Gefangenenbücher

Von Kai Naumann

Register des Zucht- und Arbeitshauses Ludwigsburg über die Gefangenen, Geisteskranken, Konfirmanden, Kommunikanten und in der Anstalt Verstorbenen, 1770, (Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 356 d I Bü 101)
Register des Zucht- und Arbeitshauses Ludwigsburg über die Gefangenen, Geisteskranken, Konfirmanden, Kommunikanten und in der Anstalt Verstorbenen, 1770, (Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 356 d I Bü 101)

Definition der Quellengattung

Gefangenenbücher dienen seit dem 17. Jahrhundert bis heute dazu, Informationen über Personen aufzuzeichnen, denen die Staatsgewalt an einem bestimmten Ort für bestimmte Zeit ihre Freiheit wegnimmt. Übliche Einträge in Gefangenenbüchern geben die Person, den Inhaftierungsgrund, das Strafmaß und den Aufenthaltszeitraum wieder. Ehe Gefangenenbücher angelegt wurden, finden sich bereits in Hauptbüchern entsprechender Einrichtungen (z.B. Zuchthäuser) Listen von Insassen.

Synonyme sind Gefangenenhauptbuch, Hauptbuch und Gefangenenregister.

Historische Entwicklung

Gefangenenbücher und vergleichbare Register finden sich in Einrichtungen wie Justizvollzugsanstalten oder Maßregelvollzugseinrichtungen. Frühere Bezeichnungen solcher Orte sind „Arbeitshaus“, „Irrenanstalt“, „Tollhaus“, „Stockhaus“, „Strafanstalt“ oder „Zuchthaus“. Sie entwickelten sich im 18. Jahrhundert aus den Hauptbüchern, die damals das gesamte finanzielle und organisatorische Buch- und Zahlenwerk der betreffenden Einrichtung enthielten. Zur Feststellung der Identität der inhaftierten Personen dienten zunächst Name und Herkunftsort, ab dem 19. Jahrhundert kamen Geburtsdatum und Geburtsort dazu.

Gefangenenbücher wurden in Baden-Württemberg bis in die 1990er Jahre als gebundene Bücher geführt und in den Folgejahren für Bearbeitungsprozesse in eine Datenbankform transferiert. Für langfristige Referenzprozesse hingegen werden die Gefangenenbücher noch heute ausgedruckt und in Aktenordnern eingelagert.

Aufbau und Inhalt

Gefangenenbücher enthalten in tabellarischer Form Angaben über die Gefangenen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts werden die Angaben, z.B. über Religion, Vorstrafen, einweisende Behörde und Beruf, immer detaillierter und präziser. Danach verlassen diese Details die Buchform und werden eher auf gesonderten Karteikarten vermerkt.

Gefangenenbücher wurden unter Umständen auch als Buchwerk geführt. Das heißt, es gab mehrere Bücher, die aufeinander verwiesen. Ein Beispiel kann so lauten: Während ein Buch in der Reihenfolge des Eintritts in das Gefängnis geführt wurde und nur die wichtigsten Personalien enthielt, wurden in den verschiedenen Anstaltsabteilungen weitere Bücher geführt, die die Zugangsnummer des Häftlings, Details zur Person, seine oder ihre Tätigkeiten und sonstige Ereignisse wiedergaben. Von besonderer Bedeutung für die Forschung können hierunter die Strafbücher oder auch Effektenbücher sein. Ersteres verzeichnet die Disziplinarstrafen und damit auch besondere Ereignisse in der Anstalt, letzteres ist ein Verzeichnis der Habseligkeiten beim Eintritt in die Anstalt.

Aus Gründen des Datenschutzes weisen Gefangenenbücher ab den 1970er Jahren den Inhaftierungsgrund der betroffenen Person nicht mehr aus.

Überlieferungslage und ggf. (vor)archivische Bearbeitungsschritte

Gefangenenbücher werden in der Regel von den Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs sorgsam behandelt und nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen an die zuständigen staatlichen Archive abgegeben. Als Beispiele können die Bestände im GLA Karlsruhe 311, StA Ludwigsburg E 356 d I oder StA Freiburg G 714/1 genannt werden. Ältere Exemplare sind ebenfalls meist vollständig erhalten.

Auch für elternlose Kinder in öffentlicher Obhut (im früheren Sprachgebrauch auch „Waisen“, „Zöglinge“), Wohnungslose („Vagabunden“, „Zigeuner“) und psychisch Kranke (im früheren Sprachgebrauch auch „Tolle“, „Irre“) wurden vergleichbare Registerbücher angelegt.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Neuere Gefangenenbücher dienen hauptsächlich als Beleg für aktuelle rechtliche Auseinandersetzungen, ältere zur Rekonstruktion von Lebensläufen. Bei statistischer Auswertung sind auch Aussagen über die Lebensbedingungen in den betreffenden Einrichtungen und über die Strafjustiz allgemein möglich. Nicht immer sind alle in der jeweiligen Einrichtung festgesetzten Personen verzeichnet, so können beispielsweise Durchgangs- oder Untersuchungshäftlinge ausgenommen worden sein.

Hinweise zur Benutzung

Neuere Gefangenenbücher unterliegen dem Datenschutz und entsprechenden Sperrfristen. Einzelne Serien von Gefangenenbüchern sind bereits als Digitalisat verfügbar, so z.B. im Bestand StA Ludwigsburg E 356 c.

Literatur

  • Vgl. einschlägige Erlasse und Gesetze. Zuletzt erwähnt ist das Gefangenenbuch in Buch 1 des Gesetzbuchs über den Justizvollzug in Baden-Württemberg vom 10. November 2009.

Zitierhinweis:  Kai Naumann, Gefangenenbücher, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: [...], Stand: 09.01.2018.

 

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