Württemberg, Charlotte, Königin/ seit 1918 Herzogin 

Geburtsdatum/-ort: 10.10.1864; Ratiboritz/Böhmen
Sterbedatum/-ort: 16.07.1946;  Bebenhausen bei Tübingen; begr. auf dem Alten Friedhof Ludwigsburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 8.4.1886 Prinz Wilhelm von Württemberg
Eltern: Vater: Prinz Wilhelm von Schaumburg-Lippe
Mutter: Bathildis, geb. Fürstin von Anhalt
GND-ID: GND/1013171349

Biografie: Anne Lipp (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 335-337.

Charlotte wuchs in der fürstlichen Herrschaft Nachod/Böhmen auf. Neben Interessen wie Musik und bildende Kunst hegte sie offenbar auch sportliche, wie Schwimmen, Tennisspielen, Radfahren und – für eine Frau der damalige Zeit noch ungewöhnlich – Skifahren. Als ausgefallen galt auch ihre Jagdleidenschaft.
Am 8. April 1886 heiratete sie den württembergischen Thronfolger, Wilhelm II.. Sie war dessen zweite Ehefrau und galt in Württemberg, ebenso wie ihre Vorgängerin Marie von Waldeck-Pyrmont, als politisch unbedeutende Partie. Sollte die Heirat aus Gründen der Staatsräson erfolgt sein – es fehlte ein männlicher Nachkomme – so ging dieses Kalkül nicht auf, denn die Ehe blieb kinderlos.
Als württembergische Prinzessin lebte sie zunächst in Ludwigsburg und Stuttgart, als Königin im Wilhelmspalais in Stuttgart. Während der Monate Juni bis Oktober verlegte das Königspaar seinen Wohnsitz nach Friedrichshafen. Im November/Dezember schließlich verbrachten Wilhelm und Charlotte regelmäßig einen zweiwöchigen Jagdaufenthalt im Jagdschloß Bebenhausen bei Tübingen. Nach den politischen Umwälzungen von 1918 sollte Bebenhausen der ständige Wohn- und Witwensitz der ehemaligen Königin und nunmehrigen Herzogin Charlotte werden.
Während sich König Wilhelm II. bei seinen Zeitgenossen einer ausgeprägten Beliebtheit erfreute, scheint Charlottes Verhältnis zu den Württembergern eher ein reserviertes gewesen zu sein. Augenfällig wird dies in den zeitgenössischen Veröffentlichungen, die sich durch Überschwang gegenüber dem König und eine deutliche Zurückhaltung gegenüber der Königin auszeichnen. Die Kinderlosigkeit mag ein Grund hierfür gewesen sein, reicht aber als Erklärung für die zeitgenössische Reserviertheit nicht aus. Ein anderer Grund scheint darin zu liegen, daß Charlotte nicht bereit war, ihre höfischen Repräsentationspflichten in dem erwarteten Umfang zu erfüllen. Ihre Geburtstage feierte sie beispielsweise lieber in der Abgeschiedenheit Friedrichshafens als in augenfälliger Verbundenheit mit der Bevölkerung, Militärparaden ließ sie den König meistens alleine abnehmen und zu den Kaisergeburtstagen nach Berlin begleitete sie ihren Mann schon nach wenigen Jahren als Königin nicht mehr.
Charlotte war aber nicht nur die Königin, die einen sehr eigenwilligen Umgang mit der Repräsentation pflegte, sondern sie war auch die Monarchin, die sich den Entwicklungen der Moderne gegenüber aufgeschlossen zeigte. Deutlich wird dies an ihrem sozialpolitischen Engagement. Den Konventionen folgend, übernahm sie allein von ihren Vorgängerinnen 32 Protektorate über soziale und karitative Einrichtungen. Neben vielen anderen gehörte das Diakonissenwesen, der Schwäbische Frauenverein, die Zentralleitung für Wohltätigkeit, die Württembergische Sparkasse und das Rote Kreuz dazu. Bei den Schirmherrschaften, die sie persönlich als Königin übernahm, fällt ein besonderes Interesse für die „Selbständigmachung der Frauenwelt“, wie es ein zeitgenössischer Beobachter nannte, auf. Natürlich engagierte sich Charlotte nicht persönlich in der Frauenbewegung, aber sie signalisierte Übereinstimmung mit deren Zielen, indem sie die Protektorate für Einrichtungen übernahm, die die Verbesserung weiblicher Belange im Blick hatten. Mit ihrer Autorität als Königin unterstützte Charlotte vor allem Bildungseinrichtungen, in denen Mädchen zu selbständiger Berufstätigkeit ausgebildet werden sollten. Ganz besonders zeigte sich ihr frauenpolitische Engagement in der Patenschaft für den Württembergischen Malerinnenverein sowie für das erste württembergische humanistische Mädchengymnasium, das Charlottengymnasium (heute Hölderlingymnasium).
Die Unterstützung für den Malerinnenverein deutet bereits auf ein anderes Interessengebiet Charlottes, den Bereich der Kunst und Kultur. Zusammen mit ihrem Mann nahm sie regen Anteil am kulturellen Leben, wobei ihre ganz besondere Zuwendung der Oper und dem Theater gehörten.
Nach der Novemberrevolution 1918 und nach dem Tod ihres Mannes führte Charlotte als Herzogin von Württemberg ein zurückgezogenes Leben in Bebenhausen. Bei seinem Rücktritt hatte Wilhelm II. mit dem württembergischen Staat für sich und seine Frau ein lebenslanges Wohnrecht im Schloß Bebenhausen und ein jährliche Rente vereinbart. Neben der staatlichen Apanage erhielt Charlotte aus der herzoglichen Rentkasse (Hofkammer) einen Zuschuß für die Hofhaltung. Nach dem Tod ihres Mannes lebte Charlotte als Herzogin zurückgezogen noch 25 Jahre in Bebenhausen. 1944 erlitt sie einen Schlaganfall, der sie zwang, die letzten beiden Jahre ihres Lebens im Rollstuhl zu verbringen.
Quellen: Archiv des Hauses Württemberg Altshausen, Hofdomänenkammer, Bü 815.
StadA Stuttgart.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997

Literatur: Chronik der Stadt Stuttgart, hrsg. vom Gemeinderat, Stuttgart 1898–1912.
Brigit Janzen, König Wilhelm II. als Mäzen. Kulturförderung in Württemberg um 1900, Frankfurt/Main 1995.
Hermann Mosapp, König Wilhelm von Württemberg. Sein Leben und seine Regierung, Stuttgart 1916.
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