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Der Fall Konstantinopels am 29. Mai 1453 und die „Türkenfucht“

"Auff, auff Ihr Christen!" Schrift des Wiener Predigers und Schriftstellers Dichters Abraham a Sancta Clara wider „den Mahometanischen Irrthum und Türckischen Erbfeind“. Abraham, geboren als Johann Ulrich Megerle in Kreenheinstetten auf der Schwäbischen Alb, trat 1662 in das Kloster Maria Brunn bei Wien ein. Er sah die Bedrohung als Folge selbst verschuldeter Sünden der Christenheit. Die Schrift erschien Anfang Juli 1683. Die entscheidende Schlacht am Kahlenberg fand am 12. September 1683 statt. Quelle: UB Freiburg, Virtuelle Bibliothek Sankt Peter im Schwarzwald (Ausschnitt des Covers)

Am 29. Mai 1453 fiel Konstantinopel nach rund zweimonatiger Belagerung. Das Ereignis hatte weitreichende Folgen. Im westlichen Europa wurde es als Ende des, nur noch rudimentär bestehenden, Byzantinischen Reichs wahrgenommen, als tiefgreifende Zäsur und Zeitenwende. Doch schon vorher hatte die Abwanderung vieler Gelehrter begonnen, die vorwiegend nach Italien gelangt waren. Mit den während der Belagerung eingesetzten Flüchtlingsschiffen - die Besatzungen der osmanische Flotte wurden auf dem Land gebraucht – konnte eine Vielzahl von Schriften gerettet werden, die ebenfalls nach Italien gelangten und der Renaissance wesentliche Impulse gaben. Zeitgleich begann sich die religiöse Krise abzuzeichnen, die die Sicherung des Seelenheils durch die römische Kirche und das Papsttum infrage stellte.

Der Fall Konstantinopels unter dem siegreichen Mehmed II. (1432-1481) leitete eine langandauernde Expansion des Osmanenreiches ein, dessen Schauplätze sich über Regionen des Mittelmeers, der heutigen Türkei und den Balkan erstreckten. Die Hagia Sophia wurde zur Moschee. Mehmed war aber auch daran gelegen, die schon zuvor durch Pestepidemien dezimierte Stadtbevölkerung wieder zu konsolidieren und Flüchtlinge wie Griechen oder Juden zur Rückkehr zu bewegen. Die Einnahme von Konstantinopel war neben ihrer symbolischen von strategischer Bedeutung. Die Kontrolle der Dardanellen eröffnete weitreichende Möglichkeiten im Schwarzmeerraum und im Bereich des östlichen Mittelmeers. Unter Mehmet II. kamen noch der Peloponnes mit dem „Despotat Morea“, das Kaiserreich Trapezunt im östlichen Mittelmeer, Albanien und die Krim zum Osmanischen Reich. Mit Selim I. (1470-1520) dehnte sich der Einfluss vor allem auf Ostanatolien und Ägypten mit den Städten Mekka und Medina aus. Als machtpolitischer Höhepunkt gilt das Zeitalter Süleymans I. (1520-1566), in das die Eroberung Belgrads, die Besetzung von Ofen und die Übernahme der Herrschaft in Teilen von Ungarn fielen. Vor dem Hintergrund eines habsburgisch-ungarischen Thronstreits kam es 1529 zur ersten osmanischen Belagerung Wiens. Bis zur Seeschlacht von Lepanto 1571 konnte die osmanische Flotte eine über mehrere Jahrzehnte eine militärische Vormachtstellung im Mittelmeer behaupten.

In Westeuropa entstand ein Szenario der Bedrohung, der „Türkengefahr“, vermittelt durch ein grausames Feindbild. Türkensteuern sorgten dafür, dass sich diese, persönlich erfahrbar, auf den Geldbeutel auswirkte. Der „Türke“ wurde zum Synonym einer fremden, nur stereotyp begreifbaren, islamischen Welt. „Türkenglocken“ riefen selbst in entlegenen Gebieten zum Gebet um Beistand gegen den „Erbfeind christlichen Namens“. Die „Türkenfurcht“ wurde durch Ereignisse wie den Langen Türkenkrieg (1593-1606), vorwiegend mit der Habsburgermonarchie, neu entfacht. Dementsprechend zelebriert wurde der Sieg während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 und die hier offensichtliche Abwendung der „Türkengefahr“. Weitgehend unbeachtet blieben in diesem Szenario die vielen Facetten des multiethnischen Osmanenreichs, die Handelsbeziehungen zwischen Ost und West sowie Stimmen der Toleranz auf beiden Seiten.

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