Württemberg-Urach, Eberhard V./I., Graf/Herzog (seit 1495) 

Andere Namensformen:
  • Eberhard im Bart
Geburtsdatum/-ort: 11.12.1445;  Urach
Sterbedatum/-ort: 24.2.1496 oder 25.2.1496;  Tübingen; begr. im Stift St. Peter im Einsiedel, 1537 Überführung in die Stiftskirche Tübingen
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: April 1474 Barbara Gonzaga, geb. von Mantua (Dez. 1455-30.5.1503)
Eltern: Vater: Graf Ludwig I. von Württemberg-Urach (vor dem 31.10.1412-23./24.9.1450)
Mutter: Mechthild, geb. Pfalzgräfin bei Rhein (7.3.1419-22.8.1482)
Geschwister: Mechthild (vor 1441-3./6.6.1495)
Ludwig II (3.4.1439-3.11.1457)
Andreas (11.5.1443-19.5.1443)
Elisabeth (2./3.10.1447-2.6.1505)
Kinder: 3; Ludwig (ca. 1465-1495), Margarethe (Tod 1493), Barbara (1475-1475/76)
GND-ID: GND/11852853X

Biografie: Dieter Mertens (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 92-95

Eberhard war das vierte der fünf Kinder seiner Eltern; er war der dritte Sohn, doch seit 1457, seit dem Tod seines Bruders Ludwig, der einzige überlebende. 1459 gelangte Eberhard zur Regierung über die Uracher Hälfte der Herrschaft Württemberg, zu der auch die Grafschaft Mömpelgard gehörte. Über die Stuttgarter Hälfte herrschte seit der Teilung von 1441/1442 sein Oheim Ulrich V.. Als Eberhard mit fünfzig Jahren starb, hinterließ er ein unter seiner alleini¬gen Herrschaft wieder zusammengeführtes und als reichslehenbares Herzogtum vereinheit¬lichtes Land. In den gut sechsunddreißig Jahren seiner Herrschaft – nur drei Württemberger vor ihm regierten länger – vermochte Eberhard das Land entscheidend zu festigen. Doch er besaß keinen leiblichen Erben. Dynastische Probleme bestimmten daher Eberhards Herrschaft in sehr hohem Maße.
In den 1450er Jahren bot Eberhards Minderjährigkeit (wie schon die Minderjährigkeit und Krankheit seines Bruders Ludwig) den konkurrierenden Verwandten in Stuttgart und Heidelberg die Möglichkeit der Einflußnahme: dem Bruder des Vaters, Graf Ulrich V. von Württemberg, und dem Bruder der Mutter, Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz. Als die Vormundschaft über Eberhard V. mit dessen vierzehntem Lebensjahr endete, bot seine Mutter familiären Rückhalt. Mechthild, 1452 in zweiter Ehe mit Erzherzog Albrecht von Österreich verheiratet, stützte von ihren württembergischen und habsburgischen Wittumssitzen Böblingen und Rottenburg aus ihren Sohn gegenüber den Stuttgarter Verwandten. Auch übernahm sie die Erziehung zweier seiner unehelichen Kinder: des später vom Kaiser legitimierten und geadelten, in Rom zum Doktor der Rechte promovierten Sohnes Ludwig (ca.1465–1495) und der Tochter Margarete († 1493). 1474 vermählte sich Eberhard mit Barbara Gonzaga Markgräfin von Mantua, mütterli¬cherseits einer Großnichte des äußerst einflußreichen Markgrafen Albrecht Achilles, Kurfürsten von Brandenburg. Aus dieser Ehe ging einzig eine 1475 geborene und noch im selben Jahr verstorbene Tochter hervor. Ihre dynastische Not ha¬ben Eberhard und Barbara im Bildprogramm des Achsenfensters im Chor der Tübinger Stiftskirche (1477/78) zum Ausdruck bringen lassen, es zeigt die Legende von Joachim und Anna, den Eltern Mariens, die lange Jahre unter der Schmach der Kinderlosigkeit gelitten hät¬ten. Schließlich sah Eberhard in dem 1487 ge¬borenen Sohn seines Vetters Heinrich die Lösung des dynastischen Problems Württembergs und holte das Kind – den späteren Herzog Ulrich –, dessen Mutter bei der Geburt gestorben war, sogleich nach Stuttgart, um es an seinem religiös und kulturell ambitionierten Hof zum Nachfolger heranzubilden.
Die dynastischen Krisen und Probleme riefen nicht nur die Verwandten auf den Plan, sondern erstmals auch die württembergischen Stände. Von Stuttgart und Heidelberg umworben und von den Räten geführt, entschieden Ritterschaft und Landschaft (die aus den den Amtsstädten sich rekrutierende Vertretung der Untertanen) von Württemberg-Urach 1459 zugunsten Eberhards gegen Ulrich V. und sein Engagement im zollerisch-wittelsbachischen Fürstenkrieg. Damals wurde der Grund gelegt für die künftige Mitwirkung der Landstände – seit 1481 auch der Prälaten – an wichtigen, das Land als Ganzes betreffenden Entscheidungen. Eberhard hat sich fortan der Stände bedient, um die wichtigste Leistung seiner Herrschaft zu sichern, die Wiedervereinigung der 1441/1442 getrennten Landeshälften nach vierzig Jahren im Münsinger Vertrag von 1482. Seit 1489 regelte er in Verträgen seine Nachfolge zugunsten seines Neffen Ulrich auf Kosten seines Vetters Eberhard des Jüngeren und übertrug den Ständen in Gestalt eines Zwölfer-Ausschusses sogar die interimistische Regierungsgewalt. Die Stände sollten also den gefährlichen Mangel dynastischer Kontinuität kompensieren. Gleichzeitig sollten sie ein württembergi¬sches Gegengewicht bilden gegen den zunehmenden Einfluß Habsburgs, den Eberhard in Kauf nehmen mußte. Denn die reichsrechtliche Absicherung der Wiedervereinigung des Landes und der Nachfolgeregelung erforderte die Mitwirkung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians I. seit 1473. Sie kulminierte in der Erhebung der Grafschaft zum Herzogtum Württemberg am 21. Juli 1495. Dadurch wie auch durch das mehrmalige Eingreifen Maximilians in die Nachfolge Eberhards I., geriet Württemberg immer stärker in den Sog Habsburgs.
Die 1459 getroffene Entscheidung der Uracher Räte und Stände gegen Ulrich V. und sein militärisches Zusammengehen mit dem Zollern Albrecht Achilles erwies sich bald als eine folgenreiche Weichenstellung. Der Kaiser befahl Eberhard zwar noch 1462 den Kampf gegen die bayerischen Wittelsbacher, der bei Giengen an der Brenz mit erheblichen Verlusten zu bezahlen war. Doch Ulrichs V. Engagement endete bei Seckenheim in einer Katastrophe, in deren Folge der Stuttgarter Landesteil in eine permanente Finanzkrise geriet und dadurch die Führung in der württembergischen Politik an Urach verlor. Eberhard kam mit seinem Pfälzer Oheim Friedrich bald wieder in das gewohnte gute Verhältnis. Der Hauptgegner seiner Territorialpolitik war über eineinhalb Jahrzehnte Erzherzog Sigismund, 1458–1490 Herr Vorderösterreichs. Eberhard, der mit kriegerischen und diplomatischen Mitteln seinen Einfluß am Oberlauf von Neckar und Donau ausdehnte, stieß dabei mit Sigismund zusammen. Erst 1481 fanden sie einen Ausgleich. Diese Aussöhnung war aber nunmehr Teil eines umfassenden Wechsels des politischen Systems. Eberhard ging zu dem Nachfolger Friedrichs von der Pfalz, dem Kurfürsten Philipp, und ebenso zu den bayerischen Wittelsbachern auf Distanz und fand statt dessen Anschluß an die zollerisch-kaiserliche Partei. Er beteiligte sich führend, doch auch immer mißtrauisch auf Selbständigkeit bedacht, an der Gründung und dem Ausbau des anti-wittelsbachischen, kaiserlichen Schwäbischen Bundes 1488. Dafür erhielt er die kaiserliche Unterstützung seiner gesamtwürttembergischen Hauspolitik, die er seit den 1470er Jahren mit wachsender Konsequenz betrieb.
Gleichzeitig hat Eberhard den institutionellen Ausbau Württembergs energisch vorangetrieben. Schon die stark erhöhte Zahl seiner adligen und gelehrten Räte und Diener dokumentiert dies; sie entsprach der außerordentlich intensivierten politischen Aktivität nach außen und nach innen. Zur letzteren zählen der Ausbau der zentralen Verwaltung und des Gerichtswesens sowie der Landesverteidigung, die Gründung der Universität Tübingen 1477 und die Klosterreformen. Deren Durchführung innerhalb wie außerhalb seines Landes hat Eberhard als seine religiöse Pflicht betrachtet, aber auch als territorialpolitische Chance genutzt; denn die großen grundbesitzenden Klöster konnte er auf diese Weise in seine Herrschaft einbeziehen. Die Bildung des Prälatenstandes als Landstand zeigt dies. Eberhard gründete mehrere Niederlassungen der Brüder vom gemeinsamen Leben und verband die Brüder mit der theologischen Fakultät der Tübinger Universität. Auf deren wissenschaftliche Ausrichtung nahm er durch seine Personalpolitik unmittelbaren Einfluß. Seine eignen wissenschaftlichen, religiösen und literarischen Interessen doku¬mentiert ein große Zahl deutscher Übersetzungen, die ein weitgehend auf seine Person zugeschnittenes Programm erkennen lassen.
Die Erhebung Württembergs zum Herzogtum 1495 besiegelte nicht nur die Unteilbarkeit, sondern schuf durch die Neugestaltung des Verhältnisses von Herrschaft und Land auch die entscheidende Voraussetzung für dessen weitere Vereinheitlichung. Eberhard sah dabei insbesondere die Pflichten des Herrschers für die Wohlfahrt des gesamten Landes – nach späterem Verständnis die „staatlichen Aufgaben“ – anwachsen und trug dem 1495 durch eine Landesordnung für das neue Herzogtum Rechnung. Sie betrifft Verkehr, Handel, Forsten, Rechtspflege, Luxus und Schulden und steht am Anfang der großen württembergischen Gesetzgebungswerke des 16. Jahrhunderts.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997

Literatur: Eberhard und Mechthild (Lebendige Vergangenheit Bd. 17), Stuttgart 1994.
Fritz Ernst, Eberhard im Bart. Die Politik eines deutschen Landesherrn am Ende des Mittelalters. Stuttgart 1933 (ND Darmstadt 1970).
Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte Bd. 2, Stuttgart 1995, S. 55–66, 82–98.
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