Schill, Lambert 

Geburtsdatum/-ort: 07.07.1888;  Merzhausen bei Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 13.12.1976;  Merzhausen
Beruf/Funktion:
  • Landwirt, Z/CDU-Agrarpolitiker, MdL, MdB, Staatsminister a. D.
Kurzbiografie: 1903-1905 In zwei Winterhalbjahren Landwirtschaftsschule in Freiburg i. Br.
1912 Bezirksvorstand des Badischen Bauernvereins
1914-1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg; Eisernes Kreuz I. und II. Klasse, Badische Silberne Verdienstmedaille
1920 Übernahme des elterlichen 10 ha großen bäuerlichen Betriebes
1921 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung
1921-1925 und 1929-1933 Mitglied des Badischen Landtags, Zentrumspartei
1922 Vizepräsident des Badischen Bauernvereins und der Landwirtschaftskammer Badens
1929-1933 Präsident des Badischen Bauernvereins
1946 Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung Badens
1946-1964 Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV)
1947-1948 Staatsminister für Landwirtschaft und Ernährung in Baden (französische Zone)
1949-1956 Mitglied des Deutschen Bundestags für die CDU/CSU-Fraktion
1954 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, mit Stern 1965
1956-1964 Präsident des Badischen Raiffeisenverbandes; Ehrensenator der Universität Hohenheim
1963 Commandeur des Mérites Agricoles
1964 Ehrenpräsident des BLHV und des Badischen Raiffeisenverbandes und Ehrenbürger der Gemeinde Merzhausen
1976 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1910 Josefine, geb. Kälber
Eltern: Vater: Josef Schill (1857-1921), Bauer und Bürgermeister in Merzhausen
Mutter: Agathe, geb. Rees (1863-1941)
Kinder: 14
GND-ID: GND/133749738

Biografie: Clemens Seiterich (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 318-320

Schill zählt zu den großen und führenden deutschen Agrarpolitikern seiner Generation. Sein politisches, insbesondere agrarpolitisches Wirken hat er Zeit seines Lebens als Dienst am Nächsten, an der Landwirtschaft seiner engeren und weiteren Heimat aufgefaßt. Sein Leben gestaltete er aus einem tiefen religiösen Bewußtsein heraus. Der Ehe mit Frau Josefine entsprossen 14 Kinder, wovon drei Söhne im letzten Weltkrieg gefallen sind und einer schwer kriegsversehrt heimkehrte. Der Badische Bauernverein hat im jungen Schill seine vielseitige Begabung und sein großes Interesse an politischer Betätigung entdeckt und dann auch gefördert. Mit seiner Wahl zum Bezirksvorstand deutete sich eine steile Karriere an. Unterbrochen wurde sie durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Als Offiziersstellvertreter wurde er mit den beiden Eisernen Kreuzen und der Badischen Silbernen Verdienstmedaille (dem „Badischen Pour le Mérite“) ausgezeichnet.
Zur Wahl zum Präsidenten des Bauernvereins 1929 hatte er sich keineswegs gedrängt. Für Schills ehrliche, offene und bescheidene Art sprach es, daß er vor der Generalversammlung bekannte, daß es zwei Sachverhalte ihm eigentlich verböten, dieses Amt in einer krisengeschüttelten Zeit zu übernehmen: die familiären Verhältnisse und die mangelhafte Existenzgrundlage seines kleinbäuerlichen Betriebes. Aber er packte zu. Er wurde in die deutsch-französische Wirtschaftskommission berufen. In Aussprachen der „Grünen Front“ mit Reichskanzler Brüning fungierte er als Sprecher der überwiegend kleinbäuerlichen Landwirtschaft des südwestdeutschen Raumes. Als Bauernvereinspräsident und als maßgeblicher Agrarsprecher im Landtag kam es ihm auf die möglichst konfliktfreie und konstruktive Wahrnehmung der bäuerlichen Interessen in Baden an. Davon hielten ihn Behinderungen, vor allem von parteipolitisch rechts- und linksextrem eingestellten Gruppierungen, nicht ab. Den vermeintlichen Schlußpunkt aber setzte die am 30. Januar 1933 an die Macht gekommene NSDAP, indem sie im Juli des gleichen Jahres die Auflösung bzw. die zwangsweise Eingliederung des Bauernvereins sowie des Landbundes und der Landwirtschaftskammer in den Reichsnährstand verfügte. Schill war danach nur noch mit der Liquidation der Vereinigung der deutschen christlichen Bauernvereine befaßt. Die mit großer Mehrheit erfolgte Wahl zum Bürgermeister seiner Heimatgemeinde im Herbst 1933 durfte er nicht annehmen. Nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20.7.1944 war er mehrere Wochen lang in Haft.
Schill half 1945/46 sehr entscheidend mit, den BLHV als freie, überkonfessionelle und überparteiliche, einheitliche Interessensvertretung der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und des Weinbaus zu gründen. Schill wurde sein erster Präsident. Ein Jahr darauf berief ihn Staatspräsident Leo Wohleb zum Minister für Landwirtschaft und Ernährung. In diesem Amt sorgte er in erster Linie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln, der damals herrschenden Hungersituation Herr zu werden und die Lasten zu mildern, die von manchen Maßnahmen der Besatzungsmacht ausgingen. Auch kam es ihm darauf an, im Zuge der damals allgemein herrschenden Agrarreformbestrebungen eine gesetzliche Regelung zu erwirken, die der kleinbäuerlichen badischen Landwirtschaft und den kleinen waldarmen Gemeinden besonders zugute kommen sollte.
Da der Staatspräsident die Auffassung seines Landwirtschaftsministers nicht teilte, legte er dem Kabinett einen Entwurf eines Agrarreformgesetzes vor, der von einem von ihm berufenen „Vier-Männer-Kollegium“ ausgearbeitet worden war. Dieser Konzeption wollte Schill sich jedoch nicht anschließen, er meinte, das Vertrauen des Staatspräsidenten nun nicht mehr zu besitzen und demissionierte am 27. Januar 1948, führte jedoch die Ministergeschäfte bis zum 14. Juli 1948 – bis zur Einführung des Nachfolgers – weiter; mit Schill sind auch die sozialdemokratischen Staatsminister, Wirtschaftsminister Dr. Leibrand und Justizminister Dr. Nordmann zurückgetreten.
Schill ist Ende der 40er Jahre mit Nachdruck für die raschmöglichste Beseitigung aller zwangswirtschaftlichen Maßnahmen gegenüber der Land- und Forstwirtschaft eingetreten. Besonnen verfocht er ihre Einführung in die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft, wobei es ihm vor allem darum ging, die Strukturschwäche der südwestdeutschen Landwirtschaft und ihre „sozialen Nachholbedürfnisse“ auszugleichen. Seine „Handschrift“ ist auch in manchen Maßnahmen zu finden, die den Wiederaufbau zerstörter Dörfer entlang des Rheines und die Schlingenlösung des Rheinseitenkanals bezweckten. Die Fortsetzung des Baues der Bundesautobahn durch die Rheinebene nach Süden und die Anlage von drei Nato-Flugplätzen veranlaßten ihn, für eine bevorzugte und schwerpunktmäßige Aufbereitung der Flurprobleme im Rheintal einzustehen. Als Abgeordneter des Deutschen Bundestages hatte er maßgeblichen Anteil an der Erarbeitung und Durchführung der vier landwirtschaftlichen Marktgesetze, des Landwirtschaftsgesetzes und des Grünen Planes.
Schill arbeitete als Präsident des BLHV und des Badischen Raiffeisenverbandes sehr eng mit dem Deutschen Bauernverband und dem Deutschen Raiffeisenverband zusammen. Gleichzeitig schuf er sich „Spielraum“, um zu allen maßgeblichen Stellen in der Bundesrepublik „einen direkten Draht“ zu legen und zu pflegen. Galt es doch nach wie vor, immer wieder die besondere standörtliche und strukturelle Schwäche der Landwirtschaft im Südwesten der Bundesrepublik eindringlich zur Sprache zu bringen. Das Seine trug er schon vor 1933 und erst recht nach 1949 dazu bei, indem er engagiert mithalf, die agrarsozialen Verhältnisse dieser Landwirtschaft zu verbessern. Beispielsweise war er maßgeblich an der Bildung der Badischen Bauernkrankenkasse und am Ausbau der land- und forstwirtschaftlichen Unfallversicherung beteiligt. Auch verwandte er sich intensiv für eine gesetzliche Regelung der Altershilfe für die Landwirte.
Mit Hingabe verfolgte er das Ziel, zu engen freundnachbarlichen Verhältnissen zu den Landwirtschaftsorganisationen in der Schweiz und in Österreich und besonders des Elsaß zu gelangen. Viele Jahre präsidierte er auch das „Badisch-Elsässische Landwirtschaftskomitee“.
Über all dieser Belastung, die sich Schill zumutete, fand er noch Zeit, unzählige Leitartikel vor 1933 und nach 1945 in den Bauernzeitungen zu schreiben. Er fertigte sie „in einem Zug“ an, kaum, daß Korrekturen notwendig waren. Schills Lebensleistung fand ihre gebührende Würdigung durch die Ernennung zum Ehrensenator der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim, durch die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, des Ordens „Commandeur des Mérites Agricoles“ der Republik Frankreich und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos StAF, Bildnissammlung

Literatur: Wilhelm Nauwerk, Das badische Landwirtschaftsministerium nach dem Ende des 2. Weltkriegs, in: Leo Wohleb, Humanist und Politiker, hg. von Hans Maier/Paul-Ludwig Weinacht, Heidelberg 1969, 123-130; Hans-Georg Merz, ... Zum badischen Agrarreformgesetz vom 27.2.1948, in: Paul-Ludwig Weinacht (Hg.), Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre. Badische Politik nach 1945, Sigmaringendorf 1988, 179-198; Paul Ackermann, Die Interessenvertretung der Landwirte, in: Der Weg zum Südweststaat, hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Bearb. von Jörg Thierfelder und Uwe Uffelmann, Stuttgart 1991, 132-144, bes. 133 ff., 141, 143
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