Grün, August 

Geburtsdatum/-ort: 10.06.1847;  (Schwäbisch Hall-)Steinbach
Sterbedatum/-ort: 15.03.1915;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Bauingenieur und Unternehmer
Kurzbiografie: 1853–1856 Garnisonschule in Comburg, Schwäb. Hall
1856–1858 Lateinschule in Hall
1858–1863 Oberrealschule in Hall
1863–1865 Arbeiter in verschiedenen Betrieben
1865–1868 Studium am Polytechnikum in Stuttgart
1868–1869 Einjährig Freiwilliger im 1. Württ. Infanterieregiment „Königin Olga“
1870–1871 Kriegsteilnehmer als Portepeefähnrich im 2. württ. Infanterieregiment „Kaiser Wilhelm“, dann Leutnant
1871–1879 Ing. bei „Gebr. Benckiser“ in Pforzheim
1879–1886 Bauleitender Ing. bei „Phil. Holzmann“ u. „Gebr. Benckiser“
1886 Gründung von „Bernatz&Grün“, Mannheim
1891 Bad. Staatsbürgerschaft
1892 Umgründung in „Grün&Bilfinger“, Mannheim
1906 Umwandlung in eine Aktiengesellschaft
1907 Erste Auslandsaktivität von „Grün&Bilfinger“ auf Initiative von Grün
1910 Dr. ing. e. h. d. TH Darmstadt
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Orden und Auszeichnungen: Landwehrdienstauszeichnung 2. Klasse (1879); Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen I. Klasse (1891); Ritterkreuz I. Klasse des Verdienstordens Philipps des Großmütigen (1900); Kaiser Wilhelm-Erinnerungsmedaille (1899)
Verheiratet: 1876 (Pforzheim) Elise, geb. Brehm (1854 –1915)
Eltern: Vater: August (1811–1896), Schultheiß
Mutter: Sofie, geb. Schmetzer (1822–1896)
Geschwister: Karoline (* 1848)
Kinder: 3; Arthur (1878–1933), Elsa (1879–1949) u. August (1882–1883)
GND-ID: GND/136143776

Biografie: Karl-Heinz Schwarz-Pich (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 156-158

Nach Abschluss der Oberrealschule arbeitete Grün zunächst für zwei Jahre in der Maschinenfabrik „Rottmann Hofacker&Cie.“ in Steinbach als Schlosser, Dreher, Modellschreiner sowie in der Gießerei und zeitweise auf dem technischen Büro, bevor er das Studium am Polytechnikum in Stuttgart aufnahm. Der Militärdienstzeit als Einjährig Freiwilliger folgte seine Beschäftigung als Ingenieur bei Gebr. Benckiser in Pforzheim, damals führendes Unternehmen im Brückenbau in Deutschland.
Bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich wurde Grün 1870 zum Kriegsdienst eingezogen, wo er als Portepeefähnrich im 2. württ. Infanterieregiment Nr. 120 als Frontsoldat diente. Bei Kämpfen in der Nähe von Champigny, nordöstlich von Paris, wurde er am 30. November 1870 verwundet und noch im selben Jahr zum Leutnant befördert.
Nach seiner Entlassung aus dem Militär nahm Grün wieder seine Tätigkeit bei „Gebr. Benckiser“ als Ingenieur für Maschinen- und Brückenbau auf. Im letzten Drittel des 19. Jh.s, einer Zeit der Hochindustrialisierung, bestand ein großer Bedarf an Brücken und Eisenbahntunnel, was zu einer steigenden Nachfrage nach Bauingenieuren führte. Dies begünstigte Grüns schnellen beruflichen Aufstieg. Bereits mit 24 Jahren wurde er 1871, zwei Jahre nach dem Baubeginn, von der „Firma Benckiser“ als Leitender Ingenieur mit der Aufstellung des eisernen Oberbaus, damals die Spezialität seiner Firma, für sämtliche Brücken der Pustertalbahn durch Süd- nach Osttirol von Franzensfeste bis Lienz betraut. Darunter waren auch anspruchsvolle Ingenieurprojekte, so der Eisackviadukt in Franzensfeste und die Rienzbrücken bei Vintl und Percha. Nach drei Jahren, die Grün in Pforzheim bei Benckiser im Büro arbeitete, war er ab 1875 wieder als bauleitender Ingenieur tätig und setzte beim Bau der Rheinbrücke bei Germersheim die sogenannte „Druckluftgründung“ ein. Hierbei wird eine unter Wasser befindliche, unten offene Arbeitskammer, Caisson, durch Überdruck wasserfrei gehalten, so dass die Sohle bis auf einen tragfähigen Baugrund abgegraben werden kann. Diese Technik war erstmals von dem französischen Ingenieur Edouard Fleur Saint-Denis 1859 beim Bau der Brücke zwischen Kehl und Straßburg in Deutschland angewandt worden. Das Arbeiten unter Druckluftbedingungen war für die Arbeiter mit einem erheblichen gesundheitlichen Risiko verbunden, der sog. Taucherkrankheit, Gefahren denen sich Grün selbst aussetzte.
Beim Bau an zwei neuen Drehbrücken in Mannheim, wobei Grün die Arbeiten an den Fundamenten leitete, lernte er August Bernatz kennen, der mit seinem Wasserbauunternehmen ebenfalls an den Arbeiten beteiligt war. Da Bernatz Handwerker war, fehlten ihm die Voraussetzungen, um sich an Ausschreibungen für Ingenieurbauten zu beteiligen. Deshalb machte er Grün den Vorschlag, in sein Unternehmen einzutreten. Am 15. März 1886 wurde „Bernatz&Grün“ gegründet, ein Unternehmen, das sich in der Hauptsache mit Brücken- und Hafenbau, Flusskorrektionen und allgemeinen Baggerarbeiten befasste. Der Schwerpunkt des Einsatzes der neuen Firma lag anfangs in Mannheim und seinem Unkreis, wo die Häfen ausgebaut wurden, so in Ludwigshafen, Speyer, Worms und Aschaffenburg.
1892 kam es zum Zerwürfnis zwischen Bernatz und Grün. Bernatz schied aus dem Unternehmen aus und Grün fand in Paul Bilfinger (vgl. S. 27), den er von verschiedenen Baustellen her bereits kannte, einen neuen Geschäftspartner. Das Unternehmen firmierte als offene Handelsgesellschaft (OHG) jetzt „Grün&Bilfinger“ und stieg in wenigen Jahren zu einem der großen Bauunternehmen in Deutschland auf. Eines der bedeutenden Bauten des Unternehmens war die 1897 errichtete Rheinbrücke bei Worms.
1898 trat Bernhard Bilfinger (vgl. S. 25), der jüngere Bruder von Paul, als Teilhaber in die Firma ein, und um die geschäftlichen Aktivitäten ausweiten zu können, wurde das Unternehmen 1906 mit Unterstützung der Dresdner Bank in Mannheim in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Grün wurde Aufsichtsratsvorsitzender; Hauptaktionäre waren Grün und die Gebrüder Bilfinger, etwa zu gleichen Teilen.
Vor allem auf Drängen von Grün dehnte das Unternehmen damals seine Aktivitäten auf das Ausland aus. „Grün&Bilfinger“ akquirierte einen Auftrag für die betriebsfertige Erstellung der Donau-Epital-Bahn, einer 65 km langen Gebirgsbahn im Norden Ungarns, wobei aber ein Verlust von ca. 1 Mio. Mark entstand, der zum Teil aus privaten Mitteln der Hauptaktionäre gedeckt werden musste. Das aber hinderte die weitere Expansion nicht nachhaltig. Schon 1909 wurden die ersten Zweigstellen in Köln und München gegründet. Die Firma übernahm nun Großprojekte in eigener Regie oder mit Partnern in ganz Deutschland. Dazu gehörten u. a. die Hohenzollernbrücke bei Köln (1907), die Bahnlinie Waldkirch-Elzach (1909) und der 3575 m lange Eisenbahntunnel bei Schlüchtern auf der Strecke zwischen Frankfurt und Bebra (1910).
Ab 1912 engagierte sich „Grün&Bilfinger“ auch wieder im Ausland: in der Schweiz, Jugoslawien und Russland, sogar in Togo und Kamerun. In dieser Zeit gewann das Unternehmen allmählich Weltgeltung. Grün starb im Alter von 68 Jahren; er blieb bis zuletzt in der Firma aktiv. Seine Grabstätte auf dem Mannheimer Hauptfriedhof ist erhalten.
Quellen: FamilienA Klaus Geber (Urenkel), Mannheim, Nachlass Grün; UnternehmensA Bilfinger + Berger, Mannheim; StadtA Mannheim, Familienbogen.
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde von Otto Propheter (1875–1927) von 1907 (?) im Besitz von Klaus Geber, Drei Wurzeln – ein Unternehmen, 2005, 19 (vgl. Quellen u. Literatur).

Literatur: Bilfinger + Berger (Hg.), 100 Jahre Bauen 1880– 1980, 1980; Bernhard Stier/Martin Krauß, Das Unternehmensarchiv d. Bilfinger + Berger AG, in: Archiv u. Wirtschaft 2, 2002, 53–63; Bilfinger Berger (Hg), Drei Wurzeln – ein Unternehmen. 125 Jahre Bilfinger + Berger AG., 2005.
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