Fleißige Händler – erfolgreiche Frauen

Jüdisches Leben zur Zeit der Weimarer Republik in Baden

von Linus Maletz und Simon Metz

Schulzeugnis von Arthur Meier. Vorlage: Landesarchiv BW, StAF F 196/1 Nr. 11602. Zum Vergrößern bitte klicken.
Schulzeugnis von Arthur Meier. [Quelle: Landesarchiv BW, StAF F 196/1 Nr. 11602]

Wie hat man sich das jüdische Leben in Baden vor 1933 vorzustellen? Wer waren die Mitglieder der jüdischen Gemeinden, wo und wie lebten sie? Dies sind Fragen, die dabei helfen können, sich dem jüdischen Leben in Baden zur Zeit der Weimarer Republik anhand exemplarisch ausgewählter Biografien zu nähern.

Familiäre Traditionen prägten das Leben der Familie Meier aus Gengenbach. Der 1880 in Diersburg geborene Berthold Meier arbeitete wie sein Vater David und dessen Vater zuvor im Tabakhandel und übernahm den Familienbetrieb. Berthold hatte Frau und Kind, kämpfte im Ersten Weltkrieg und versorgte nach Kriegsende die umliegenden Dörfer und Städte mit Tabakwaren. Die Familie lebte ein normales Leben. Bertholds Sohn Arthur die örtliche Oberrealschule (heute Schiller-Gymnasium) und war im Sportverein aktiv. Die Familie Meier ist damit ein Paradebeispiel für zahlreiche jüdische Familien, die in ihren Wohnorten bestens integriert waren und sich zum Teil über Jahrzehnte in Familienunternehmen organisierten, ob als Produzenten, Händler oder Verkäufer. Gerade in ländlichen Regionen Badens waren außerdem Viehzucht und -handel sowie der damit verbundene Metzgerberuf weit verbreitet und zur Aufrechterhaltung der religiösen Gemeinde elementar. In Eichstetten gab es beispielsweise eine über Generationen weitergeführte Tradition dieser Handwerke in der Familie Weil, die erst mit Moritz Weil in den 30er-Jahren endete. In größeren Städten betätigten sich viele Juden und Jüdinnen im Textilgewerbe als Schneider oder Modistinnen.

Von Handel und Handwerk abgesehen finden sich auch Ärzte, Lehrer, Juristen und Bankiers in den jüdischen Gemeinden der badischen Städte. Ob in einem der jüdischen Krankenhäuser oder einer renommierten Kanzlei – Juden mit akademischer Bildung waren wichtige Bestandteile des gesellschaftlichen Alltags, auch für nicht-jüdische Patienten oder Klienten. Eine der Lehrerinnen war Jenny Dreifuß, die 1893 in Nonnenweier bei Lahr geboren wurde. Sie wurde als eine der ersten Frauen in Deutschland an einer Universität zugelassen. Sie studierte ab 1912 Deutsch, Englisch und Französisch an der Universität Freiburg, wurde 1916 zur Hauptprüfung für das höhere Lehramt zugelassen und promovierte 1918. Ihr Lehramtspraktikum absolvierte sie in Bruchsal, wechselte 1924 an die höhere Mädchenschule in Mannheim und wurde im April 1928 auf eine Professorenstelle an der dortigen Hans-Thoma-Schule versetzt. Eine ihrer Schülerinnen beschwerte sich über den Wechsel ihrer Lieblingslehrerin mit einem Brief an den Reichspräsidenten, was jedoch folgenlos blieb. Diese Beispiele veranschaulichen, dass jüdisches Leben in Baden wie auch im gesamten Reich nicht nur selbstverständlich war, sondern dass Jüdinnen und Juden trotz weit verbreiteter Ressentiments und Vorurteile einen integralen Bestandteil der Gesellschaft Deutschlands in jener Zeit bildeten.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in den Archivnachrichten 62 (2021), Seite 38–39 veröffentlicht.

Zitierhinweis: Linus Maletz/Simon Metz, Fleißige Händler – erfolgreiche Frauen, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.