Vögele, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 15.06.1884;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 16.02.1936;  Mannheim, begraben auf dem Hauptfriedhof
Beruf/Funktion:
  • Industrieller
Kurzbiografie: Schulbesuch in Mannheim bis Abitur
1902-1903 Einjährig-Freiwilliger im 2. Badischen Dragonerregiment Nr. 21
ab 1903 Ingenieurstudium in Heidelberg, dann Karlsruhe
1907-1908 an der Technischen Hochschule Hannover
1908 Eintritt in die väterliche Weichen- und Maschinenbaufabrik
1914-1918 Kriegsdienst, zuletzt als Rittmeister der Reserve
1917 Vorstand und Mitinhaber der Fabrik (ab 1920: Joseph Vögele AG)
1920-1933 Mitglied im Reichswirtschaftsrat, Mitglied der Industrie- und Handelskammer Mannheim
1923-1933 Erster Vizepräsident dieser Kammer zwischen 1928 und 1932; Dr. rer. oec. eh. der Handelshochschule Mannheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: altk.
Verheiratet: (Mannheim) 1909 Hildegard, geb. Engelhard (1890-1984), Tochter des Geheimen Kommerzienrates Emil Engelhard
Eltern: Vater: Heinrich Vögele
Mutter: Johanna, geb. Gräff (1858-1935)
Geschwister: 3
Kinder: 3:
Marianne (1911-1981), Dr. phil.
Gerd (1913-1976), Dr. rer. pol., Mitglied im Vorstand der Joseph Vögele AG
Marie Louise (1916-2004)
GND-ID: GND/133792749

Biografie: Andreas Gößner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 283-284

Nach dem Besuch des Mannheimer Gymnasiums und nach dem Einjährig-Freiwilligen Militärdienst studierte Vögele an der Universität Heidelberg, dann an den Technischen Hochschulen in Karlsruhe und Hannover. Vögele war in Heidelberg Mitglied des Corps Palatia, dann im Akademischen Reitclub in Hannover. 1908 trat er in die väterliche Fabrik ein. Dort engagierte er sich auf technischem Gebiet in den ersten Jahren speziell für den Ausbau der Abteilungen für den Drehscheiben- und Schiebebühnenbau. An der Seite seines Vaters und seines Bruders Joseph führte Vögele 1914 Übernahmeverhandlungen mit dem Ziel des Verkaufs der Fabrik an die Rheinischen Stahlwerke in Duisburg, der aber durch den Kriegsausbruch verhindert und später aufgegeben wurde.
Beim Kriegsausbruch wurde Vögele eingezogen und stand als Kompanieführer im Feld, bis er im Oktober 1916 verwundet wurde. Zu Beginn des Jahres 1917, Vater und Bruder leiteten unterdessen das Mannheimer Werk weitgehend allein, war Vögele als Rittmeister der Reserve vom Generalkommando in Karlsruhe zum Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt nach Berlin kommandiert worden. Ab April 1917 war er außerdem als badischer Vertreter in der Ausgleichsstelle der Bundesstaaten beim preußischen Kriegsministerium in Berlin tätig, der die Verteilerorganisation und die Vermittlung von Heereslieferungen in die einzelnen deutschen Bundesstaaten oblag. In dieser Stellung nahm Vögele die wirtschaftlichen Interessen Badens und seiner Industrie wahr und hielt an diesem Ziel auch dann noch fest, als das Militär die Stillegung mittelständischer Unternehmen forderte, um knappe Rohstoffresourcen zu bündeln.
1917 übergab der Vater den beiden Söhnen Joseph und Wilhelm Vögele die Werksleitung. 1920 wurde das Unternehmen unter Beteiligung der anderen Geschwister in eine Aktiengesellschaft verwandelt. Gleichzeitig wurde die Oberrheinische Industriegesellschaft Joseph Vögele&Co (IVOCO) gegründet, über die der gesamte Auslandsverkauf der Produkte des Mannheimer Werkes abgewickelt wurde. 1922 unterhielt die IVOCO 14 Inlands- und 34 Vertretungen im europäischen und überseeischen Ausland. Die Nachkriegsjahre bis etwa 1924 bedeuteten für das Unternehmen eine massive Belastung. Zu den besonders für dieses Unternehmen spürbaren Folgen des verlorenen Krieges gehörte der Verlust des benachbarten Elsaß-Lothringen als Absatzgebiet. Ein Übriges bewirkten neben dem Mangel an Rohstoffen und Brennmaterial die inflationäre Wirtschaftslage, die französische Besetzung Mannheims und auch soziale Konflikte, zumal Streiks der Fabrikarbeiter. Auch die Absatzentwicklung verlief in diesen Jahren negativ, so dass die Überwindung der Krise für Vögele eine vordringliche Aufgabe darstellte.
Durch seine Kontakte aus der kriegswirtschaftlichen Tätigkeit konnte er sich über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus zunehmend in die Wirtschaftspolitik einbringen. Vögele wurde 1920 Mitglied der Mannheimer Industrie- und Handelskammer und war seit 1923 deren erster Vizepräsident. Außerdem war er Mitglied des Bezirksausschusses Mannheim der Reichsbank und des Aufsichtsrates der Neckar AG und seit 1934 gehörte er dem Aufsichtsrat der Mannheimer Landmaschinenfabrik Heinrich Lanz AG an. Darüber hinaus lag ein Schwerpunkt seines Handelns in der gesamten Weimarer Zeit und darüber hinaus auf dem Gebiet der Reichswirtschaftspolitik. Die während seiner Tätigkeit 1917/18 geknüpften Verbindungen begünstigten die Anfänge solcher industrie- und handelspolitischer Aktivitäten. Besondere Bedeutung kam dabei ab 1920 seiner Mitgliedschaft im Reichswirtschaftsrat in Berlin zu, der als Gutachtergremium bei sozial- und wirtschaftspolitischen Gesetzesentwürfen mitwirkte und bis 1933 bestand. Zu Vögeles Berliner Tätigkeit gehörte auch die Mitgliedschaft im Außenhandelsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelstages. Weitere Einflussmöglichkeit bot die Mitarbeit in der Internationalen Handelskammer und im Verein Deutscher Maschinenbauanstalten. Im Oktober 1931 wurde Vögele als einer von 37 Sachverständigen in die deutsch-französische Wirtschaftskommission berufen.
Zunehmend konnte Vögele diese Tätigkeiten auch zum Nutzen des eigenen Unternehmens ausüben. So wirkte er mit, den traditionell auf Konkurrenzbasis beruhenden, distanzierten Kontakt der großen mittelrheinischen Stahl- und Walzwerke zu intensivieren, was u. a. bei der Erfüllung von Reparationsverträgen nützlich war. Vor allem aber gelang es ihm auch, zur unternehmerischen Zusammenarbeit in Gestalt einer Kooperation von führenden Unternehmen beizutragen. Die Firmen Vögele, Vereinigte Stahlwerke und Siemens&Halske gründeten 1926 die „Oberbauforschung GmbH“ mit Sitz in Berlin, die die technischen Entwicklungen und die Patentverwaltung koordinierte. Auch der Quotenverband innerhalb des Deutschen Weichenverbandes von 1927 war ein Erfolg solcher unternehmensübergreifender Verbandspolitik der Brüder Vögele, die hier speziell dazu diente, das Preisdumping der konkurrierenden Weichenhersteller zu beenden.
Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens war schon 1929 bei der angesichts der heraufziehenden Weltwirtschaftskrise riskanten Übernahme der Rheinischen Eisengießerei und Maschinenbau AG in Mannheim (RHEINGUSS) das Ziel. Wichtige Innovationen der Produktionsbedingungen gingen damit einher, so neu entwickelte Hochdrucköler und Fettschmierapparate. Eine deutliche Entlastung brachte bereits ab 1924 die Beteiligung an der schwedischen Weichen- und Signalbauanstalt ASSA/Atvidaberg. Dadurch wurden vor allem die nordeuropäischen Absatzmärkte leichter zugänglich.
Der Wandel in der Produktion wurde immer deutlicher sichtbar. 1927 begann Vögele in Lizenz amerikanische „Jaeger“-Betonmischer zu bauen und eröffnete so ein neues und vielversprechendes Segment, zu dem wenige Jahre später die Fabrikation von Straßenbaumaschinen im eigenen Unternehmen aufgebaut wurde. Zwar ging in den Wirtschaftskrisen der frühen 1930er Jahre die Produktion auch dieses Unternehmens massiv zurück, doch folgte dann bis zum II. Weltkrieg eine Stabilisierung der Unternehmenslage bei spürbarer Umsatzsteigerung (1939: 900 Beschäftigte). Welch tiefgreifender Wandel unter der Ägide Vögeles inzwischen vollzogen war, lassen die Zahlen von 1933 erkennen; damals entfiel auf den ursprünglich wichtigsten Produktionssektor Eisenbahnbedarf kaum noch mehr als ein Drittel des Unternehmensumsatzes.
Mit dem Tod des Bruders Joseph 1933 trat Vögele aus dem Vorstand der Firma aus, behielt aber noch den Aufsichtsratsvorsitz. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die beiden Brüder in gegenseitiger Ergänzung stets den Vorsitz und den stellvertretenden Vorsitz im Vorstand und im Aufsichtsrat der Mannheimer Firma geteilt. Im Februar 1936, wenige Monate vor der Hundertjahrfeier der Fabrikgründung, starb Vögele nach kurzer Krankheit im Alter von nur 51 Jahren.
Quellen: GLA Karlsruhe 456/13227; StadtA Mannheim S 1/3484, S 2/233-1; ungedr. Unterlagen im Privatbesitz.
Werke: Gedanken zur künftigen Entwicklung Mannheims, Denkschrift vom 12. 11. 1919, in: Arthur Blaustein (Hg.): Das befreite Mannheim. Rechenschaftsbericht u. Zukunftsprogramm, 1924, 75-80; Die Grenzen d. Rationalisierung, Teile I u. II; in: Neue Mannheimer Ztg. Nr. 592 u. 593 vom 20. 12. 1928, 8; Wirtschaftliche Grenzen d. Rationalisierung in d. Maschinenindustrie; in: Maschinenbau, Wirtschaftl. Teil 8, 1929, 13 f.; Individualität im Wirtschaftsleben; in: Die lebendige Stadt, Zweimonatsschr. d. Stadt Mannheim, 2. Jg. 1930/31, H. 1, 33-36; Die handelspolit. Lage, Sonderdruck aus dem Sitzungsber. des Dt. Industrie- u. Handelstages, 1932.
Nachweis: Bildnachweise: Fotografien im Familienbesitz; Reichshandbuch 1932 (vgl. Lit.).

Literatur: Arthur Blaustein, Die Handelskammer Mannheim u. ihre Vorläufer 1728-1928, 1928; Leopold Grosch, Die Verbandspolitik d. beiden Brüder Vögele 1907-1933, (maschinenschriftl.), 1943; Reichshandbuch d. dt. Gesellschaft Bd. 2, 1932, 1952; Hermann Schäfer, Regionale Wirtschaftspolitik in d. Kriegswirtschaft. Staat, Industrie u. Verbände während des I. Weltkrieges in Baden, 1983.
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