Häbich, Walter 

Geburtsdatum/-ort: 15.10.1904;  Stuttgart-Botnang
Sterbedatum/-ort: 01.07.1934; KZ Dachau
Beruf/Funktion:
  • Bandagist, Metallarbeiter, Redakteur, KP-Funktionär und Opfer des Nationalsozialismus
Kurzbiografie: 1918–1921 Lehre als Bandagist
1920 Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland, 1922 Vorsitzender Großraum Stuttgart
1923–1925 Metallarbeiter
1923–1925 nach dem „deutschen Oktober“ als KPD-Funktionär in Haft
1926 Leiter des KJVD in Württemberg, später Hamburg (Wasserkante)
1928–1929 Verbandsvorsitzender des KJVD
1929 kurzzeitig ZK-Mitglied der KPD, Redakteur des „Klassenkampfs“ in Halle/Saale
1930 Redakteur der „Neuen Zeitung“ in München
1932 Inhaftierung auf dem Hohenasperg
März 1933 Redaktion der „Neuen Zeitung“ im Untergrund
23.9.1933 Entdeckung der in einem Kloster untergebrachten Druckerei, Verhaftung und Überführung in das KZ Dachau
1.7.1934 im Zusammenhang des Röhm-Putsches im KZ Dachau ermordet
Weitere Angaben zur Person: Eltern: Vater: Hermann Carl Häbich (1871–1913), Mechaniker und Gastwirt
Mutter: Emma, geb. Wechselberger (1867–1947)
Geschwister: 4: Gertrud (1898–1912); Hedwig Emma (1899–1978); Kuno Friedrich (1900–1980); Anna (1912–1926)
GND-ID: GND/133754200

Biografie: Angela Borgstedt (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 99-100

Als Theodor Heuss Ende 1945 im Rahmen einer Feierstunde im Stuttgarter Landestheater der Verfolgten und Opfer der NS-Diktatur gedachte, war unter den namentlich Erinnerten auch der aus Botnang gebürtige Kommunist Walter Häbich. Wenn damals die Bandbreite und Vielgestaltigkeit von Opposition und Widerstand, aber auch das allen Gemeinsame des Opferstatus veranschaulicht werden sollte, so ging diese Unvoreingenommenheit des Gedenkens in der Zeit des Kalten Krieges verloren. NS-Gegner, deren gesellschaftlicher Gegenentwurf zur Hitler-Diktatur nicht den freiheitlichen und rechtstaatlichen Prinzipien der demokratischen Grundordnung entsprach, zählten nun nicht mehr zum Kreis der Erinnerungswürdigen. Dies umso weniger, wenn die Betreffenden wie Häbich Eingang gefunden hatten in die hagiographische Erinnerungskultur der DDR. Und so gedachte in der Bundesrepublik allenfalls noch seine Heimatstadt Stuttgart des ermordeten KP-Jugendfunktionärs Walter Häbich, zuletzt in Form eines sogenannten Stolpersteins vor dem Haus Beethovenstraße Nr. 48 in Botnang, eines von etwa 250 im Stadtgebiet, mit denen jeweils auf lokale Erinnerungsorte der NS-Vergangenheit hingewiesen wird.
Walter Häbich wurde am 15. Oktober 1904 als jüngstes Kind einer Stuttgarter Arbeiterfamilie geboren, die das karge Familieneinkommen mit dem Betrieb einer Gastwirtschaft aufbesserte. Der frühe Tod der ältesten Schwester Gertrud und 1913 des Vaters überschattete Häbichs Jugend. Die Mutter konnte den Gasthausbetrieb allein nicht aufrecht erhalten und in den Hungerwintern des Ersten Weltkriegs wurde die Ernährungslage der Familie erst richtig prekär. Unter solchen Umständen mussten individuelle Ausbildungs- und Berufswünsche zurückstehen. Walter Häbich hatte Zeichner werden wollen. Stattdessen absolvierte er nach Beendigung der Volksschule 1918 mangels Alternativen eine Lehre als Bandagist. Er ergriff damit einen orthopädietechnischen Beruf, der sich keineswegs auf die Fertigung und Anpassung von Bandagen beschränkte und gerade in der Nachkriegszeit mit ihren vielen Kriegsversehrten Konjunktur hatte. An die Reparatur gebrauchter Prothesen konnte sich Häbich freilich nie gewöhnen und wechselte schließlich als Metallarbeiter zu Mauz und Pfeiffer in Botnang.
Über den Arbeitersport kam der auch musikalisch begabte Häbich zur Kommunistischen Jugend (KJD), wo er rasch Karriere machte. 1922 leitete er den kommunistischen Jugendverband im Großraum Stuttgart, 1923 wurde er auf dem Reichskongress in Chemnitz in dessen Zentrale gewählt. Von 1925 an war er hauptamtlicher KP-Funktionär und Leiter zunächst des Württembergischen, dann des Jugendverbandes Bezirk Wasserkante in Hamburg. 1928 schließlich wurde Häbich Vorsitzender des Kommunistischen Jugendverbandes in Deutschland, 1929 jedoch aufgrund innerparteilicher Querelen abgesetzt. Dies bedeutete für ihn freilich nicht den Bruch mit der Partei. Vielmehr übernahm Walter Häbich mit der parteipolitischen Publizistik einen neuen Aufgabenbereich innerhalb der KPD. Kurzzeitig arbeitete er als Redakteur des in Halle/Saale erscheinenden „Klassenkampfs“, seit 1930 in München bei der „Neuen Zeitung“. In seinen Beiträgen setzte er sich mit dem politischen Gegner auseinander, worunter seine Partei die antidemokratische Rechte wie die demokratische Mitte gleichermaßen verstand. 1931 brachte ihn eine Pressekampagne gegen die Notverordnungspolitik Brünings zum keineswegs ersten Mal mit der Justiz in Konflikt. 1932 wurde Häbich deswegen zu einer Haftstrafe verurteilt, jedoch zum Jahresende amnestiert. Bereits 1925 hatte ihm seine illegale Tätigkeit für die zwischenzeitlich verbotene kommunistische Jugend eine Gefängnishaft eingetragen.
Häbichs Amnestierung Ende 1932 erfolgte nur wenige Wochen vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten. Wie andere, der Inhaftierung zunächst entgangene Parteifreunde tauchte Häbich nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 in die Illegalität ab. Aus dem Untergrund setzte er die Redaktion der gleichfalls illegalen „Neuen Zeitung“ fort. Eines seiner Quartiere war die Münchener Wohnung des Ehepaars Hans und Anna Bauer, das diese Unterkunft auch anderen KP-Funktionären zur Verfügung stellte. Anna Bauer fungierte auch als Sekretärin für Häbichs illegale Publizistik. Die Vervielfältigung jener Zeitungsartikel, aber auch Flugblätter erfolgte getarnt in den Räumlichkeiten eines Klosters, bis die Druckerei im September 1933 ausgehoben wurde. Walter Häbich wurde festgenommen und zunächst in einer Münchener SA-Kaserne, schließlich im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Am 1. Juli 1934 wurde er im Zuge des sogenannten „Röhmputschs“ ums Leben gebracht, jener Mordaktion des Maßnahmenstaates, die eben keineswegs nur SA, innerparteiliche Abweichler und konservative NS-Gegner traf, und die sich die Nationalsozialisten nachträglich sogar als „Staatsnotwehr“ legalisieren ließen. Die Beisetzung seiner Urne auf dem Botnanger Friedhof wurde trotz Gestapoüberwachung zur Demonstration gegen das NS-Regime.
Quellen: Mitteilungen von Gretel Weber, Pflegeschwester Häbichs.

Literatur: Karl Heinz Jahnke, Walter Häbich, in: ders., Vergessen? 1995, 27 f.; Gretel Weber, Inge Möller, Walter Häbich im KZ ermordet, weil er Kommunist war, in: http://www.stolpersteine-stuttgart.de
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