Blezinger, Richard 

Geburtsdatum/-ort: 06.11.1847;  Gaildorf
Sterbedatum/-ort: 04.06.1928;  Crailsheim
Beruf/Funktion:
  • Apotheker, Fossiliensammler und Kommunalpolitiker
Kurzbiografie: 1853-1861 Volksschule und Realschule Gaildorf
1861-1869 Apothekerlehre in Gaildorf, Gehilfe in Schwäbisch Hall, Vevey, Menton, Wiesbaden
1869-1871 Studium der Pharmazie in Tübingen
1870/71 Kriegsfreiwilliger
1872 Approbationsexamen in Tübingen
1872-1874 Mitarbeit in der Apotheke des Bruders Eberhard Blezinger in Schwäbisch Hall
1874 Kauf der Faberschen Apotheke in Crailsheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Hofrat (1897); Ehrenbürger der Stadt Crailsheim (1912); Ehrendoktor der Universität Tübingen (1927)
Verheiratet: 3.9.1874 (Crailsheim) Friederike Charlotte Magdalene, geb. Welsch (geb. 26.2.1854, gest. 28.3.1926)
Eltern: Vater: Eberhard Friedrich Blezinger (1808-1893), Apotheker in Gaildorf
Mutter: Helene Henriette, geb. Mützel (1816-1882)
Geschwister: 4 Brüder
4 Schwestern
Kinder: Eugenie (geb. 1875)
Robert (geb. 1878)
Hedwig (geb. 1880)
Ottmar (geb. 1882)
Johanna (geb. 1884)
GND-ID: GND/141661933

Biografie: Hans König (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 15-16

Sein Vater hat in ihm wohl schon in jungen Jahren die Freude an der Natur geweckt und seine Liebe zur Botanik gefördert. Vom Vater erhielt er sicher auch die ersten Anstöße für sein Interesse an der Paläontologie. Vater Blezinger hatten die sensationellen Funde des Urlurchs Mastadonsaurus giganteus in den Stollen des Gaildorfer Alaun- und Vitriolbergwerkes zwischen 1832 und 1840 tief beeindruckt.
In den Steinbrüchen und in den Landschaftseinschnitten für den Eisenbahnbau im Bereich Crailsheim fand der Sammler Blezinger unzählige Fossilien des Muschelkalks. Seine Sammelleidenschaft, angeregt durch die vielen Funde von Schlangensternen, Seesternen, Seelilien, gepanzerten Kriechtieren, Meeressauriern, Knochen, Muscheln und Krebsen, war so groß, dass er zeitweise einen Sammler anstellte, der ihm Material suchte und zutrug. Blezinger beschränkte sich aufs Sammeln der Fossilien, die wissenschaftliche Auswertung überließ er andern. Dabei zeichnete ihn aus, dass er seine Sammlung bereitwilligst der Wissenschaft öffnete. Crailsheim wurde durch ihn zu einem Exkursionsziel für Muschelkalkforscher und Paläontologen und Blezinger freute sich, wenn er Forschern sein unbekanntes Material zur Auswertung überlassen konnte.
Die Forscher dankten es Blezinger in dem sie von ihm gefundene Fossilien nach ihm benannten. So heißt eine Schnecke Chemnitzia blezingeri, eine Muschel Myalina blezingeri und ein Wirbelkörper Blezingeria ichthyospondyla. Aus seiner großen Sammlung stiftete er ab 1886 fast jährlich wertvolle Fossilien dem Naturalienkabinett, dem heutigen Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. Als 1921 der größere Teil seiner Sammlung zum Verkauf stand, gelang es der Universität Tübingen dank großzügiger Spenden von Unternehmern zu verhindern, dass die Blezingersche Sammlung ins zahlungskräftigere Ausland abwanderte. Trotz der beginnenden Inflationszeit hatte Blezinger mit einer mäßigen Forderung zum Verbleib seiner Funde in Deutschland beigetragen. Die Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen ehrte ihn aus Anlass seines 80. Geburtstags 1927 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde.
Seine umfassenden Kenntnisse der Flora des Crailsheimer Raumes fanden ihren Niederschlag in seinem Beitrag über das Pflanzenreich in der 1884 erschienenen Oberamtsbeschreibung von Crailsheim. Ab 1890 kaufte Blezinger Wiesen und Äcker am nordöstlich von Crailsheim gelegenen Kregelberg auf, um dort einer breiten Öffentlichkeit die heimische Flora näher bringen zu können. Das Gelände benannte er „Wilhelmshöhe“ nach Kaiser Wilhelm, den er sehr verehrte. Viel, viel Zeit und erhebliche Geldmittel investierte er in dieses Vorhaben. Am Kregelberg entstand ein botanischer Garten, der die Flora der Muschelkalkhänge des Jagsttales, der Lettenkeuperebene und des Keuperberglandes zeigte. In einem Alpinum wurden Pflanzen aus der ferneren Heimat gezeigt. Am schönsten Aussichtspunkt in die Hohenloher Ebene ließ Blezinger eine Art Miniaturschlößchen, die „Villa“, errichten. In dem botanischen Garten wurde eine 3,5 Meter hohe Pyramide gebaut, an der die Gesteine Hohenlohes aus einer Schichtenfolge von 200 Metern gezeigt werden. Diese geologische Pyramide war die erste dieser Art auf der Welt.
Mit dem Tod Blezingers verlor die Anlage ihren Betreuer und die Kinder übergaben die Anlage der Stadt Crailsheim als Stiftung. Heute leuchtet die Villa noch vom Kregelberg, und die Pyramide ist im Gebüsch versteckt. Vom botanischen Garten ist nichts mehr erkennbar. Ein Vogelpark und ein Spielplatz laden stattdessen als beliebtes Ausflugsziel zum Besuch ein.
Trotz seiner erfolgreichen Sammlertätigkeit vernachlässigte er keinesfalls seine Apotheke. Von 1887 bis 1900 übte er das Amt eines Apothekenvisitators aus und engagierte sich auch noch gesellschaftlich. Seit 1875 Mitglied der Deutschen Partei leitete er von 1885 bis 1900 den Gewerbeverein Crailsheim und war von 1887 bis 1891 Vorstand des Gewerbeschulrats. Dem Bürgerausschuss und dem Gemeinderat gehörte er mehrere Wahlperioden (1877-1905) an. 1907 übergab Blezinger seine Apotheke an seinen Sohn Robert und seinen Schwiegersohn Richard Göbel.
Werke: Pflanzen, in: OAB Crailsheim, 1884, 43-59.

Literatur: F. Berckheimer, Hofrat Dr. h.c. R. Blezinger †, in: Jb. des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 82 (1928), XXIV-XXV; E. Fraas, Die Triaszeit in Schwaben. Ein Blick in die Urgeschichte an Hand von R. Blezingers geologischer Pyramide, 1900; Hans Hagdorn, Ein Fossiliensammler und seine Sammlung, in: Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde Württemberg 134 (1979), 111-125; Karl Wiedmann (Hg.), Hofrat Dr. h.c. Blezinger und die Crailsheimer Geologie, ein illustriertes Literaturverzeichnis, 1987; Hans Hagdorn, Neue Forschungen zur Erdgeschichte von Crailsheim, zur Erinnerung an Hofrat R. Blezinger, 1988.
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