Gittinger, Otto Ludwig 

Geburtsdatum/-ort: 31.03.1861;  Lauffen am Neckar
Sterbedatum/-ort: 21.02.1939;  Schwäbisch Gmünd
Beruf/Funktion:
  • ev. Pfarrer, Mundartdichter
Kurzbiografie: 1875–1877 Seminar Maulbronn
1877–1879 Seminar Blaubeuren
1879–1880 Militärdienst
1880–1884 Univ. Tübingen, Studium der Theologie
1884 Erste Theologische Dienstprüfung
1884–1889 Unständiger Dienst in Fellbach, Giengen/Brenz, Mitteltal
1889 Zweite Theologische Dienstprüfung
1889–1898 Pfarrer in Mitteltal
1898–1905 Pfarrer in Hohenstaufen
1905–1910 Dritter Stadtpfarrer in Schwäbisch Gmünd, zugleich Hausgeistlicher in der Strafanstalt Gotteszell
1910–1918 Zweiter Stadtpfarrer in Schwäbisch Gmünd, zugleich zwischen
1913 und 1918 Garnisonspfarrer in Schwäbisch Gmünd
1916 Verleihung des Wilhelmskreuzes
1918–1926 Erster Stadtpfarrer in Schwäbisch Gmünd
1919 Mitglied der Landeskirchenversammlung für Aalen-Heidenheim
1926–1939 Ruhestand in Schwäbisch Gmünd
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1890 Maria, geb. Hochstetter (1865–1936), Tochter des Pfarrers Karl Friedrich Hochstetter
Eltern: Vater: Johann Ludwig Gittinger (1832–1906), Bortenmacher in Lauffen
Mutter: Sophie, geb. Kostelezky (1840–1891)
Geschwister: 7 Brüder und 2 Schwestern
Kinder: 4 Töchter
GND-ID: GND/138560676

Biografie: Dorothea Reuter (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 72-74

Otto Gittinger wurde als Sohn eines Handwerkers in Lauffen geboren und ging zunächst auf die Volks- und Lateinschule in seinem Geburtsort, die er mit dem Landexamen abschloss. Dann durchlief er die typische Ausbildung für den Pfarrdienst: Zunächst besuchte er der Seminare von Blaubeuren und Maulbronn, bevor er 1880 sein Theologiestudium in Tübingen begann. Nach der Ersten Theologischen Dienstprüfung wurde Gittinger in den unständigen Dienst übernommen und trat 1885 seine erste von drei Vikariatsstellen in Fellbach an. Nachdem er die Zweite Theologische Dienstprüfung abgelegt hatte, trat er in Mitteltal bei Baiersbronn im Schwarzwald seine erste Pfarrstelle an. Dort war er bereits vier Jahre als Pfarrverweser tätig. 1890 erfolgte die Heirat mit Maria Hochstetter, der Tochter des damaligen Stadtpfarrers in Giengen/Brenz, wo Gittinger ebenfalls einen Vikarsdienst abgeleistet hatte. In den Vikariatsberichten wird positiv über die Predigtfähigkeit Gittingers vermerkt. In Mitteltal war er bereits als Vikar sehr beliebt gewesen und hatte „den Kirchenbesuch erfreulich gehoben“. Er galt als begabter Prediger und Seelsorger. Noch während seiner Mitteltaler Zeit veröffentlichte Gittinger den ersten Band mit mundartlichen Gedichten „So sem’mer Leut“. Gittinger war von der Mundart des oberen Murgtales fasziniert und nahm sie als Ausdrucksform für seine Gedichte. In diesen beschrieb er die Menschen und ihre Lebensumstände mit einem Humor, der den Mitteltalern allerdings nicht gefiel. Sie fühlten sich verspottet und verunglimpft und ließen dies ihren Seelsorger auch spüren. Auch aus diesen Gründen bewarb sich Gittinger nach dreizehnjähriger Tätigkeit in Mitteltal weg und nahm die Pfarrstelle in Hohenstaufen an. Später söhnten sich die Mitteltaler wieder mit Gittinger aus und benannten sogar einen Weg nach ihm.
Gittinger veröffentlichte noch zwei weitere Gedichtbände in Mundart. Der dritte sollte dann auch der letzte sein oder wie Gittinger im Vorwort der zweiten Auflage von „Von dem ond von sellam“ schrieb: „Wie sie [seine schwäbische Mundartdichtung] ungewollt in mir aufgestiegen ist, so ist sie auch wieder gegangen.“ Seine Mundartgedichte blieben im Murgtal beliebt und wurden noch 1950 neu aufgelegt. Auch wenn in zeitgenössischen Literaturgeschichten seine Gedichte als „harmlose, oft nur zu wenig pointierte Anekdoten aus dem Bauernleben“ klassifiziert wurden (Rudolf Krauß, Schwäbische Literaturgeschichte, 2. Band, 1899, 341 f.), war für Gittinger die Mundart jedoch alles andere als eine harmlose Ausdrucksform. Dafür steht sein Versuch, das Neue Testament ins Schwäbische zu übertragen. Zwei Texte sind dabei überliefert: Matthäus 5, 1–12 und der erste Petrusbrief. Damit steht Gittinger an erster Stelle bei dem Versuch mundartlicher Verkündigung.
Nach wenigen Jahren in Hohenstaufen ließ sich Gittinger nach Schwäbisch Gmünd versetzen, wo er alle drei Stadtpfarrstellen durchlief. Dort übernahm er zudem die Ämter des Hausgeistlichen an der Strafanstalt Gotteszell und des Garnisonspfarrers. Im Ersten Weltkrieg ließ Gittinger mehrere Kriegspredigten im Druck erscheinen. Für seine Dienste als Garnisonspfarrer wurde ihm 1916 das Wilhelmskreuz verliehen. In seiner Funktion als 1. Stadtpfarrer oblag Gittinger auch die Leitung des evangelischen Arbeitervereins, die Geschäftsführung des evangelischen Frauenbundes und die Leitung der freiwilligen Sonntagsschule. Zudem war er Vorstand im Kirchenchor und wirkte aktiv als Sänger mit. Auch die Arbeit des CVJM unterstützte er tatkräftig. Gittinger war also nicht nur Seelsorger und Prediger, sondern beteiligte sich an der Gestaltung des Gemeindelebens in hohem Maße. Nach seiner Pensionierung war Gittinger ein beliebter Redner. Er hielt noch viele Vorträge und veröffentlichte in kirchlichen Zeitschriften kleinere Aufsätze, die einen populärwissenschaftlichen Charakter hatten. Dabei ließ ihn der Schwarzwald nicht los. Die Beurteilung aus seiner Vikariatszeit als guter Redner, der die Menschen fesseln konnte, galt auch noch im Alter. Zwei seiner Töchter verheirateten sich nicht und lebten im Haushalt der Eltern; nach dem Tod der Mutter 1936 führten sie für den betagten Vater den Haushalt.
Quellen: LKAS PA 777.
Werke: So sem’mer Leut!, o. J., 8. Aufl.; Schwobaleut, 3. Aufl. 1906; Von dem ond von sellam, 2. Aufl. 1925; Der airscht Petrusbrief in der Mundart des oberen Murgtales (Schwarzwald), 1938; Der Schulmeister Pfefferle, [1997] (Wiederveröffentlichung aus dem Gemeindeblatt der Gesamtgemeinde Baiersbronn 1935–1937).
Nachweis: Bildnachweise: Otto Gittinger, So sem’mer Leut!, [1999] (Wiederveröffentlichung), 1; Hummel, Geist und Kirche, 81; Biographisches Handbuch, 155; Schwabenspiegel, 53.

Literatur: Heribert Hummel, Geist und Kirche 2: Blaubeurer Klosterschüler und Seminaristen (Alb und Donau. Kunst und Kultur, Bd. 42), 2004, 81–83; Hermann Ehmer, Hansjörg Kammerer, Biographisches Handbuch der Württ. Landessynode, 2005, 155; Schwabenspiegel, Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1800–1950, Bd. 1. 2, 2006, 53 f.
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