art&market – pictures for sale

von Nikolas Maisch

Vom Schauraum zur kommerziellen Galerie

Trotz prominenter Besucher und einer durchdachten Werbestrategie gelang es Graf Joseph bis 1804 nicht, seine Sammlung als Ganzes zu verkaufen. Der Plan einer kollektiven Übernahme durch englische Gönner und den Staat scheiterte. Aus einer List of Subscribers von 1804 geht hervor, dass sich aller Bemühungen zum Trotz nur wenige Londoner am Vorhaben beteiligt hatten. Am Ende blieb dem Grafen nichts anderes übrig, als seine Gemälde einzeln zu veräußern. Erhaltene Galeriekataloge aus diesen Jahren geben Einblicke in die Preisentwicklung der Bilder. Gelistet sind hierbei Schätzwerte aus Wien, die in englische Währung umgerechnet wurden. In der Londoner Galerie mussten die Preise für den Einzelverkauf aus zeitlichen und finanziellen Gründen stark gesenkt werden.

A Gallery of Fakes?

Auch Sir Thomas Lawrence (1769 – 1830), ein bekannter britischer Porträtmaler, späterer Kurator der National Gallery (gegründet 1824) und langjähriges Mitglied der Royal Academy, besuchte die Truchsessian Gallery. Anders als William Blake war er jedoch wenig begeistert von der Sammlung. Nach seinem Besuch im August 1803 äußerte er den Verdacht, dass viele der ausgestellten Werke keine Originale seien, sondern Kopien und Fälschungen. Graf Joseph hatte den Wert seiner Sammlung stets mit einem angesetzten Schätzpreis von 1,5 Millionen Gulden (ca. 150.000 Pfund Sterling) angegeben. Den Verkaufspreis für die Subskription in England setzte er aber auf 65.000 Pfund Sterling herunter. Sir Thomas Lawrence schätzte den tatsächlichen Wert nach seinem Besuch jedoch auf lediglich 2.000 Pfund. Sein hartes Urteil lautete:

„Many, perhaps most, of Truchsess’ supposed masterpieces are fakes.“

Als Mitglied der Royal Academy war Lawrence in London sehr einflussreich – seine Meinung hatte Gewicht. Gleichzeitig war er als Porträtist eng mit der englischen Aristokratie vernetzt. Auf deren Kaufinteresse waren der Erfolg von Subskription und Einzelverkauf ab 1804 besonders angewiesen. Seine Kritik schadete dem Ruf der Galerie daher nachhaltig und dürfte viele potenzielle Kunden negativ beeinflusst haben, so dass nur wenige Werke verkauft werden konnten. Aus heutiger Sicht gibt es einige Hinweise, dass die Einschätzung von Lawrence durchaus richtig gewesen sein könnte. Beispiel hierfür ist ein Porträt Ludwigs XIV. aus der gräflichen Sammlung, das dem französischen Maler Hyacinthe Rigaud (1659–1743) zugeschrieben wurde. Dessen Porträts des Sonnenkönigs waren schon zu Lebzeiten berühmt und wurden im 18. Jahrhundert häufig kopiert. Keines der heutigen Originale lässt sich auf die Sammlung des Grafen zurückverfolgen, weshalb naheliegt, dass dieser nur eine Kopie besaß.

Ein verhängnisvolles Abkommen

Bereits in den 1790er Jahren geriet Graf Joseph finanziell unter Druck. Die Flucht vor politischen Unruhen, Reisekosten und die vielen Kunstankäufe hatten ihre Spuren hinterlassen. Um sich das ehrgeizige Verkaufsvorhaben in London überhaupt leisten zu können, nahm er nach seiner ersten Englandreise 1802 erneut einen Kredit auf. Das Wiener Bankhaus Fries & Co. übernahm die Kosten für den Transport von über 900 Gemälden nach England und den Aufbau des temporären Galeriegebäudes. Allerdings enthielt der Kreditvertrag eine folgenschwere Klausel: sollte der Graf einen bestimmten Teil der Summe nicht bis Anfang 1805 zurückgezahlt haben, würde seine gesamte Sammlung automatisch in den Besitz der Bank übergehen, was nach den Fehlschlägen in London im selben Jahr auch tatsächlich eintrat. Nach einem verlorenen Einspruch vor Gericht ging die Sammlung an die Wiener Bank über. Im Jahr 1806 organisierte der neue Eigentümer der Sammlung schließlich eine Auktion, um die Werke zu Geld zu machen.

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Zitierhinweis: Nikolas Maisch, art&market – pictures for sale, in: art&market. Die Truchsessen-Galerie in London und der englische Kunstmarkt um 1800, URL: […], Stand: 02. Juni 2025.

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