Die Fotojournalistin Gerda Taro
von Johanna Hähner
Am 1. August 1910 wurde die Fotoreporterin Gerda Taro geboren. Die junge jüdische Frau hatte erst im Pariser Exil mit der Kameraarbeit begonnen und sich dabei einen Künstlernamen zugelegt. Gerda Taro hieß eigentlich Gerta Pohorylle und wurde im Jahr 1910 als Tochter von Gisela und Heinrich Pohorylle in Stuttgart geboren. Ihre aus Österreich-Ungarn stammenden Eltern waren ein Jahr zuvor ins württembergische Königreich eingewandert, weil in Reutlingen und Stuttgart zahlreiche Verwandtschaft mütterlicherseits bereits seit Jahrzehnten ansässig war.
Nach ihrer Kindheit und Jugend im Südwesten zog die Familie im Jahr 1929 nach Leipzig. Durch das Erstarken der Nationalsozialisten wurde Gerta Pohorylle politisches Interesse geweckt. Ohne Mitglied einer Partei zu werden, bewegte sie sich im Umfeld der KPD und vornehmlich der SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands), die sich für eine Einheitsfront gegen Hitler einsetzte. 1933 beteiligte sich Gerta Pohorylle an Flugblattaktionen und wurde kurz nach dem Reichstagsbrand verhaftet. Der glückliche Umstand, dass sie noch die polnische Staatsangehörigkeit besaß, führte zu energischen Protesten des polnischen Konsulats und nach 18 Tagen zu ihrer Freilassung aus der Schutzhaft. Im Oktober 1933 verließ sie Deutschland.
Paris wurde ihr Zufluchtsort und war Traumstadt zugleich. Ihre politische Heimat fand sie im Umfeld der Exilsozalisten der SAP, die in Paris eine Auslandszentrale aufgebaut hatte. Sie lernte Willy Brandt kennen, der seit seiner Emigration von Oslo aus die Auslandsstelle des Jugendverbandes der SAP leitete.
Ab 1934 arbeitete und lebte sie mit dem ungarischen Fotografen André Friedmann zusammen, der ihr das Fotografieren beibrachte. Sie wurde Bildagentin in einer Pariser Fotoagentur und erhielt im Frühjahr 1936 ihren ersten Presseausweis. Zu diesem Zeitpunkt gab sich das Fotografenpaar international klingende Künstlernamen, um nicht mehr als Flüchtlinge kenntlich zu sein: aus Gerta Pohorylle wurde „Gerda Taro“ und André Friedmann hieß nun „Robert Capa“. Unter diesen Namen sollten sie in die Fotografiegeschichte und die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs eingehen, der am 18. Juli 1936 mit dem Militärputsch von General Franco gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung begann.
Gerta Taro berichtete von nahezu allen Fronten, traf Ernest Hemingway, fotografierte in Lazaretten und Schützengräben. Der Spanische Bürgerkrieg erwuchs zum ersten modernen Medienkrieg. Schon die damalige Illustriertenpresse verlangte bilderhungrig den Krieg aus nächster Nähe zu sehen – ermöglicht durch moderne transportable Kleinbildkameras und lichtempfindlichere Filme. Für das Millionenpublikum der aufstrebenden Massenmedien wurde das Bild zum Reizmedium, zur Nachricht, die das Wort in den Hintergrund drängte. Am Abend des 25. Juni 1937 wurde sie an der Madrider Front unter einem Bombardement der „Legion Condor“ von einem republikanischen Panzer überrollt. Nach ihrem Tod wurde sie zur politischen Ikone. Gerda Taro ist auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris begraben. In Stuttgart wurde ihr 2008 ein kleiner Platz an der Hohenheimer Straße gewidmet.
Eine von Irme Schaber verfasste Biographie von Gerda Taro finden Sie in den Württembergischen Biographien 1 (2006) auf LEO-BW.
Zitierhinweis: Johanna Hähner, Die Fotojournalistin Gerda Taro, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.