Im Glauben standhaft: Ernster Bibelforscher im Konzentrationslager Dachau

Die „Partei“ macht – erfolgreich – Druck ...Quelle: Landesarchiv BW StAL K 510 II Bü 1936 Qu 121
Ehrenpass für Theodor Heim, ausgestellt von der Betreuungsstelle für die Opfer des Nationalsozialismus. Quelle: Landesarchiv BW, StAS Wü 33 T 1 Nr. 1541

Theodor Heim war 62 Jahre alt, als er am 24. Mai 1937 in seinem Heimatort Wittlingen durch Beamte der Geheimen Staatspolizei Stuttgart verhaftet wurde. Trotz mehrfacher Aufforderung hatte sich der Landwirt und ehemalige Amtsdiener seit 1933 aus religiösen Gründen beharrlich gegen eine Teilnahme an den Reichstagswahlen gesträubt und darüber hinaus den Hitlergruß verweigert. Nun war ihm durch eine anonyme Anzeige auch noch die Verbreitung verbotener religiöser Schriften zur Last gelegt worden. Nach seiner Festnahme kam Heim zunächst in das Amtsgerichtsgefängnis nach Urach. Zehn Tage später wurde er zur Steinbrucharbeit in das Schutzhaftlager Welzheim verfrachtet, bevor er schließlich im Juli 1937 mit einem größeren Gefangenentransport in das Konzentrationslager Dachau verlegt wurde.

Auch während seines Strafverfahrens vor dem Sondergericht Stuttgart, wo er sich im Herbst 1937 wegen unerlaubter Betätigung zugunsten der Internationalen Bibelforschervereinigung verantworten musste, befand sich Heim ununterbrochen in Haft. Selbst nachdem das Sondergericht den zu einer geringfügigen Gefängnisstrafe Verurteilten unter Anerkennung der bereits verbüßten Haft auf freien Fuß gesetzt hatte, nahm ihn die Gestapo unvermittelt wieder fest und brachte ihn zurück nach Dachau.

Erst am 22. April 1939, also nach fast zwei Jahren im Lager, wurde er im Rahmen einer Amnestie als kranker Mann mit einer Lungenentzündung, doppeltem Leistenbruch, mehreren Furunkeln und einem Magengeschwür aus dem KZ entlassen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat Theodor Heim auf Bitten des Münsinger Landrats seine Erlebnisse während der Haft in zwei kurzen Berichten geschildert.

In ebenso einfachen wie eindringlichen Worten beschreibt Heim im Frühjahr 1946 die Schikanen, Prügeleien, Quälereien und Folterungen, die ihm und seinen Mitgefangenen durch die Schergen der SS zugefügt wurden. Solche Misshandlungen waren täglich, so dass sich auch viele selbst durch Erhängen das Leben nahmen. Als Ältestem unter einer Gruppe von etwa hundert Ernsten Bibelforschern galt Heim den Wachmannschaften als Sprachrohr der Bibelforscher, die regelmäßig gefragt wurden, ob sie den deutschen Gruß nun nicht doch annehmen wollten. Sie sagten, wir sollten unserem Jehova und unserem Christus absagen. Ich […] wurde dies oft gefragt. Jedoch verneinte ich es jedes Mal. Ich wurde dann jedes Mal hinausgeworfen mit den Worten: Sauhund, darfst deine Heimat nicht mehr sehen, musst hier verrecken.

Die Heimat hat Theodor Heim zwar wieder gesehen, aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit aber konnte er seinem Broterwerb als Landwirt nicht mehr nachgehen. Fortan war er auf die finanzielle Unterstützung seiner erwachsenen Kinder angewiesen.

Für seine Standhaftigkeit im Glauben hat Theodor Heim bitter bezahlt. Zwar erhielt er im September 1946 durch die Betreuungsstelle für die Opfer des Nationalsozialismus einen Ehrenpass, der ihn als ehemaligen KZ-Insassen auswies, die Wiedergutmachung für seine Leidenszeit aber hat er nicht mehr erlebt. Theodor Heim starb am 7. Mai 1947. Das Landesamt für die Wiedergutmachung in Tübingen gewährte seinen Erben im August 1956 eine Haftentschädigung in Höhe von 3300 DM auf der Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes. Eine Entschädigung für Schaden an Vermögen in Höhe von 28,30 DM war bereits im Januar 1955 zuerkannt worden. Einen Kausalzusammenhang zwischen dem Tod des Verfolgten und seinen während der Lagerhaft erlittenen gesundheitlichen Schäden vermochte die Wiedergutmachungsbehörde jedoch nicht zu erkennen.

 Franz-Josef Ziwes

Quelle: Archivnachrichten  50 (2015), S.18-19.
 

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