Quadbeck, Günter Karl Friedrich Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 27.08.1915; Dortmund
Sterbedatum/-ort: 25.06.2004;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Chemiker, Neurochemiker
Kurzbiografie: 1921–1934 Dt. Schule in Den Haag bis 1922, dann Volkschule bis 1925 u. Kaiserin-Friedrich-Gymnasium in Bad Homburg vor d. Höhe; Abitur im Febr. 1934 mit Note „gut“
1933 V 1 Eintritt in die NSDAP
1934–1942 III 25 Chemiestudium an d. Univ. München, WS 1934/35, SS 1935, WS 1937/38-SS 1939, WS 1940/41 u. WS 1941/42 bis Diplomprüfung, unterbrochen von Wehr- u. Militärdienst
1935 X–1937 IX Wehrdienst
1939 VIII–1944 VII Militärdienst; 1940 Fallschirmschützenabzeichen, 1941 EK II. Kl.
1942 XI–1959 X Wiss. Hilfskraft, ab Juni 1948 Wiss. Assistent am Chemischen Institut des Kaiser-Wilhelm- bzw. Max-Planck-Instituts für medizin. Forschung in Heidelberg
1945 III 25 Promotion zum Dr. rer. nat. an d. Univ. Heidelberg: „Untersuchungen über Ester“ mit Note „sehr gut“
1955 XII–1960 IV Studium d. Medizin an d. Univ. Heidelberg
1959 I 22 Habilitation für Biochemie an d. Medizin. Fakultät d. Univ. Heidelberg: „Der Stoffwechsel zwischen Blut u. zentralnervösem Gewebe“; Probevortrag: „Thixotrope Eigenschaften biologischer Strukturen“
1959 X 12–1965 XI Umhabilitation für Neurochemie an d. Medizin. Fakultät d. Univ. des Saarlands u. Dozent, ab Aug. 1964 apl. Professor; gleichzeitig Leiter des Neurochemischen Laboratoriums, ab April 1964 d. Neuro-Chemischen Abteilung an d. Psychiatrisch-Neurologischen Uniklinik in Homburg
1965 IX–1980 IX o. Professor d. Pathologischen Chemie u. Direktor des Instituts für Pathochemie u. Allgemeine Neurochemie am Pathologischen Institut d. Univ. Heidelberg
1970 I–1974 IX Dekan d. Medizin. Gesamtfakultät u. d. Fakultät für Theoret. Medizin
1974 X–1979 IX Prorektor d. Univ. Heidelberg
1974 XI Dr. med. d. Medizin. Fakultät Heidelberg aufgrund seiner 110 wiss. Arbeiten auf dem Gebiet d. Biochemie u. Medizin
1980 IX 30 Emeritierung auf eigenen Antrag
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Max-Bürger-Preis d. Dt. Gesellschaft für Gerontologie u. Geriatrie (1968); Bundesverdienstkreuz am Bande (1981); Ehrenmitglied d. Hirnliga e.V. (1993)
Verheiratet: 1942 (Grünwald bei München) Irmgard, geb. Ringelmann (1919–1997), Hausfrau
Eltern: Vater: Otto Wilhelm Ludwig (1875–1922), Kaufmann, Fabrikant
Stiefvater (ab 1951 Adoptiv-Vater): Paul Friedrich Arthur (1869–1968), Kaufmann, Fabrikant
Mutter: Valentine Elisabeth (Ella), geb. Bedbur (1885–1972),Hausfrau
Geschwister: 2; Otto Heinrich Paul Eduard (1914–1985), Kaufmann, u. Ingeborg (geboren 1912).
Kinder: 3;
Heinz (geboren 1943), Dr. med., Psychiater,
Jost (geboren 1945), Dr. med., Internist,
Christa (1946–2001)
GND-ID: GND/133311899

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 378-382

Der in Dortmund geborene Quadbeck verbrachte seine ersten Lebensjahre in Den Haag, weil sein Vater 1916 samt Familie in die Niederlande umgesiedelt war, um von dort aus Lebensmittelexporte nach Deutschland zu organisieren. Wegen der angeschlagenen Gesundheit des Vaters kehrte die Familie 1922 nach Deutschland zurück und wählte als Wohnsitz den Kurort Bad Homburg vor der Höhe. Quadbecks Vater starb dennoch kurz darauf und seine Mutter heiratete bald den Bruder ihres verstorbenen Mannes, der seine „Stiefsöhne“ 1951 adoptierte.
In Bad Homburg besuchte Quadbeck das renommierte Kaiserin-Friedrich-Gymnasium. Anfang 1932 schloss er sich der Hitlerjugend an und bereits im Mai 1933 trat er in die NSDAP ein. Er hatte aber keinerlei Funktionen inne und wurde Ende 1939 wegen kritischer Bemerkungen in einem Brief aus Polen an seinen Bruder in Spanien sogar aus der Partei ausgeschlossen. Dank einer Amnestie kam er ohne gerichtliche Strafe davon (A d. Max-Planck-Ges., II. Abt. Rep. 23, Nr. 51, Lebenslauf Quadbeck 1946).
Anfang 1934 beendete Quadbeck seine Schulbildung. Seine Leistungen waren in Physik und Chemie mit „sehr gut“, in anderen mit „gut“, in Griechisch, Geschichte, Musik und Kunst mit „genügend“ bewertet. „Günter Quadbeck will Chemiker werden“ steht am Ende des Reifezeugnisses. Hierzu ergänzte sein Sohn Heinz: „Naturwissenschaftliche Interessen wurden offensichtlich […] durch einen exzellenten Physikunterricht geweckt, den Günter Quadbeck durch die Teilnahme an einer zusätzlichen Physikalischen Arbeitsgemeinschaft ergänzte. […]Demgegenüber war der Chemieunterricht […] wohl eher bescheiden, jedoch hatte mein Vater die Möglichkeit, im Keller des elterlichen Hauses ein kleines Labor einzurichten und erste Erfahrungen zu sammeln“ (Brief vom 14.1.2014).
Vor dem Studium musste Quadbeck erst vom Juni bis Mitte Oktober 1934 im „Arbeitsgau Wiesbaden“ seine „Abiturientenpflicht“ in der Landwirtschaft erfüllen. Dann durfte er sich an der Universität München immatrikulieren und eine erstklassige chemische Schule durchlaufen. Direktor des Chemischen Instituts war der Nobelpreisträger Heinrich Wieland, anorganische Chemie unterrichtete Otto Hönigschmid (1878–1945), der Pionier auf dem Gebiet der Atomgewichtsbestimmungen, physikalische Chemie der weltberühmte Kasimir Fajans.
Nach zwei Semestern wurde Quadbecks Studium zum ersten und nach seiner Rückkehr und weiteren drei Semestern zum zweiten Mal durch Militärdienst unterbrochen. Im August 1939 begann dann sein Wehrdienst; Quadbeck war bis Februar 1940 Führer einer Munitionskolonne in Polen, danach in einer Fallschirmjägereinheit, die an der Luftlandeoperation auf Kreta teilnahm. Beim Absprung über Kreta 1941 wurde Quadbeck in der Luft beim Flak-Beschuss durch Granatsplitter verletzt. 1943 war er hauptsächlich Rekruten-Ausbilder in Deutschland und Frankreich.
Quadbeck galt als guter Soldat und wurde schon im Herbst 1937 Unteroffizier. Während des Krieges erhielt er das Eiserne Kreuz. Er wurde aber nie befördert, offensichtlich erschien es ihm wichtiger, Studienurlaub zu erhalten. So konnte er im März 1942 dann sein Chemiestudium in München mit der Diplomprüfung abschließen. Seinen nächsten Urlaub benutzte er, um ab November 1942 im Heidelberger Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung wissenschaftliche Hilfskraft und Doktorand bei Richard Kuhn zu werden. In Kuhns Institut war schon 1941 eine „Kampfstoffabteilung“ eingerichtet worden, um die Wirkungsweise der neuen Nervengase Tabun und Sarin zu klären. Außer Arbeiten über die Synthese notwendiger organischer Stoffe, denen seine ersten Publikationen gewidmet sind, musste Quadbeck bald den Bereich der Biochemie bearbeiten. Eine seiner Aufgaben bestand in der Überprüfung, ob die zyklischen Kohlenwasserstoffe Cyclooctatetraen und Cyclodecapentaen therapeutische Wirkung zur Behandlung von durch Senfgas bewirkten Hautverletzungen hätten, wie Tierversuche vermuten ließen. Die nächste Aufgabe erwies sich für die wissenschaftliche Weiterentwicklung Quadbecks bald als entscheidend. Sie bildete die Grundlage seiner Doktorarbeit und bestimmte letztlich ein Hauptgebiet seiner weiteren Forschungen, die Wirkungen chemischer Substanzen und Pharmaka auf Gewebe besonders des Zentralnervensystems und deren pathologische Veränderungen. Es handelte sich um Versuche zur Erforschung der Wirkweise der Nervengase Tabun, Sarin und später auch des von Kuhn entdeckten Soman und deren Verhinderung durch Vitamin E. Im April 1943 wurde Quadbeck nochmals eingezogen, dank Kuhns Bemühungen aber beurlaubt und im August 1944 als UK entlassen. Nun betraute ihn Kuhn mit der Forschung des enzymatischen Abbaus dieser Nervengase, wovon Quadbecks Doktorarbeit handelte.
Bestimmungsgemäß waren keine Doktoranden Kuhns zur Promotion in Heidelberg zugelassen. Im März 1945 konnte Kuhn jedoch die Ausnahmegenehmigung für Quadbecks Promotion erwirken. Ohne jeglichen Bezug zum Inhalt betonte er in seinem Referat über diese Doktorarbeit, dass der Dissertant „präparativ und analytisch schwierige Probleme mit Erfolg zu bearbeiten versteht und die Ergebnisse der eigenen Versuche auch vom theoretischen Standpunkte klar darzustellen vermag“ (A d. Max-Planck-Ges., II. Abt. Rep. 23, Nr. 51). Das Referat des Direktors des Chemischen Instituts der Universität, Karl Freudenberg liegt nicht mehr vor. Die Promotion wurde mit der Gesamtnote „sehr gut“ bewertet. Quadbecks Dissertation wurde dann unter dem nichtssagenden Titel „Untersuchungen über Ester“ – alle drei genannten Kampfstoffe gehören zu phosphororganischen Estern – als „geheime Arbeit“, so im Promotionsprotokoll, in nur zwei Exemplaren gefertigt. Über diese Arbeit berichtete Quadbeck erst 1980, als er über die Entdeckung des äußerst wirksamen Kampfstoffs Soman von R. Kuhn bemerkte: „Die Dissertation von Quadbeck wurde nach Vorlage bei den Referenten durch das Heereswaffenamt beschlagnahmt“ (Pathochemie, 1980, 202f.). Vermutlich wurden beide Exemplare später durch Briten und Russen requiriert. Nicht nur mit dieser Ausnahmepromotion hatte Quadbeck ungemein Glück. Schon eine Woche später war Heidelberg durch Amerikaner besetzt und jegliche wissenschaftliche Arbeit verboten. Kuhn aber wurde bereits im Juli 1945 erlaubt, Forschungsarbeiten in seinem Institut wiederaufzunehmen, nun aber um Medikamente herzustellen. Quadbeck, nach einer politischen Überprüfung als „Mitläufer“ eingestuft (UA Heidelberg, PA 5371), durfte weiter arbeiten und zunächst die Toxizität und pharmakologischen Eigenschaften von Dibromsalizyl untersuchen, einer sehr wirksamen bakteriostatischen, d.h. Vermehrung von Bakterien hemmenden Substanz, die im Institut synthetisiert worden war. Danach betrieb er toxikologische Untersuchungen pharmazeutischer Lösungsmittel. „Nebenprodukt“ dieser Forschungen war die Entwicklung einer effektiven Apparatur zur Herstellung von Keten (CH2CO), der Substanz für die Durchführung der sogenannten Acetylierung, d. i. der Einführung der Gruppe CH3COO in ein organisches Molekül, bei organischen Synthesen.
Von besonderer Reichweite, auch für Quadbeck selbst, erschienen seine Forschungen über Stoffwechsel zwischen Blut und Gewebe, vor allem zentralnervöser Gewebe, die er zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung durchführte. Denn seitdem trug Quadbeck maßgeblich zur Erkenntnis der Permeabilität von Kapillaren, die das Gehirn mit Blut versorgen, und damit zum besseren Verständnis der Funktion der „Blut- Hirn-Schranke“ bei.
Quadbecks Arbeit auf diesem Grenzgebiet zwischen Chemie und Biologie brachte ihn auf die Idee, sich an der Medizinischen Fakultät für das Fach Physiologische Chemie zu habilitieren, wozu die Fakultät aber ein abgeschlossenes medizinisches Studium forderte. Mit bewundernswerter Tatkraft nahm Quadbeck auch diese Hürde, obwohl eine Immatrikulation von Berufstätigen nicht erlaubt war. Kuhn unterstützte Quadbeck und erklärte sich damit einverstanden, dass Quadbeck sein Medizin-Studium neben seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent durchführte. „Die zum Studium erforderliche Freizeit wird Dr. Günter Quadbeck zur Verfügung stehen“ (UA Heidelberg, Studentenakte Quadbeck 1955–1960). Quadbecks Immatrikulationsgesuch wurde durch den Rektor Klaus Schäfer „ausnahmeweise genehmigt“ (ebd.). Im Alter kommentierte Quadbeck knapp, dass sein Medizin-Studium „eine erhebliche zeitliche Belastung mit sich brachte“ (1993, 62). Wie erfolgreich er darin war, belegt die Habilitationserlaubnis der Medizinischen Fakultät für Quadbeck noch vor dem Abschluss des Studiums. Quadbecks Schrift „Der Stoffwechsel zwischen Blut und zentralnervösem Gewebe“ existiert lediglich als Typoskript, der Habilitationsvorgang Quadbecks ist nicht überliefert; sicher ist nur, dass die Venia legendi am 22. Januar 1959 erteilt war. Im Wintersemester 1958/59 und Sommersemester 1959 war Quadbeck gleichzeitig Student und Dozent, der zwei Stunden pro Woche „Einleitung in die dynamische Biochemie“ las. Die ärztliche Staatsprüfung konnte Quadbeck im Juli 1960 ablegen.
Längst hatte sich für ihn da die Universität des Saarlands als neue Perspektive eröffnet. Diese1948 gegründete Hochschule erlebte nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik 1957 eine Zeit intensiver Entwicklung. Besonders die Universitätskliniken im Landeskrankenhaus Homburg (Saar) entwickelten sich rasch. Hans Hermann Meyer (1909–2000), seit 1958 Ordinarius für Psychiatrie und Neurologie und Direktor der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik, sah im damals bereits anerkannten Forscher Quadbeck den besten Kandidaten für die Leitung des neu zu errichtenden Laboratoriums für Neurochemie. Quadbeck nahm das Angebot an; denn so konnte er „in unmittelbarem Kontakt mit der Klinik die in Heidelberg begonnenen Arbeiten“ weiterführen (Lebenslauf vom 30.1.1964; UA Heidelberg, H-III-580/5). Die Umhabilitation Quadbecks bei der Medizinischen Fakultät in Homburg Mitte Oktober 1959 war eine eher formelle Prozedur. Das Ministerium verlangte aber auch ein Zeugnis über die Vordienstzeit, das R. Kuhn schrieb, was einmal mehr erkennen lässt, wie sehr die 16-jährige Arbeit mit dem großen Gelehrten Kuhn Quadbecks Laufbahn und seine Forschungen prägte. Quadbeck schrieb 1967 zwei Nachrufe auf Kuhn, sein 1985 veröffentlichter Artikel gilt als eines der besten Portraits von Kuhn.
Im Herbst 1959 siedelte Quadbeck mit der Familie nach Homburg (Saar). Die ersten vier Semester las er zwei Stunden wöchentlich eine „Einführung in die Neurochemie“, danach, noch sieben Semester lang, „Biochemische Grundlagen zentralnervöser Erkrankungen“. Außerdem lehrte er damals ganztägig das wissenschaftlichen Arbeiten im Laboratorium der Neurochemie.
Die wissenschaftliche Tätigkeit Quadbecks war auf die Erforschung von Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke bei psychischen Erkrankungen gerichtet. Quadbeck suchte Möglichkeiten, diese Veränderungen durch Psychopharmaka zu beeinflussen. Er sprach darüber beim Weltkongress für Psychiatrie in Montreal im Juni 1961 und beim Internationalen Neurochemischen Symposium in Göteborg im Juni 1962. Etwa gleichzeitig begann auch seine Beschäftigung mit der Geriatrie. Quadbeck schlug vor, Pyrrithioxin, ein Derivat von Vitamin B6, zu verwenden, um den Glukoseübergang vom Blut ins Gehirn zu erhöhen (u.a. 1962, 152), was später klinisch bestätigt wurde.
Dank seiner erfolgreichen Tätigkeit wurde Quadbeck zum Abteilungsleiter befördert. Der eigentlich damit verbundene Titel eines außerplanmäßigen Professors wurde jedoch nicht verliehen, weil eine sechsjährige Lehrtätigkeit dazu erforderlich war. Die Professur war erst 1964 möglich. Inzwischen aber waren Ordinariat und Institut für Pathologische Chemie in Heidelberg errichtet und Quadbeck von der Berufungskommission „primo loco“ nominiert. Er nahm den Ruf nach Heidelberg Anfang Oktober 1965 an, war aber bereit, die Leitung seiner höchst spezialisierten Abteilung in Homburg noch einige Monate weiter zu führen, bis ein Nachfolger gefunden wäre.
In Heidelberg übernahm Quadbeck die Kapitel über Pathochemie in der Hauptvorlesung „Allgemeine Pathologie“ von Professor Wilhelm Doerr (1914–1996), woraus ein von beiden verfasstes Lehrbuch (1970) entstand und ab dem Wintersemester 1974/75 die Vorlesung „Pathophysiologie und Pathobiochemie“, die Quadbeck und seine Mitarbeiter bis zum Sommersemester 1979 abhielten. Wie in Homburg las Quadbeck außerdem über „Biochemische Grundlagen zentralnervöser Erkrankungen“, zudem über „Technik der Pathochemie“ und „Ausgewählte Kapitel aus der Pathochemie unter besonderer Berücksichtigung des Zentralnervensystems“. Dies waren keine Pflichtvorlesungen für Studierende. Der Schwerpunkt der Tätigkeit Quadbecks lag in der Forschungsarbeit, die Fortführung war von früheren Fragestellungen zur Blut-Hirn-Schranke.
Unter den Ergebnissen ragen eine neue Methode für die elektroenzephalographische Kontrolle von medikamentösen Wirkungen auf Sauerstoffmangel im Hirn heraus, die Quadbeck in Tierexperimenten entwickelte, und eine gaschromatographische Methode zur Messung der Hirndurchblutung bei Menschen. Damit traten die Probleme der Gerontologie allmählich in den Vordergrund seiner Arbeit. Quadbeck mühte sich bald, Belange der Gerontologie in die Öffentlichkeit zu tragen. Im Oktober 1973 hielt er beim Symposium über Gerontopsychiatrie einen Vortrag über biochemische Methoden der Früherfassung zerebraler Gefäß-Prozesse, die in Heidelberg erarbeitet wurden, und setzte sich dafür ein, dass „an anderen Stellen Deutschlands solche Untersuchungsstellen aufgebaut werden sollten, um die für eine notwendige allgemeine Anwendung erforderlichen Erfahrungen zu sammeln“ (1974, 313 f.). Diesen Beitrag schloss die ironische Bemerkung: „Die Orientierung am psychopathologischen Bild ist heute für eine systematische cerebrale Therapie ebenso wenig ausreichend wie das Fieberthermometer als alleiniges Diagnostikum einer Infektionskrankheit“ (ebd.).
Bald danach wurde Quadbeck Prorektor der Universität, dem „zur ständigen Erledigung“ drei Geschäftsbereiche übertragen waren: Verwaltungsrat, Forschung und Graduiertenförderung. Wissenschaftsorganisation trat an die Stelle der Forschung. Besonders die ständige Vertretung des Rektors im Vorsitz des Verwaltungsrats wurde ihm „eine verantwortungsvolle, aber auch zeitraubende Tätigkeit“ (1993, 65). Sein Dienst fiel in die Zeit nach der Teilung der überkommenen fünf in vorübergehend 16 Fakultäten, was viel Unruhe mit sich brachte. „Ein besonderes Verdienst Quadbecks kann darin gesehen werden, dass er zu den Wenigen zählte, die in dieser Zeit unbeirrt eine klare Position bezogen und Rückgrat zeigten“ (Berlet/Hoyer, 1981, S. 199). Noch vor Ende seiner Dienstzeit als Prorektor beantragte Quadbeck für das Wintersemester 1979/80 ein Forschungssemester, um die von ihm betreuten Arbeiten abzurunden. Als dies erledigt war, ließ sich der 66-jährige emeritieren.
Auch im Ruhestand pflegte Quadbeck Kontakte zu Kollegen, verfolgte die wissenschaftliche Weiterentwicklung und besuchte Veranstaltungen der Universität. Er galt als erfahrener Segler und zusammen mit seiner Frau segelte er viel in den ersten zehn Jahren seines Ruhestandes. Bis ins achtzigste Lebensjahr blieb er auch ein leidenschaftlicher Motorradfahrer. Fast 89-jährig verstarb er.
Vom Beginn seiner Berufslaufbahn an war Quadbecks Arbeit auf die Wirkungen chemischer Stoffe bei biologischen Prozessen in lebendigen Organismen konzentriert. Die chronologische Liste seiner knapp 120 Publikationen spiegelt seinen Weg „von der Organischen Chemie zur Gerontologie“, wie er als Emeritus seine wissenschaftliche Autobiographie betitelt hat. Den Kern seines Lebenswerks aber stellt die weitgehende Klärung der Funktion der „Blut-Gehirn-Schranke“ dar. Auf Quadbecks Erkenntnisse geht zurück, dass der schon um 1885 auftauchende Begriff international als „The blood-brain barrier“ Aufnahme fand, wenn man so will, zur „Quadbeck-Schranke“ wurde.
Quellen: A d. Max-Planck-Gesellschaft, Berlin II. Abt. Rep. 23, Nr. 51, Unterlagen Quadbeck; UA Heidelberg Studentenakte Quadbeck, 1943–1944, H-V-306/2, Promotionsakte Quadbeck, Studentenakte Quadbeck, 1955–1960, H-III-201/3, H-III-201/4, Akten d. Medizin. Fakultät, 1958–1965, H-III-580/5, Akten des Pathologischen Instituts, PA 5371, PA 9039, Personalakten Quadbeck, Rep. 27/1706 Akademische Quästur Quadbeck, Akten d. Zentralen Universitätsverwaltung Heidelberg Nr. 1120, Prorektorat Quadbeck; UA des Saarlands PN 92285, Personalakte Quadbeck, u. Auskunft vom 5.12.2013; Auskünfte aus dem StA Wiesbaden vom 30.12.2013 u. dem Archiv des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums, Bad Homburg, vom 15.1.2014; Briefe von Dr. Heinz Quadbeck vom 14., 19., 21. u. 24.1.2014.
Werke: (mit R. Kuhn) Synthetische Darstellung von Lanthionin, in: Berr. d. Dt. Chemischen Gesellschaft 76, 1943, 527 f.; (mit R. Kuhn u.E. Röhm) Zur Synthese des meso-Inosits, in: Annalen d. Chemie 565, 1949, 1–6; Prüfung von Dibromsalicil im Tierversuch, in: Klinische Wochenschr. 27, 1949, 449-452; Physiologische Wirkungen d. Leukonsäure, in: Zs. für physiolog. Chemie 285, 1950, 83-90; (mit H. Becker) Vitalversuche am Zentralnervensystem mit Triphenyltetraazoliumchlorid, in: Die Naturwissenschaften 37, 1950, 565-567; Leistungsfähiger Keten-Generator für Laboratoriumszwecke, in: Chemie – Ingenieur – Technik 24, 1952, 210f.; (mit H. Becker) Tierexperimentelle Untersuchungen über die Funktionsweise d. Blut-Hirnschranke, in: Zs. für Naturforschung 7b, 1952, 493-497; (mit H. Becker) Untersuchungen über Funktionsstörungen d. Blut-Hirn-Schranke bei Sauerstoffmangel u. Kohlenoxydvergiftungen mit dem neuen Schrankenindikator Astraviolett FF, ebd., 498-500; (mit K. Randerath) Wirkung von Rutin auf die Blut-Hirnschranke, ebd. 8b, 1953, 370-374; (mit R. Kuhn u.E. Röhm), 2-Acetonyl-thiazolin, in: Berr. d. Dt. Chemischen Gesellschaft 86, 1953, 468-472; Keten in d. präparativen organischen Chemie, in: Angewandte Chemie 68, 1956, 361-370; (mit E. Röhm) Zur Synthese von Aminocycliten, in: Berr. d. Dt. Chemischen Gesellschaft 89, 1956,1645-1648; (mit J. Hallervorden) Die Hirnschütterung u. ihre Wirkung auf das Gehirn, in: Dt. medizin. Wochenschr. 82, 1957, 129-134; (mit H. Helmchen) Die Blut-Hirn-Schranke, ebd., 1377-1382; Der Stofftransport durch biologische Membranen, in: Die Medizinische Nr. 37, 1957, 1685-1689; (mit A. S. Kainarou) Untersuchungen über den Grundvorgang d. Commotio cerebri, ebd. Nr. 47, 1988-1991; (mit H. Helmchen) Krampfbereitschaft u. Blut-Hirn-Schranken-Permeabilität, in: Dt. Zs. für Nervenheilkunde 177, 1958, 295-308; (mit W. Schmitt) Zum Wirkungsmechanismus neuroplegischer Substanzen, in: Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie 237, 1959, 94-103; (mit P. B. Diezel) Nervenschädigung durch p-Bromphenylacetyl-Harnstoff, ebd. 238, 1960, 534-541; (mit W. Sachsse) Beeinflussung d. Blut-Hirn-Schranke durch Neuroleptien im Dauerversuch, in: Archiv für Psychiatrie u. Zs. für die gesamte Neurologie 201, 1961, 580-592; Blut-Hirn-Schranke u. Hirnernährung, in: Münchner medizin. Wochenschr. 104, 1962, 24-26; (mit H. R. Landmann, W. Sachsse u. L. Schmidt) Der Einfluss von Pyrithioxin auf die Blut-Hirn-Schranke, in: Medicina experimentalis 7, 1962, 144-154; Influence of psychotropic drugs on the blood-brain-barrier, in: Neuro-Psychopharmacology 3, 1964, 436-439; (mit W. Schmitt) Klinisch-psychopathologische u. tierexperimentelle Untersuchungen zur Frage d. chronischen Phenmetrazin-Intoxikation, in: Arzneimittel-Forschung 16, 1966, 247-249; Physiologie u. Pathologie d. Blut-Hirn-Schranke, in: Hippokrates 38, 1967, 45-53; Richard Kuhn †, in: Ruperto Carola 42, 1967, 120f.; Professor Dr. Dr. h. c. mult. Richard Kuhn (1900–1967), in: Fortschritte d. Medizin 85, 1967, 689; Pathochemie d. Alterungsvorgänge im Gehirn, in: Verhandll. d. Dt. Gesellschaft für Pathologie 52, 1968, 64-74; (mit W. Doerr) Allgemeine Pathologie, 1970, 2. Aufl. 1973; (mit D. Quadbeck) Der Einfluss des Süßstoffes Natriumzyklamat auf das Stoffwechsel-geschädigte Gehirn, in: Zs. für Gerontologie 3, 1970, 24-30; Die Ernährungsstörungen des menschlichen Gehirns im Alter, in: D. Platt, H.-C. Lasch (Hgg.), Molekulare u. zellulare Aspekte des Alterns, 1971, 231-240; (mit G. Krüger) Das Sauerstoffmangel- Elektroenzephalogramm d. Ratte als Indikator für eine medikamentöse Beeinflussung des Hirnstoffwechsels, in: Arzneimittel-Forschung 22, 1972, 451-456; Die Technik d. objektiven Früherfassung cerebraler Gefäßprozesse, in: Gerontopsychiatrie Bd. 3: 3. Symposion d. gerontopsychiatrischen Arbeitsgemeinschaft, 1974, 310-315; (mit H. Niederländer u. H.-J. Zimmermann) Rechenschaftsbericht[e]des Rektors über die Zeit vom April 1974 bis März 1979, in: Ruperto Carola 55/56, 1975, 7-14, 57, 1976, 5-23, 61, 1978, 5-22, 62/63, 1979, 5-24; Pathochemie, in: V. Becker, K. Goerttler, H. H. Jansen (Hgg.): Konzepte d. theoret. Pathologie, 1980, 197-203; Richard Kuhn (1900-1967), in: Semper apertus Bd. 3, 1985, 55-72; Von d. organischen Chemie zur Gerontologie, in: O. M. Marx, A. Moses (Hgg.), Emeriti erinnern sich, Bd. 1, 1993, 57-67.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1955–1959), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 372, Besitz des Sohnes Heinz – UA Heidelberg Pos I 002352, 1975, Pos I 002353, 1974, Pos I 006822, 2003, Pos I 04085 bis 04090, Gruppenfotos 1979, in Studentenakte Quadbeck 1955–1960, Foto ca. 1955; Das Klinikum d. Univ. Heidelberg u. seine Institute, 1986, Bildteil vorletzte Seite; O. M. Marx, A. Moses (Hgg.), Emeriti erinnern sich, Bd. 1, 1993, 54.

Literatur: H. Berlet, S. Hoyer, Günter Quadbeck 65 Jahre, in: Ruperto Carola 33, 65/66, 1981, 199; S. Hoyer, Obituary – Günter Quadbeck, in: Journal of Neural Transmission vol. 111, 2004, 1509f.; Florian Schmaltz, Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus, 2005, 429f., 485, 488-490, 492-497, 506f., 518f.; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933–1986, 2009, 477.
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