zum Überfall Italiens auf Äthiopien 1936 zeitkritisch sichtbar werden. Auf Einspruch des bischöflichen Amtes in Würzburg 1946 konnte das Stück nicht aufgeführt werden. 1936 heiratete Hübner, ab 1937 trat er mit Gedichten, auch in alemannischer Mundart, die in lokalen Zeitungen abgedruckt wurden, an die Öffentlichkeit.
Reichsarbeitsdienst und Krieg beendeten vorerst alle Pläne. Schwer verwundet wurde er 1943 in Norwegen aus dem Soldatendienst entlassen und zum Industriedienst verpflichtet. Er bekam eine Wohnung in Lörrach, konnte wieder bei seinem ersten Arbeitgeber als Laborant arbeiten und so seine Familie ernähren. In dieser Zeit begann Hübner zu malen. Das Wort sei ihm abhanden gekommen, bemerkte er später. Vier gleich starke und gleichwertige Anstöße nennt Hübner als Grundlage seiner Malerei: Das Wesen der Farbe, das Wesen eines Dinges, einer Landschaft, eines Gesichts, eines Verhältnisses unter Dingen und unter Menschen; dann die elementare Kraft des Wesens, also Farbe als Kraft; Haus, Landschaft, Mensch als Kraftkerne; schließlich das Archètypische. Er selbst ergänzte, dass diese vier Anstöße moduliert und variiert werden durch eine lyrische, epische, dramatische oder religiöse Verfassung. Sein großzügiger, expressiver Malduktus sowie die Wahl meist religiöser Sujets stempeln ihn unter den Markgräfler Malern zum Außenseiter. Mit Paul Ibenthaler und Alfred Haller verstand er sich aber bestens, und mit Unterstützung der französischen Besatzungsbehörde konnten diese drei im März 1947 als Erste nach dem Kriege eine vielbeachtete Ausstellung ihrer zeitgenössischen Malkunst zeigen. Hübner erregte Aufsehen durch seine Vorträge, u. a. „Über das Wesen der Kunst“, „Die Situation der Malerei“ und „Kunst und Phantasie“, in denen er versuchte, einen intuitiven Zugang zur modernen Kunst zu zeigen, den Menschen, die durch die Kunstdiktatur der Nazizeit von der europäischen Entwicklung abgekoppelt waren, den Blick für die zeitgenössische Kunst zu öffnen. Ausstellungen in der „Badischen Sezession“ in Baden-Baden, Freiburg und München folgten. Hübners Bilder wurden gekauft. Aus der Markgräfler Künstlervereinigung wurde Hübner ausgeschlossen, weil er es gewagt hatte, einen fremden Künstler in Lörrach mit einer Vernissage-Rede zu ehren. 1953 ließ er sich von einem seiner ehemaligen Lehrer für diesen Beruf begeistern, bildete sich am Lehrerseminar in Freiburg weiter und bestand nach kürzester Frist das Lehrerexamen.
Wegen krankheitsbedingter Schwäche musste Hübner Anfang der 1970er Jahre das Malen unterbrechen, zunehmende Schwerhörigkeit hatten ihn schon zuvor im täglichen Leben mehr und mehr isoliert. Der Rückzug auf die Sprache als geschriebenes Wort wurde plötzlich wieder die einzige kreative Ausdrucksmöglichkeit. Die früher geschriebenen Texte wurden überarbeitet. Mit Verlagen hatte der Autor kein Glück. Zwei gingen kurz vor der Drucklegung seiner Bücher Konkurs. Bläschke in Darmstadt, wo 1978 „In Raum und Zeit“ erschien, konnte sich wegen wirtschaftlicher Probleme nicht um den Vertrieb kümmern. So blieb nur der finanziell gewagte Schritt zum Selbstverlag, dem „Ried-Verlag“ in Kandern.
1984 gab Hübner die „Beiläufigen Notizen aus Erfahrungen und Intuitionen“ unter dem Titel „Zur Frage nach dem Wesen des Menschen“ heraus. 413 Texte aus tausenden von Notizzetteln sind ausgewählt, Grundfrage, um die alles kreist, ist die Frage nach dem Wesen des Menschen in seiner „unverbrüchlichen Ganzheit“. Hübner gab im Geiste eines Max Picard zivilisations- und gesellschaftskritische Anstöße, die „unumgängliche Aspekte des menschlichen Wesens“ zeigen wollen, „die in der tödlichen Orientierungslosigkeit unserer Tage sich als eine Wirklichkeit erweisen, an der man sich zurechtfinden und zu der man finden kann“, wie Hübner selbst in der Vorbemerkung schreibt. Er versuchte, ein ethisch-moralisches, humanistisches Denken auf der Grundlage christlicher Gläubigkeit den Zerfallserscheinungen der Gesellschaft entgegen zu setzen.
Fast zeitgleich erschien der Roman „Der Berg“, eine auf Tatsachen beruhende Schicksalstragödie junger Menschen, deren Geschick sich am Berg „Belchen“, seit keltischer Zeit ein mythischer Ort, erfüllt. Der naturmagische und mystische Grundton des Textes löst heute einerseits eine gewisse Faszination, andrerseits aber auch Befremden aus.
Hübners wichtigstes Werk, „Lappland-Tagebuch 1941“ erschien ein Jahr später. Fast ohne redigieren zu müssen, hat der Autor seine Kriegserlebnisse von 1941 in chronologischer Abfolge festgehalten. Hermann Glaser schrieb in seiner ausführlichen Rezension „Mordrausch und Unberührtheit“: „Aus „lyrischem Kriegstagebuch“ kann man nicht nur erfahren, wozu der Mensch auf dieser wohl schlechtesten aller Welten fähig ist, sondern auch ablesen, wie verzweifelt-ästhetisch eine verführte und verlorene Generation auf das Grauen literarisch reagierte.“ Es gibt in diesem Buch keine überraschenden politischen oder militärstrategischen Enthüllungen, keine dramatischen menschlichen Verwicklungen, keine detaillierten Kriegs- und Soldatenberichte, der teilweise einförmige Tagesablauf eines einzelnen einfachen Soldaten, seine Mühen ums Leben und Überleben, seine Angst und seine Hoffnung werden schlicht und klar dargelegt. Aber gerade in dieser Beschränkung liegt die Wichtigkeit dieses Buches. Keine Beschönigung des Grauens, keine Landserromantik, keine Verherrlichung der technischen Gewalt und kein Nationalpathos verzeichnen die Schrecken des Krieges, aber auch nicht eine später aufgepfropfte besserwisserische Distanz. In der Vermenschlichung durch die subjektive Perspektive wird die Unmenschlichkeit des Ausgeliefertseins krass sichtbar, in dem persönlichen Ausgeliefertsein an den unpersönlichen und unmenschlichen Befehl zu töten. Glaser schreibt weiter: „Der ... immer wieder anzutreffende Ernst-Jünger-Ton, versetzt mit Stifterscher Naturbeschreibungsakribie könnte peinlich wirken, wüsste und spürte man nicht die Authentizität des Augenblicks, aus dem heraus Stilisierung zum Schutz vor tödlichster Wirklichkeit wird.“
Nach Veröffentlichung der Bücher durchlebte Hübner noch einmal eine Malphase. Die letzten Arbeiten sind abstrakte, farblich und formal kühne, gespachtelte Kompositionen. 1993 erschienen die „Gedichte 1936-1948“. Streng geformte expressionistische, sinnbildhafte lyrische Gebilde, die in der freien Handhabung dichterischer Traditionen und in ihrem immanenten Sprachzweifel oft Züge der Moderne vorwegnehmen. Die meisten Texte waren, anders als später Hübners „Beiläufige Notizen“, noch in einem „Lebensgefühl von fraglosem geschöpflichen Daheimsein in der Natur“ geschrieben worden.
Anlässlich seines 80. Geburtstages 1995 erlebte das Werk des Dichters eine beachtenswerte Renaissance. Mehrere Ausstellungen und Lesungen fanden statt, die letzte mit dem Künstler selbst, ein Jahr vor seinem Tod, im November 2002 in Müllheim. Der Drey-Verlag, Gutach, übernahm den Vertrieb seiner Bücher. Edgar Reitz kaufte die Filmrechte am Buch für seine Serie „Heimat“.
Quellen: ca. 2 500 Gemälde, die meisten in Privatbesitz, Katalog im Familienbesitz; Nachlass bei d. Tochter Christiane, c.ahlswede@web.de.
Werke: „Aus dem Wanderleben des Tomas Balder“, Erzählung, 1948; Moderne Kunst u. Publikum, Essay in „Der Höllhof“, H. 1 vom Januar 1949; Der Taschenkrebs, Erzählung (Pseudonym Paul Friedrich), in: „Die Erzählung“, Jb. 1950; Aber die Liebe baut Brücken, Gedichte, Sendung im Südwest Funk, Freiburg, vom 7.12.1950; Das Haus mit Ciella, Erzählung, Radio SWF vom 18.1.1951; „In Raum u. Zeit“, Lyrik u. Prosa, 1978; Zur Frage nach dem Wesen des Menschen – Beiläufige Notizen aus Erfahrungen u. Intuitionen, 1984; Der Berg, Roman, 1984; Lappland-Tagebuch 1941, 1985; Gedichte 1936-1948, 1993.
Nachweis: Bildnachweise: im Nachlass (vgl. Quellen).

Literatur: Hermann Glaser, Mordrausch u. Unberührtheit, (Rezension des Lappland-Tagebuchs), in: Die Zeit vom 27.6.1986; Markus Manfred Jung, „Über das Wesen des Menschen“, in: BZ, Ausg. Lörrach, vom 19.4.1995; Farbe u. Licht, Wort u. Gedanke – Begegnungen des Schriftstellers Markus Manfred Jung mit dem Maler u. Schriftsteller P. Hübner, in: „W – Perspektive Weil“, Stadtmagazin d. Stadt Weil am Rhein Nr. 1.
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