zu Hohenlohe-Waldenburg, Therese 

Andere Namensformen:
  • geb. Gräfin zu Erbach-Fürstenau
Geburtsdatum/-ort: 09.06.1869; Krähenberg
Sterbedatum/-ort: 21.12.1927;  Waldenburg
Beruf/Funktion:
  • Fürstin zu Hohenlohe-Waldenburg, Gründerin des württ. Landesverbandes landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine
Kurzbiografie: 1916 Gründung eines Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereins in Öhringen, weitere folgten
1916–1927 Vorsitzende des württ. Landesverbandes der Landwirtschaftlichen Hausfrauenschulen
1916–1927 Stellv. Vorsitzende des Reichsverbandes Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine
nach 1919 Gemeinderätin der Stadt Waldenburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 26.11.1889 Fürst Friedrich Karl zu Hohenlohe-Waldenburg Schillingsfürst (1846–1924)
Eltern: Vater: Alfred Graf zu Erbach-Fürstenau (1813–1874), hessischer Standesherr und Politiker, Abgeordneter und Präsident der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen
Mutter: Prinzessin Luise, geb. zu Hohenlohe-Ingelfingen (1835–1913)
Geschwister: 9: Adalbert (1861–1944); Johannes (geboren/gestorben 1863); Maria (geboren/gestorben 1863); Gertrud (1864–1919); Elias (1866–1950); Raimund (1868–1926), k. u. k. Oberstleutnant; Maria (1870–1949); Adolf (1871–1915), k. u. k. Rittmeister; Joseph (1874–1963)
Kinder: Erbprinz Friedrich Karl III. (1908–1982)
GND-ID: GND/136176313

Biografie: Volker Stalmann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 98-100

Therese Gräfin zu Erbach-Fürstenau wurde am 9. Juni 1869 als siebtes von insgesamt zehn Kindern des hessischen Standesherrn Alfred Graf zu Erbach-Fürstenau (1813 – 1874) und Gräfin Jenny, geb. Prinzessin zu Hohenlohe-Ingelfingen geboren. Ihre Mutter war die Tochter des Prinzen Adolf zu Hohenlohe-Ingelfingen, der kurzzeitig von März bis Mai 1862 preußischer Ministerpräsident war.
Über Thereses Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Doch ist anzunehmen, dass sie eine standesgemäße Erziehung durch Gouvernanten und Hofmeister erfuhr. Mit zwanzig Jahren heiratete Therese am 26. November 1889 Fürst Friedrich Karl II. zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1846 – 1924). Es war eine gemischtkonfessionelle Ehe, sie war protestantisch, er katholisch. Friedrich Karl II. war nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1881 in den Verwaltungsdienst der österreichischen Monarchie eingetreten und 1884 zum Statthaltereirat in Impsk in Bosnien avanciert. Nach dem Tode seines Bruders Fürst Nikolaus (1841 – 1886) trat er die Nachfolge in der Standesherrschaft an und wurde im selben Jahr Senior des fürstlichen Gesamthauses Hohenlohe. Als Standesherr besaß er auch einen erblichen Sitz in der Ersten Kammer des Königreichs Württemberg.
Von Zeitgenossen und Weggefährten wurde Fürstin Therese als erfrischend unkonventionell und ausgesprochen umgänglich geschildert. Ihre Leidenschaft gehörte der Landwirtschaft. Sie war sich auch nicht zu schade, selbst Hand anzulegen. So schuf sie aus einem abgelegenen, unfruchtbaren Hof, dem Laurach-Hof, ein Mustergut mit moderner Vieh- und Schweinezucht und vorbildlichen Obst- und Gemüseanlagen. Um dem Eiermangel während des Krieges zu begegnen, wurde zudem eine 1000-Hennen-Farm eingerichtet, der ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit gehörte.
Ihr Interesse an landwirtschaftlichen Fragen ging einher mit dem Wunsch nach Stärkung der Selbsthilfe der Landbevölkerung. Als sich nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges die wirtschaftliche Situation verschärfte und die Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung immer größer wurden, begann die Fürstin, sich offen für die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und die Förderung der Belange landwirtschaftlicher Hausfrauen einzusetzen. 1916 ergriff die Fürstin die Initiative zur Gründung des württembergischen Landesverbandes der Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine (Reifensteiner Verband). Dem im selben Jahr gegründeten Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine gehörte sie bereits als stellvertretende Vorsitzende an.
Der 1896 gegründete Verein zur Errichtung wirtschaftlicher Frauenschulen auf dem Lande (seit 1900 Reifensteiner Verband) war einer der größten privaten Schulträger von Mädchen- und Frauenbildungsstätten. Bei der Gestaltung des Bildungsbereiches der ländlichen Hauswirtschaft übernahm der Verband eine grundlegende und vorbildgebende Rolle. Darüber hinaus waren den Landfrauenschulen verschiedene Unternehmungen, die sog. Verlaufsstellen, angeschlossen, in denen die Erzeuger ihre landwirtschaftlichen Produkte direkt ohne Zwischenschaltung des Handels zum Verkauf anbieten konnten. Der Verein sollte zudem Frauen aus Stadt und Land ein Forum der Erörterung ihrer Interessen bieten.
1897 hatte Ida von Kortzfleisch, zusammen mit einigen Gesinnungsgenossen die erste wirtschaftliche Frauenschule in Nieder-Ofleiden im Großherzogtum Hessen-Darmstadt gegründet. Vermittelt wurden Fertigkeiten und Kenntnisse in den Bereichen: Küche, Hauswesen, Wäsche, Handarbeit, häusliche Wirtschaftsverwaltung, Buchführung, Gartenbau, Geflügelzucht, Molkerei und Bewegungsunterricht. Bald darauf wurden der Schule auch eine Kleinkinderschule und eine Flick- und Nähschule angegliedert. Die Schülerinnen hatten eine einheitliche Kleidung, das „Ehrenkleid“, zu tragen. Denn an die äußere Erscheinung, Auftreten und Haltung wurden hohe Ansprüche gestellt. Die Ausbildung dauerte in der Regel eineinhalb bis zwei Jahre und konnte mit einer Prüfung abgeschlossen werden.
1900 zog die Schule in das Kloster Reifenstein im Eichsfeld in der preußischen Provinz Sachsen. Das Kloster sollte der Bewegung seinen Namen geben. Im folgenden Jahr wurden weitere Schulen gegründet, so in Obernkirchen in der preußischen Provinz Hessen-Nassau, in Maidburg in der Provinz Posen.
Ihre staatliche Anerkennung erhielten die Reifensteiner Schulen 1909, bis 1935 konnte an ihren Seminaren die Lehrerinnenausbildung für das gesamte ländlich-hauswirtschaftliche Schulwesen durchgeführt werden. Bis 1910 wurden insgesamt zehn Landfrauenschulen ins Leben gerufen.
Die Schulen kamen einer wichtigen Forderung der Frauenbewegung nach, indem sie durch verbesserte Bildung die beruflichen Chancen der Frauen vergrößern und ihnen damit neue Lebens- und Gestaltungsräume erschließen wollten. Dem lag die Überzeugung zugrunde, dass auch landwirtschaftliche bzw. gutsherrliche Aufgaben gründlicher wissenschaftlicher, insbesondere naturwissenschaftlicher Qualifizierung bedurften, die von herkömmlichen Bildungsinstitutionen nicht geleistet werden konnte.
Bei der Gründung und der Leitung der Reifensteiner Schulen spielte der Adel eine besondere Rolle. Den Vorsitz des Vereins übten adlige Frauen aus: Ida von Kortzfleisch bis 1915, Anna Stieler von Heydekampf bis 1921 und Dr. Käthe Herwarth von Bittenfeld bis zur Absetzung durch den Reichsnährstand im Jahr 1936. Auch unter den Schülerinnen lag der Anteil des Adels mit durchschnittlich etwa dreißig Prozent relativ hoch. Dessen ungeachtet waren die Reifensteiner Schulen keine, allein dem Adelsstand vorbehaltenen Institutionen, die den ländlich-hauswirtschaftlichen Unterricht lediglich als Vehikel zur Verfolgung standespolitischer Interessen benutzt und sich der Pflege adliger Identität oder der Vermittlung ständischer Distinktionsformen verschrieben hätten. Während es in Preußen bereits seit 1900 eine in den Reifensteiner Vereinen organisierte Landfrauenbewegung gab, fehlte Vergleichbares in Württemberg. Im Frühjahr 1916 lud deshalb Fürstin Therese Elisabet Boehm (1859 – 1943), die Vorsitzende des ostpreußischen Landesverbandes, auf ihr Waldenburger Schloss ein. Bereits während ihres Besuchs im Hohenlohischen kam es in Öhringen, Neuenstein und Kupferzell zur Gründung der ersten Vereine. Zusammen mit Ruth Steiner, geb. von Kalckreuth, die sie im Sommer jenes Jahres auf einer landwirtschaftlichen Versammlung in Tübingen kennengelernt hatte, bereitete sie den Zusammenschluss der einzelnen Vereine vor. Am 6. Dezember 1916 konnte schließlich der Landesverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine gegründet werden. Die Ausnahmesituation des Krieges und die einhergehenden Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung erzwangen letztlich ein stärkeres Engagement gerade auch adliger Frauen. Fürstin Therese wurde zur ersten, Ruth Steiner zur zweiten Vorsitzenden gewählt. Als Schirmherrin konnte Königin Charlotte von Württemberg gewonnen werden.
Auf dem ersten württembergischen Landfrauentag in Stuttgart am 20. Februar 1917 hob die Fürstin die Bedeutung des Verbandes hervor. So schilderte sie in ihrer Eröffnungsrede „in warmen Worten die Not der Bäuerin, die oft Gatten und Söhne im Felde stehen habe, und die nun genötigt sei, den Betrieb allein weiter zu führen, ohne die nötige Vor- und Ausbildung dafür zu besitzen, und die nicht nur den Betrieb weiterführen, sondern auch noch mehr wie zuvor aus ihm herauswirtschaften solle, um die Ernährung unseres Volkes zu sichern. Wie notwendig es deshalb sei, daß die Bäuerinnen sich zusammenschließen, daß sie Vereine gründen und Monatsversammlungen abhalten, wo durch Vorträge und Kurse für die Weiterausbildung der Frauen gesorgt werde, und daß Sammelstellen ins Leben gerufen werden, wo die erzeugten Lebensmittel gesammelt und auf schnellstem, direktestem Wege von der Hand des Erzeugers in die des Verbrauchers geliefert werden.“
Das besondere Interesse der Fürstin galt den Verkaufsstellen, besonders für Eier und Geflügel, denen während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit für die Versorgung der Bevölkerung eine wichtige Rolle zukam. 1918 wurde zudem ein eigenes Vereinsorgan „Die Mitteilungen des Verbandes der landwirtschaftlichen Hausfrauen-Vereine in Württemberg“ gegründet, das alle 14 Tage über Vereinsangelegenheiten informierte und ein Forum der landwirtschaftlichen Diskussion bot. Der Fürstin gelang es, den württembergischen Landesverband, dem sie bis zu ihrem Tod vorstehen sollte, zum mitgliederstärksten deutschen Verband mit 11 000 Mitgliedern (1928) auszubauen.
Das Beispiel der Fürstin Therese zu Hohenlohe-Waldenburg und des Reifensteiner Verbandes zeigt deutlich die Bedeutung des als tätige Fürsorge präsenten Pflicht- und Dienstideals im Adel, zugleich aber auch das Bestreben, den nunmehr adligen Führungsanspruch nach der definitiven Beseitigung der Herrschaftsrechte 1918 im sozialen und moralischen Raum zu verankern.
Quellen: HZAN, Archiv Waldenburg: Wa 270 Bü 268-280 (Bü 278: Korrespondenz mit Ruth Steiner, der 2. Vorsitzenden des Landesverbandes der Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine Württembergs über Vereinsangelegenheiten, daneben auch über die fürstliche Verwaltung und die Politik im Reich); KreisA Odenwaldkreis, Gräflich Erbach-Fürstenauisches Archiv: Tit. I, Vol. 24, Fasz. 360, 360 a und b; HStAS E 40/33 Bü 418; E 361 Bü 283 und 286.

Literatur: Erinnerungen an die erste Landesverbands-Vorsitzende Fürstin Therese zu Hohenlohe-Waldenburg, hg. vom Landesverband landwirtschaftlicher Hausfrauen-Vereine in Württemberg, o.J. [1928]; Paula Dreher, Die Fürstin als Landesverbandsvorsitzende, in: ebda., 23-90 (Zitat 23); Anna von Heydekampf, (Hg.), Ida von Kortzfleisch, ihr Leben und Werk, 1927; Ortrud Wörner-Heil, Frauenelite und Landfrauenbewegung in Württemberg. Der Landwirtschaftliche Hausfrauenverein als adelig-bürgerlicher Begegnungsraum, in: Jens Flemming/Pauline Puppel/Werner Troßbach/ Christina Vanja/Ortrud Wörner-Heil, Lesarten der Geschichte. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. FS für Heide Wunder zum 65. Geb., 2004, 418-447; Ortrud Wörner-Heil, Adelige Frauen als Pionierinnen der Berufsbildung: die ländliche Hauswirtschaft und der Reifensteiner Verband, 2010.
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