Kärcher, Alfred 

Geburtsdatum/-ort: 27.03.1901;  Cannstatt
Sterbedatum/-ort: 17.09.1959;  Winnenden
Beruf/Funktion:
  • Maschinen- und Elektroingenieur, Konstrukteur und Unternehmer
Kurzbiografie: bis 1919 Oberrealschule Cannstatt bis Klasse 3, dann Reformrealgymnasium, jetzt Zeppelin Gymnasium, bis Abitur
1920–1924 Maschineningenieurstudium vom SS 1920 bis SS 1924 mit Abschluss Dipl. Ing. „gut bestanden“ an d. TH, heute Univ. Stuttgart; Mitglied d. Burschenschaft Alemannia
1924–1935 Eintritt in das väterl. Vertretungsbüro für techn. Artikel, haupts. Großküchen; Ausbau des Geschäfts zum Ingenieurbüro u. ab 1929 Gesellschafter im väterl. Betrieb
1935 Gründung d. Alfred Kärcher KG
1935–1939 1935 Entwicklung des Salzbadofens, Patente 1936 an die Siebert GmbH in Hanau, Tochterunternehmen d. Degussa, verkauft; im Auftrag d. Lufthansa, Entwicklung von Heizgeräten zum Anwärmen von Motoren
1939–1945 Umzug d. Fabrik nach Winnenden in das 1937 gekaufte, dann umgebaute Gelände d. Fabrik Dr. Karl Thomae; Produktion u.a. von Heiz- u. Motoraufwärmgeräten, Enteisungsgeräten für Flugzeugtragflächen, Verneblerdüsen für Daimler-Benz-Motoren, Heizgeräte einschl. zugehöriger Fahrgestelle; während des II. Weltkrieges weiterhin Heißluftgeräte zum Vorwärmen und Beheizen von Fahrzeugen, Flugzeugmotoren, -tragflächen, auch Flugzeugkabinen
1945–1949 unmittelbar nach Kriegsende als bisheriger Rüstungsbetrieb geschlossen, dann Treuhänder eingesetzt als Vorgesetzter von Kärcher; Produktion auf Notsituation umgestellt: Öfen u. Kleinstherde, Anhänger; Ansteigen d. Mitarbeiterzahl von 1945, 40, bis 1948 auf 141
1951–1959 erste Teilnahme an d. Hannover-Messe mit DS 350, dem ersten Heißwasser-Hochdruckreiniger in Europa; darin u. in Dampferzeugern wie DE 25–25 nun d. Produktionsschwerpunkt; 1959: 259 Mitarbeiter
2009 IX 17–2010 II 7 Ausstellung d. Alfred Kärcher GmbH&Co. KG zum 50. Todestag Kärchers in Winnenden
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1949 (Winnenden) Irene, geb. Herzog (geboren 1920)
Eltern: Vater: Emil (1864–1938), Kaufmann, selbst. Vertreter
Mutter: Johanna, geb. Dietrich (geboren 1870)
Geschwister: 3 Schwestern
Kinder: 2; Johannes (geboren 1950) u. Eva-Susanne (geboren 1957)
GND-ID: GND/139630414

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 222-225

Wenigen Unternehmen ist es gelungen, mit ihrem Namen in die Umgangssprache einzudringen: „Kärchern“ ist zum Begriff geworden in Deutschland, wenn gründliches Reinigen gemeint ist, genauso wie weiland der französische Innenminister Sarkozy von „nettoyer au Karcher“ sprach und damit einen Begriff gebrauchte, der etwa seit den 1970er-Jahren in der französischen Sprache gängig ist. Dies hat sich zwar erst relativ lange nach Kärchers Tod so ergeben, geht aber unmittelbar auf das Wirken des ungemein einfallsreichen und vielseitigen Firmengründers zurück.
Schon der Cannstatter Junge galt als experimentierfreudig, ein Tüftler, was den Eltern nicht entging. Sie schickten ihn nach drei Jahren Oberrealschule ins Stuttgarter Reformrealgymnasium, das unter dem Namen Zeppelin-Gymnasium weiterbesteht, und einen guten Ruf genoss wegen seiner naturwissenschaftlichen Ausrichtung. Nach dem Abitur an dieser Schule war es fast naheliegend, dass Kärcher – praktisch veranlagt, wie er war – sich in der Stuttgarter Technischen Hochschule einschrieb, um Maschinenbau und Elektrotechnik zu studieren. Seine Interessenschwerpunkte wurden bald deutlich: über Dampfkessel- und Motorenbau hörte er und galt als ein gleichermaßen begabter wie umgänglicher Student, der 1924 diplomiert wurde. Praktika hatte er nach den Unterlagen des Stuttgarter Universitätsarchivs inzwischen bei der Maschinenfabrik Esslingen, bei Daimler in Untertürkheim und in der Cannstatter Eisengießerei Streicher absolviert.
Gleich danach trat er ins Geschäft des Vaters ein, doch der reine Verkauf technischer Artikel, von Großküchen bis zu Wäschereigeräten, erfüllte ihn nicht. Der Ingenieur aus Leidenschaft wollte ergründen, wie die Produkte funktionieren, die er verkaufte. Immer wieder entwickelte er dabei Ideen, den Funktionsablauf zu optimieren. Besser machen, das war sein Ziel: Um- und Neukonstruktion, nicht nur Verkauf. So verwandelte er allmählich die bisher reine Vertretung von Fremdprodukten, baute ein Ingenieurbüro auf und wurde 1929 zum Gesellschafter bei seinem Vater.
Schon damals begann er eigene Geräte zu entwickeln, elektrische Großtauchkörper, Industrie- Tauchsieder. Seine sparsamen und wartungsarmen Beheizungssysteme wurden langsam bekannt, so dass er sein Sortiment behutsam erweitern konnte. Der nächste Schritt war 1935 die Gründung einer eigenen Kommanditgesellschaft, der Alfred Kärcher KG mit seinem Vater als Kommanditisten. Im gleichen Jahr brachte Kärcher den „Kärcher-Salzbadofen“ auf den Markt, wiederum ein kostengünstiges Heizsystem für Salzschmelzbäder, das zum Härten und Veredeln von Leichtmetallen eingesetzt wurde. Im industriellen Heizbereich produzierte Kärcher Tiegelöfen und große Heizstäbe zum Wärmen und Erhitzen von Fetten und Teer. Solche Spezialheizgeräte standen bis 1936 im Zentrum von Kärchers Bemühen. Dann war er aber an technische Grenzen gelangt: dieses Feld schien vorläufig ausgereizt, bot keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten mehr. Kärcher verkaufte seine einschlägigen Patente an eine Degussa-Tochter und setzte damit Mittel frei, die er bald gut einsetzen konnte.
Der Übergang in ein anderes Geschäftsfeld hatte sich zuvor schon abgezeichnet. Kärcher war seit zwei Jahren damit beschäftigt, zusammen mit dem Konstrukteur Albert Mössner ein Heizgerät zum Erwärmen von Flugzeugmotoren für die Lufthansa zu entwickeln. Das erste Ergebnis waren zwei benzinbetriebene Heißluftbläser, Möwab A und B, die das Reichsluftfahrtministerium später in beachtlicher Stückzahl kaufte, was Kärchers Geschäft belebte.
Der in Cannstatt zur Verfügung stehende Raum reichte bald nicht mehr. Darum erwarb Kärcher am 30. Juni 1937 das Werksgelände von Dr. Karl Thomae in Winnenden, wo um die Jahrhundertwende die Vereinigten Seifenfabriken Stuttgart Soda produziert hatten und die Thomae&Cie später Glycerin und Natronlauge. Dann wurde der klamme Betrieb 1928 von Albert Boehringer (1861–1939) übernommen, dem Gründer des Ingelheimer Chemie und Pharma-Unternehmens. Boehringer hatte zwar um die Mitte der 1930er-Jahre die Produktion wieder aufnehmen wollen und der Gemeinderat von Winnenden hatte dem 1934 auch zugestimmt, Kärcher kaufte jedoch das Gelände dem Besitzer Thomae 1937 ab und nach genau zweijährigen Umbau- und Renovierungsarbeiten zog sein Unternehmen dort ein. Zu Kärchers wichtigsten anfangs in Winnenden gebauten Vorwärmgeräten gehörte der ab 1938 gefertigte „Heißgasbläser 35“, der nach dem Stoßbrennerprinzip ein erwärmtes Gas-Luft-Gemisch ausblies und zum Vorwärmen von Motoren in kalter Umgebung eingesetzt wurde. Das nur 26 kg schwere Gerät mit Schlittenkufen war leicht transportabel und wiederum weitgehend wartungsfrei. Ein reiner Klein-Heißluftbläser war der ab 1940 produzierte „Knirps“, der auch zur Aggregaterwärmung diente. Einem mittelgroßen, geschlossenen Bottich gleich, 30 kg schwer und mit einer Tragevorrichtung versehen, arbeitete dieses Gerät über einen Wärmetauscher. Ein Teil der vom Gebläse eingezogenen Frischluft wurde zum Brenner geleitet, der andere über dem Wärmetauscher erhitzt und als bis 120 Grad Celsius heiße Luft ausgeblasen. Nach dem gleichen Prinzip funktionierte der 1945 hergestellte, leistungsstärkere, auch fast dreimal so schwere „Zwerg“. Bald produzierte Kärcher auch Enteisungsgeräte. Ein Typ blies Heißluft in die Tragflächen von Flugzeugen und suchte sie so eisfrei zu halten. Es gab auch Aufsätze für mobile Motorenanwärmer zum Enteisen vor und nach dem Start, deren Fahrgestelle ebenfalls von Kärcher produziert wurden. Kabinenheizgeräte mit der Typenkennung BLO wurden erst seit Anfang der 1940er-Jahre produziert. Modelle mit der näheren Bezeichnung U dienten zur Kabinenbeheizung, die mit T zur Tragflächen- und Leitwerkerwärmung. Solche Geräte nahmen Fahrtwind auf und waren durchweg im Flugzeug festeingebaut, was bei der Fertigung oder nachträglich geschehen konnte. Nur die Bordheizgeräte hatten Absperrklappen, die geschlossen blieben, solange das Gerät nicht in Betrieb war, so dass keine Kaltluft in die Flugzeugkabine eintreten konnte. Die eintretende Frischluft wurde bei diesen Geräten durchweg über Wärmetauscher erhitzt. Diese Geräte, die bis 60 000 kcal/h Leistung erreichten und Heißlufttemperaturen bis 150 Grad Celsius, waren benzin- oder kerosinbefeuert.
Erwartungsgemäß wurde auch Kärchers Fabrik nach Kriegsausbruch voll in die allgemeine Rüstungswirtschaft eingefügt, was sich zwar zum Teil lukrativ auswirkte, die nach dem Zusammenbruch ohne hin schwierige Notsituation aber nur verschlimmerte. Dieser Vorgang war beileibe nicht für Kärchers Unternehmen alleine zutreffend, er dürfte auf fast alle, zumal mittelständische Unternehmen zutreffen, die in hohem Maße für die Rüstung produziert hatten, wie auch am Beispiel Heinrich Vollmer abzulesen. Nach dem Zusammenbruch wurde Kärchers Betrieb ganz geschlossen, dann dem Eigentümer und Fabrikchef ein Treuhänder vorgesetzt. Kärcher trug sich daraufhin zeitweise sogar mit Verkaufsgedanken. Dann aber raffte er sich auf, passte seine Produktion den Umständen an und suchte für den unmittelbaren Bedarf der notleidenden Bevölkerung zu produzieren: Öfen wie der Kärcher-Blechmantel-Rundofen O2, der den Beinamen Flüchtlingsofen trug, wurden aus Bombenkartuschen hergestellt, außerdem ein aus noch greifbaren Blechbeständen gefertigter 2-Platten-Kleinherd, der sogenannte Sparherd. In Zusammenarbeit mit einer Fellbacher Firma wurden daneben ein- und zweiachsige Anhänger hergestellt. Mit dem einsetzenden Wiederaufbau kamen auch Frischluftheizgeräte ins Programm. Der Tiefpunkt war 1948 überwunden, das zeigt die auf das Dreieinhalbfache gestiegene Mitarbeiterzahl: 40 beim Ende des Krieges, 141 drei Jahre später.
Kärcher, der allgegenwärtige und ungemein aktive Chef, achtete in dieser Zeit immer darauf, dass das Wir-Gefühl seiner Leute gepflegt wurde. Ausflüge und Betriebsfeiern bildeten keine Seltenheit. So wie er nun auch mit seiner langsam wachsenden Familie gerne in die heimatliche Umgebung fuhr. Das Geschäft unterdessen florierte, wie die ganze Wirtschaft der Bundesrepublik schnelle Fortschritte machte. Auf der Deutschen Industriemesse in Hannover 1951 überraschte Kärcher mit seiner neuesten Entwicklung: er präsentierte KW 350, später DS 350 genannt, den ersten europäischen Heißwasser-Hochdruckreiniger.
Auch hier war ihm der gute Ruf seiner Produkte zugutegekommen und die amerikanische Armee. In den USA waren schon seit Ende der 1920er-Jahre Dampfstrahler auf dem Markt, die mit der US-Army 1945 nach Deutschland gelangten. Kärcher bekam den Auftrag, diese Geräte zu warten und schaute sie sich genau an. Wie es seine Art war, kam er bald auf bessere Detaillösungen; denn er konnte seine große Erfahrung mit der Heiztechnik einbringen. Kärcher änderte die Pumpe, den Brenner und erhöhte die Betriebssicherheit des Geräts, steigerte den Düsendruck und senkte die Arbeitstemperatur. Das Grundprinzip war einfach: eine Pumpe fördert Wasser durch die Heizschlange bis zur Hochdruckdüse, wo der Dampfstrahl austritt – wie immer lag der Erfolg im Zusammenwirken der Einzelteile. Bei einer Fördermenge von 700 l/h vermochte die imposante 220 kg schwere DS 350 einen Wasserdruck von bis zu 10 bar zu erzeugen, bei Wassertemperaturen des Sprühstrahls bis 150 Grad Celsius. Von diesem Typ verkaufte Kärcher 299 Stück, kein überwältigendes Ergebnis. Es mag heute fast seltsam anmuten, dass der schnelle Erfolg ausgeblieben war. Das aber ließ ihn nicht einknicken. Er „tüftelte“ weiter. 1954 brachte er mit dem DS 570 ein zwar um die Hälfte schwereres Gerät heraus, vermochte aber auch die Leistungskraft der Pumpe zu verdoppeln und erreichte einen um etwa 60 Prozent höheren Wasserdurchlauf. Außerdem verbesserte er die Mobilität des Geräts, das auf Rädern oder auf einem Anhänger montiert geliefert wurde. Bei diesem bis 1959 gefertigten Typ lag die Stückzahl bereits bei 500.
Kärcher arbeitete an seinem letzten Produktionsschwerpunkt unvermindert weiter und brachte noch eine ganze Reihe weiterer Modifikationen auf den Markt, darunter die DS 59–12, das leistungsstärkste Gerät der heute „historischen“ Reihe in der Produktion des Werks. Es war wieder alternativ elektrisch oder durch einen Benzinmotor angetrieben und konnte Wasser auch aus stehenden Behältern entnehmen. Die Einsatzmöglichkeiten der Geräte wurden immer mannigfacher, in Stallungen der Landwirtschaft wie auf Baustellen, in Schlachthöfen und Großküchen, aber auch zur Leitungsreinigung und Desinfektion konnten sie eingesetzt werden. Darauf wurde das Zubehörprogramm zugeschnitten.
In der Mitte des Jahrzehnts brachte Kärcher den DE 25–25 auf den Markt, einen mobilen Dampferzeuger mit eingebauter Wasserenthärtung vor allem für Industrie und Baugewerbe, den das Werk bis 1977 produzierte. Er war über 500 kg schwer und wurde auch zum Auftauen in der Kanalisation eingesetzt oder von gefrorenem Kies, wovon das Gerät stündlich bis zu 10 t bewältigte. Vom DE 25–25 wurden insgesamt 4312 Stück gefertigt.
1959 waren die Dampferzeuger die mit Abstand wichtigsten Produkte der Fabrik, die jetzt 256 Mitarbeiter beschäftigte. Auch wenn zu Kärchers Lebzeiten insgesamt wohl kaum 1000 Dampfstrahler verkauft wurden, hatte er damit doch die Richtung eingeschlagen, die die weitere Produktion seines Werks prägen sollte. Völlig überraschend wurde in diesem Jahr der frühe Schlussstrich unter Kärchers Wirken gezogen. Vormittags, in seinem Betrieb, erlag der 58-jährige Mann völlig unerwartet einem Herzinfarkt und wurde vier Tage später in Winnenden beerdigt.
Quellen: UA Stuttgart, Prüfungsakte Kärcher, ohne Signatur; Auskünfte d. Alfred Kärcher GmbH&Co KG vom Dezember 2015.
Werke: Patente (Auswahl): Elektrischer Tauchheizkörper (Salzbadofen, 1933); Rekuperativer Lufterhitzer (Motorenanwärmer, 1936); Warmluftheizung von Flugzeuginnenräumen (Bordheizgerät) u. Zerstäuberbrenner (beide 1939); Dampfstrahlreiniger (1954); Spritzvorrichtung für Oberflächenbehandlung (1957).
Nachweis: Bildnachweise: Foto (um 1950?), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 225, mit Genehmigung d. Firma Kärcher – Alfred Kärcher 2009, passim.

Literatur: Alfred Kärcher GmbH&Co. KG (Hg.), Alfred Kärcher – ein württ. Tüftler u. Unternehmer, Begleitband zur Ausstellung anläss. seines 50. Todestages, 2009 (83 S. mit zahlr. Bildern Kärchers)
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