Inventuren und Teilungen

Von Rolf Bidlingmaier

Inventur, Metzingen, 1665, (Quelle: Stadtarchiv Metzingen, Inventuren und Teilungen, Bd. 5)
Inventur, Metzingen, 1665, (Quelle: Stadtarchiv Metzingen, Inventuren und Teilungen, Bd. 5)

Definition der Quellengattung

Inventuren und Teilungen sind Vermögensbeschreibungen, die zur Vermeidung von Erbschaftsstreitigkeiten jeweils bei der Heirat (Inventur) oder beim Tod eines Einwohners (Teilung) durch die Städte und Gemeinden angelegt worden sind. Sie enthalten Material über die Alltagskultur und die Lebenswelt breitester Bevölkerungsschichten.

Historische Entwicklung

Inventuren und Teilungen gab es seit dem 16. Jahrhundert in fast allen südwestdeutschen Territorien, doch blieb deren Erstellung oftmals freiwillig und auf Nachlassinventuren beschränkt. Lediglich im Herzogtum Württemberg war die Anlage von Inventuren und Teilungen seit dem 16. Jahrhundert für Einwohner gesetzlich vorgeschrieben.

Die gesetzliche Grundlage hierfür schuf Herzog Christoph. Das im Jahr 1555 erschienene Erste Landrecht und das 1567 herausgekommene Zweite Landrecht legten ausdrücklich fest: Und damit in jetzgesetzten und dergleichen Fällen, da man mit einander abtheilen, auch die Güter zum Widerfall nießlich besitzen soll, niemand veruntrewt oder vernachtheilt werde, so soll als bald nach des einen Ehegemechts Absterben und Erdenbestetigung, oder nach Gestalt der Sachen und Ansehen der Personen, auffs lengst in Monatsfrist alle Haab und Güter, ligende und farende, so die beide Eheleut besessen [...] durch zwen verständige Gerichts-, oder andere vom Amptman dazu verordnete Männer, und den geschwornen Schreiber [...] ordentlich beschriben und inventiert [werden].[1] Bei Tod eines Ehepartners war also das gesamte Vermögen innerhalb eines Monats in einer „Teilung“ genannten Bestandsaufnahme schriftlich festzuhalten.

Mit dem Dritten Landrecht aus dem Jahr 1610, das bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in Geltung blieb, wurden im Herzogtum Württemberg die Vorschriften über die Inventuren noch ausgedehnt. Es sollte nun nicht nur binnen Monatsfrist das Vermögen der verstorbenen Ehepartner inventiert werden, sondern auch jenes, was die Brautleute miteinander in die Ehe brachten. Wir ordnen und wöllen ernstlich, wann hinfüro zwey zuvor ohnverheurate in die Ehe tretten, daß sie auffs längst inner dreyer Monatsfrist nach gehaltenem Kirchgang, bey Straff eines kleinen oder grossen Frevels [...] und dann, da sie beede oder ihrer eins zuvor verheuraht gewesen, vor gehaltenem Kirchgang, bey obgesetzter Straff inventiren.[2] Neuvermählte hatten also drei Monate Zeit für die Inventur, während Wiederverheiratete schon vor der Ehe die Erstellung eines Inventars veranlassen mussten.

Das Landrecht bildete die gesetzliche Grundlage für die Inventuren und Teilungen. Durch Generalreskripte wurde in den folgenden Jahrhunderten immer wieder die Einhaltung dieser Regelungen den Städten und Gemeinden eingeschärft und Detailfragen geregelt. Einen großen Einfluss auf die Form der Inventuren und Teilungen hatte die zeitgenössische Verwaltungsliteratur. So erschien im Jahr 1605 in Tübingen von Nicodemus Frischlin, dem Sohn des gleichnamigen Poeten, der Band „Instruction und Bericht, welchermassen, in dem Hochloeblichen Herzogthumb Wuerttemberg, die Inventaria und Abtheilungen [...] fürgenommen, verricht und verfertiget werden sollen.“ Darin beschrieb er nicht nur das Vorgehen und die Form, in der die Inventuren und Teilungen anzulegen waren, sondern gliederte das Vermögen in eine Anzahl Rubriken, die die Aufstellung der Vermögensverzeichnisse erheblich erleichterten. Die Bildung von Rubriken innerhalb der Inventuren waren jedoch nicht völlig neu, sondern diese finden sich bereits in den Teilungen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Wie weit verbreitet das Buch von Frischlin in der württembergischen Verwaltung war, belegen die insgesamt sechs Auflagen bis zum Jahr 1733.[3] Adam Israel Röslin brachte das Werk 1761 als „Abhandlung von Inventuren und Teilungen“ in neuer, erweiterter Aufmachung heraus. Nach einer zweiten Auflage 1780 wurde das Werk von Albert Heinrich Stein erneut umgearbeitet und der Zeit angepasst. Als „Handbuch des Württembergischen Erbrechts“ erlebte der Band zwischen 1827 und 1892 wiederum sechs Auflagen.[4]

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts unterlagen alle Personen im Herzogtum Württemberg mit Ausnahme der herzoglichen Familie, des Hofstaats und des Adels der Inventur ihres Vermögens. Mit der Vergrößerung des Landes unter Napoleon wurde das System der Inventuren und Teilungen auch auf das neuwürttembergische Gebiet ausgedehnt. An Stelle des Gerichtsschreibers trat der Gerichtsnotar. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgte allerdings eine wesentliche Änderung. Personen mit einem befreiten Gerichtsstand unterstanden nicht mehr der lokalen Gerichtsbarkeit, sondern hatten ihren Gerichtsstand in der ersten Klasse vor dem königlichen Obertribunal und in der zweiten Klasse vor den vier Kreisgerichtshöfen. Zu den Exemten erster Klasse zählten die Mitglieder des Königshauses, der landsässige Adel sowie die Hof- und Staatsdiener der obersten sechs Rangstufen. Die Exemten zweiter Klasse setzten sich aus den restlichen Adeligen und den Staatsdienern, die einen bestimmten Rang unterhalb der sechsten Rangstufe bekleideten, zusammen.[5] Im Unterschied zur übrigen Bevölkerung konnten die Exemten wahlweise Privatinventarien oder öffentliche Inventarien aufstellen lassen, die dann in der Registratur der zuständigen Gerichte hinterlegt wurden. Der Sonderstatus wurde jedoch nach der Revolution von 1848 auf das Königliche Haus, die standesherrlichen und ritterschaftlichen Familien beschränkt.[6]

Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 traten an die Stelle der Inventuren und Teilungen die vom Notar im Rahmen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit erstellten Nachlassakten. Inventare waren nun nicht mehr zwingend vorgeschrieben und so besitzen die Nachlassakten längst nicht mehr die Ausführlichkeit der Inventuren und Teilungen.

Aufbau und Inhalt

Vom Entstehungszweck her sind drei Arten von Inventuren und Teilungen zu unterscheiden. Da ist zunächst einmal die Beibringensinventur, in dem das von den beiden Brautleuten in die Ehe eingebrachte Vermögen festgehalten ist. Die Teilungen untergliedern sich sodann in Eventualteilungen und Realteilungen. Bei der Eventualteilung werden die Erbteile nicht wirklich ausgeschieden und an die Erben verabfolgt, sondern nur deren Anteil berechnet, während bei der Realteilung das Vermögen tatsächlich aufgeteilt wird. Eventualteilungen erfolgten vor allem dann, wenn dem überlebenden Ehepartner die lebenslängliche Nutznießung der Teile der anderen Erben zustand. Als Sonderfälle sind freiwillige Vermögensübergaben und Vermögensaufnahmen zum Beispiel bei Zwangsversteigerungen zu nennen.

Schon bald bildete sich eine feste Form für die Inventuren und Teilungen heraus, wozu auch die Verwaltungsliteratur ihren Teil beitrug. Die Beibringensinventuren beginnen mit Ort und Datum, dem Namen der Eheleute und dem Zeitpunkt der Verheiratung, dann folgt eine Beschreibung zunächst des Vermögens des Mannes und anschließend jenes der Frau, die beide das Inventar am Schluss unterzeichnen. Analog hierzu sind die Teilungen aufgebaut. Nach Ort und Datum werden der Erblasser und der Zeitpunkt des Todes sowie die Erben genannt. Darauf folgt eine Beschreibung des Vermögens, beginnend mit Liegenschaft, Bargeld, Kleinodien und Silbergeschmeid, Bücher, Mannskleider, Frauenkleider, Bettgewand, Leinwand, Küchengeschirr, Schreinwerk, Fass- und Bandgeschirr, gemeiner Hausrat, Fuhr- und Reitgeschirr, Wein und Getränk, Vieh, Früchte, Küchenspeisen, Aktiva und Passiva – nach unseren heutigen Begriffen: Immobilien, Bargeld, Schmuck, Bücher, Kleider, Wäsche, Geschirr, Möbel, Fahrzeuge, Wein, Vieh, Lebensmittel, angelegte Gelder und Schulden. In einer anschließenden Berechnung wurde Bilanz gezogen, ob in der Ehe ein Zugewinn erwirtschaftet worden war oder sich das Vermögen verringert hatte. Bei einer Realteilung folgt dann die Aufteilung des Vermögens auf die einzelnen Erben. Die Teilung schließt stets mit den Unterschriften der Erben und der Inventierer.

Bei einem Vergleich der Form der Inventuren und Teilungen über die Jahrhunderte hinweg fällt auf, dass die frühen Inventuren bis in das 17. Jahrhundert relativ knapp gehalten sind, während jene in der Mitte des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr detailliert über den Besitz des Einzelnen Auskunft geben. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Fahrnisaufnahme oftmals nur noch summarisch, so dass der Quellenwert der Inventuren wieder abnimmt.

Überlieferungslage

In den Stadt- und Gemeindearchiven sind nach den gesetzlichen Grundlagen Nachlassinventuren aus dem Zeitraum zwischen der Publikation des Ersten Landrechts im Jahr 1555 und der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 zu erwarten und Beibringensinventuren aus den Jahren 1610 bis 1899. Tatsächlich sind jedoch aus dem 16. Jahrhundert nur eine geringe Anzahl von Teilungen auf uns gekommen. So beginnen die Inventuren und Teilungen in Gebersheim bei Leonberg 1552, in Bietigheim 1556, in Herrenberg 1570, in Besigheim 1573, in Urach 1574, in Großbottwar 1574, in Walddorf 1588, in Kirchentellinsfurt 1592, in Mundelsheim 1601, in Wildberg 1602, in Blaubeuren 1603, in Pliezhausen 1608, in Tübingen 1614, in Neckartenzlingen 1622 und in Nürtingen 1630, um nur einige Orte zu nennen. In vielen altwürttembergischen Orten ging die ältere Überlieferung in der Katastrophe des Dreißigjährigen Kriegs verloren. So setzen die Inventuren und Teilungen in Metzingen 1651, in Kirchheim unter Teck 1660, in Mössingen 1669 und in Pfullingen 1690 ein. Für die Überlieferung im nördlichen Teil Altwürttembergs bildet der Pfälzische Erbfolgekrieg eine tiefe Zäsur. So haben sich die Inventuren und Teilungen in Winnenden, in Backnang, in Vaihingen an der Enz und in Calw erst nach den Jahren 1692 und 1693 erhalten. An anderen Orten fielen die Inventuren Kassationen zum Opfer, so in Waiblingen, wo der Bestand nicht weiter als bis zum Jahr 1750 zurückreicht. In Stuttgart sind die Inventuren und Teilungen, darunter auch jene zahlreicher Familien der Ehrbarkeit, durch Kassationen und Verluste im Zweiten Weltkrieg fast ganz verloren gegangen.

Von der Überlieferung her wird man die Inventuren und Verlassenschaftsakten der Exemten nicht in den Stadt- und Gemeindearchiven, sondern in den Archivbeständen des Obertribunals und der Kreisgerichtshöfe im Staatsarchiv Ludwigsburg suchen. Während die Überlieferung des Obertribunals nur mehr rudimentär erhalten ist, liegen für die vier Kreisgerichtshöfe Esslingen, Tübingen, Ellwangen und Ulm umfangreiche Unterlagen über Exemte vor, die vor allem Adelsfamilien, aber auch höhere Beamte betreffen.[7] Niedere Staatsdiener, wie zum Beispiel Pfarrer, wurden auch im 19. Jahrhundert meist von den Städten und Gemeinden inventiert, wo sich die Familie zu jenem Zeitpunkt aufhielt. So finden sich in den kommunalen Archiven neben der Masse der Inventuren und Teilungen auch Privatinventuren von Familien des gehobenen Bürgertums, von Pfarrern oder von Fabrikanten. Die Inventuren und Teilungen der Angehörigen der Universität Tübingen, die eine besondere Gerichtsbarkeit hatten, befinden sich im Universitätsarchiv Tübingen, im Stadtarchiv Tübingen und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart.[8]

Die Überlieferung selbst ist in ihrer Struktur ebenfalls unterschiedlich. In manchen Fällen haben sich die Konzepte und die Reinschriften erhalten, in anderen Fällen nur das eine oder das andere. Ab Ende des 18. Jahrhunderts sind auch meist die Beilagen wie Testamente oder zugehöriger Schriftwechsel noch vorhanden. Die älteren Inventuren sind meist, aber nicht überall, gebunden, während sich im 19. Jahrhundert die Heftform durchsetzte.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Gerade für die alltagsorientierte Sozialgeschichte sind die Inventuren und Teilungen eine Quelle par excellence. Eine statistische Auswertung gibt die soziale Schichtung wieder, zeichnet ein genaues Bild von den reichen, ärmeren und ärmsten Bevölkerungsschichten am Ort. Die Aufgliederung der einzelnen Inventur in Rubriken eröffnet die Möglichkeit, die Vermögensstruktur zu untersuchen und den Anteil der Liegenschaften, der Fahrnis oder des Barvermögens am Gesamtvermögen festzustellen und den Grad der Verschuldung zu ermitteln. Anhand der Zubringensinventuren lassen sich Aussagen über die Partnerwahl nach Beruf und Vermögen treffen. Zusammenhänge zwischen Beruf und Schulden können aufgedeckt werden. Über einen größeren Zeitraum hinweg lassen sich Veränderungen feststellen, die Aufsteiger und die Absteiger werden fassbar.

Gleichwohl müssen gerade bei statistischen Auswertungen die Aussagekraft der auf die Quellen Einfluss nehmenden Faktoren kritisch untersucht werden, da sonst leicht verfälschte Ergebnisse zu erwarten sind. So kann durch Abgleich mit den Ehe- und Totenregistern der Kirchenbücher festgestellt werden, wie vollständig oder unvollständig die Überlieferung ist. Zu hinterfragen sind auch die angeschlagenen Werte oder die Korrektheit von Selbsteinschätzungen. Oftmals werden niedere Vermögen im 19. Jahrhundert eher etwas höher eingeschätzt, um dem Mindestnachweis an Vermögen zur Aufnahme in das Bürgerrecht zu genügen, während hohe Vermögen eher niedriger angesetzt werden, um möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen.

Noch aussagekräftigere Ergebnisse können durch die Kombination mit anderen Quellen – Kirchenbücher, Gerichts- und Gemeinderatsprotokolle, Kirchenkonventsprotokolle, Visitationsberichte, Steuerbücher, Pflegrechnungen oder Unterpfandsbücher – gewonnen werden, jedoch um den Preis des entsprechend höheren Aufwands.

Einen etwas anderen Ansatz hat die Volkskunde, die sich mehr um die Mentalitätsgeschichte und die historische Sachkulturforschung bemüht. Auch hierfür sind die Inventuren und Teilungen eine Fundgrube. Gerade in den Fahrnisverzeichnissen wird der Wandel der Sachkultur in den letzten Jahrhunderten deutlich. Viele Begriffe sind heute nicht mehr geläufig. Im Bereich des Hausrats stellen die Inventuren und Teilungen auch eine gute Quelle für die Mundart- und Sprachforschung dar.

Für die Häuserforschung haben die Inventuren und Teilungen dann eine besondere Bedeutung, wenn die Steuerbücher nicht mehr erhalten sind. Anhand der Inventuren und der Kaufbücher lassen sich die Besitzerfolgen rekonstruieren. Die Beschreibung der Gebäude und Güter in den Inventuren entspricht jener in den Steuerbüchern und in den Kaufbüchern, so dass die Lage der einzelnen Gebäude genau lokalisiert werden kann.

Für die Familiengeschichte sind Inventuren und Teilungen in mehrfacher Hinsicht ergiebig. So geben sie Auskunft über den Besitz und die soziale Stellung der betreffenden Person. In manchen Fällen lässt sich für besonders markante Gegenstände der Erbgang feststellen und damit die Herkunft klären. Ein besonders wichtiger Teil der Inventur ist für den Familienforscher die Erbenliste, insbesondere, wenn die Erben nicht am Ort ansässig waren. Da die Kirchenbücher bei nach auswärts Verzogenen oftmals keine Hinweise über deren Aufenthaltsort geben, sind hier die Inventuren und Teilungen eine probate Quelle, um diese Lücke zu schließen. Auch Auswanderer sind oftmals in den Inventuren und Teilungen genannt, ja in manchen Fällen finden sich in den Teilungsakten auch Auswandererbriefe. An Orten, wo die Inventuren und Teilungen bis in das 17. oder in das 16. Jahrhundert zurückreichen, ist darüber hinaus auch die Vermögensberechnung von Bedeutung, da hier unter Umständen die Eltern genannt werden und anhand der empfangenen Erbteile deren Ableben datiert werden kann.

Besonders interessant für die Bildungsgeschichte und das Leseverhalten, aber auch für die Kirchengeschichte ist der Bücherbesitz. Bei den Angehörigen der Unter- und Mittelschicht finden sich über Jahrhunderte hinweg meist nur Gesangbücher, Gebetsbücher und andere Erbauungsbücher, bei den Honoratioren im 18. und frühen 19. Jahrhundert hingegen durchaus auch umfangreiche Bibliotheken mit juristischer, theologischer, historischer oder belletristischer Literatur. Für die Kirchengeschichte gibt der Bücherbesitz oftmals wertvolle Hinweise. Dies betrifft vor allem den Bereich der Pietismusforschung. Aber auch hier ergibt sich erst dann ein exaktes Bild, wenn neben den Inventuren auch die Visitationsberichte und die Kirchenkonventsprotokolle ausgewertet werden.

Für die Kunstgeschichte von Bedeutung sind in den Inventuren und Teilungen in der Regel hochwertige Einzelgegenstände, für die sich so eine Besitzerfolge feststellen lässt. Das Gegenstück zu den Inventuren und Teilungen bilden übrigens im höfischen Bereich die Inventare der herzoglichen und königlichen Schlösser. Ähnlich wie die Fahrnisaufnahmen der Inventuren in den bürgerlichen Haushalt, so geben die Inventare detaillierten Einblick in die Ausstattung der Schlösser und in die Hofhaltung, und sind daher eine wichtige Quelle für die Kunstgeschichte wie auch für die Sozialgeschichte.

Auch für die Wirtschaftsgeschichte zählen die Inventuren und Teilungen zu den aussagekräftigen Quellen, insbesondere, wenn Unterlagen aus den Unternehmen selbst nicht mehr existieren. Der Teilungsakte beigefügte Auszüge aus den Rechnungsbüchern geben Aufschlüsse über den Kundenkreis und die Produktion der Firma des entsprechenden Erblassers.

Abschließend kann festgestellt werden, dass die Inventuren und Teilungen im Hinblick auf die Auswertungsmöglichkeiten eine ausgesprochen vielseitige Quelle nicht nur für die Ortsgeschichte sind, sondern auch für Aspekte der Sozialgeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Mentalitätsgeschichte, der Kirchengeschichte, der Kunstgeschichte und der Familiengeschichte.

Hinweise zur Benutzung

Die Inventuren und Teilungen liegen in der Regel in den Stadt- und Gemeindearchiven und bei Exemten im Staatsarchiv Ludwigsburg. Sie sind ohne Einschränkungen benutzbar.

Forschungsgeschichte

Die Bedeutung der Inventuren und Teilungen für die geschichtliche Forschung wurde zwar bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannt, doch erfolgte im Gegensatz dazu eine breitere Beschäftigung mit dieser Quellengruppe erst in den letzten 30 Jahren. Als grundlegende Arbeit über die Inventarforschung in Württemberg ist die Dissertation Hildegard Mannheims zu nennen.[9]

Obwohl die Inventuren und Teilungen umfassend die Alltagskultur und die Lebenswelt der Menschen am Ort beschreiben, sind sie bislang für die herkömmliche Ortsgeschichte, die stets die Entwicklungen am Ort vom Anfang bis zur Gegenwart beschreibt, nur ansatzweise ausgewertet worden. Dies hängt damit zusammen, dass quantifizierbare Ergebnisse bei dieser seriellen Quelle nur mit hohem Arbeitsaufwand zu gewinnen sind. Oftmals werden daher in Ortsgeschichten nur einige Inventuren beispielhaft vorgestellt. Anders sieht es aus, wenn sich die Arbeit auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt und detailliert die sozialen Verhältnisse am Ort untersucht oder mehrere Orte miteinander verglichen werden. Dann lohnt sich der Aufwand, für diesen Zeitraum die Inventuren und Teilungen quantitativ auszuwerten. Als wegweisende Arbeiten aus neuerer Zeit zu nennen sind unter anderem die mikrohistorische Studie von Hans Medick über Laichingen, sodann die auf der Methode der historischen Demographie fußende Arbeit von Andreas Maisch, der fünf Dörfer im Oberen Gäu vergleicht und die Arbeit von Sylvia Schraut, die anhand ausgewählter Inventuren und Teilungen von Esslingen den sozialen Wandel der Stadt im Rahmen der Industrialisierung untersucht.[10]

Anmerkungen

[1] Zweites Württembergisches Landrecht 1567. Zitiert nach: Sammlung der württembergischen Gesetze (Reyscher), 4. Bd., Gerichtsgesetze, S. 376.
[2] Drittes Württembergisches Landrecht 1610. Zitiert nach: Sammlung der württembergischen Gesetze (Reyscher), 5. Bd., Gerichtsgesetze, S. 289.
[3] Frischlin, Instruction.
[4] Röslin, Abhandlung; Stein, Handbuch.
[5] Württembergisches Staats- und Regierungsblatt 1822, S. 674–677 und 1825, S. 671–691.
[6] Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1849, S. 463 und 1850, S. 5 und 70.
[7] LABW Staatsarchiv Ludwigsburg, Bestände E 308 I, E 314, E 318, E 328, E 338, E 340, E 347 I-III.
[8] Universitätsarchiv Tübingen, Bestände UAT 285 und UAT 27; Stadtarchiv Tübingen, Bestände A 86, E 101 und E105; Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand A 275.
[9] Mannheims, Inventar.
[10] Medick, Weben und Überleben; Maisch, Unterhalt; Schraut, Sozialer Wandel.

Literatur

  • Bidlingmaier, Rolf, Inventuren und Teilungen. Entstehung und Auswertungsmöglichkeiten einer Quellengruppe in den württembergischen Stadt- und Gemeindearchiven, in: Der furnehmbste Schatz. Ortsgeschichtliche Quellen in Archiven, hg. von Nicole Bickhoff/Volker Trugenberger, Stuttgart 2001, S. 71–81.
  • Frischlin, Nicodemus, Instruction und Bericht, welchermassen, in dem Hochloeblichen Herzogtumb Wuerttemberg, die Inventaria und Abtheilungen, nach desselben Erb- oder Landrechtens, vierdten und letsten Theil, Tit. von Erbschafften ohne Testament, ec. fürgenommen, verricht und verfertiget werden sollen, Tübingen 1605, 6. Auflage, Tübingen 1733.
  • Hochstetter, Friedrich Ludwig, Anleitung für angehende Wirtembergische Stadt- und Amtsschreiberei-Scribenten zu Inventur- und Theilungs- auch Steuergeschäften, Stuttgart 1780.
  • Maisch, Andreas, Notdürftiger Unterhalt und gehörige Schranken. Lebensbedingungen und Lebensstile in württembergischen Dörfern der frühen Neuzeit (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 37), Stuttgart 1992.
  • Mannheims, Hildegard, Wie wird ein Inventar erstellt? Rechtskommentare als Quelle der volkskundlichen Forschung (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 72), Münster 1991.
  • Medick, Hans, Weben und Überleben in Laichingen 1650–1900 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 126), Göttingen 1997.
  • Röslin, Adam Israel, Abhandlung von Inventuren und Abtheilungen, auch andern dahin einschlagenden Materien, insonderheit nach dem Herzogl. Würtembergischen Landrecht und denen Neueren Verordnungen, zur Bequemlichkeit derer damit beschäfftigten Personen verfertiget, Stuttgart 1761.
  • Sammlung der württembergischen Gesetze. Gerichtsgesetze, Bd. 4 und 5, hg. von August Ludwig Reyscher, Stuttgart/Tübingen 1831–1832.
  • Schad, Petra, Buchbesitz im Herzogtum Württemberg im 18. Jahrhundert. Am Beispiel der Amtsstadt Wildberg und des Dorfes Bissingen/Enz (Stuttgarter Historische Studien zur Landes- und Wirtschaftsgeschichte 1), Stuttgart 2001.
  • Schraut, Sylvia, Sozialer Wandel im Industrialisierungsprozeß. Esslingen 1800–1870 (Esslinger Studien. Schriftenreihe 9), Esslingen 1989.
  • Späth, Philipp Jakob, Bemerkungen über das wirtembergische Inventur- und Theilungswesen in Hinsicht auf Zubringensinventarien und Theilungsrezess, Stuttgart 1800.
  • Stein, Albert Heinrich, Handbuch des Württembergischen Erbrechts, Stuttgart 1827, 5. Auflage, Stuttgart 1892.

Zitierhinweis: Rolf Bidlingmaier, Inventuren und Teilungen, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL […], Stand: 10.1.2018.

 

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