Der Umgang mit politisch belasteten Richtern in Württemberg-Baden

Die US-Militärregierung reagierte am 14. Januar 1948 auf die Vorwürfe im Mannheimer Morgen und verlangte eine Stellungnahme des Justizministeriums. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS EA 4/004 Bü 4
Die US-Militärregierung reagierte am 14. Januar 1948 auf die Vorwürfe im "Mannheimer Morgen" und verlangte eine Stellungnahme des Justizministeriums. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS EA 4/004 Bü 4

Nach dem Kriegsende 1945 verfolgten die Siegermächte nicht nur die strafrechtliche Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen, sie waren auch bestrebt, die öffentliche Sphäre von allen Einflüssen des Hitler-Regimes zu befreien. Grundlage für dieses Vorgehen stellte das Kontrollratsgesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 dar.

Auch das Land Württemberg-Baden musste politisch belastete Beamte – trotz eines erheblichen Mangels an qualifizierten Personen – aus dem öffentlichen Dienst entfernen. Dennoch war die US Militärregierung mit der Umsetzung der Entnazifizierung nicht zufrieden, da immer noch belastete Richter im Amt waren. Darum erging am 28. April 1947 folgende Anordnung: Es wurde festgestellt, dass ein grosser Prozentsatz der in Strafsachen verwendeten Richter frühere Mitglieder der NSDAP sind, die als Mitläufer eingestuft worden sind. […] Es wird wiederholt ausdrücklich betont, dass es die Politik der Militärregierung ist, […] in Strafsachen nur politisch einwandfreies Personal zu verwenden.

Der Einsatz politisch diskreditierter Juristen führte zwangsläufig zu Diskussionen und Streitigkeiten. Dies zeigt sich beispielhaft an der Person des Heidelberger Richters Wilhelm Mackert, der Mitglied verschiedener NSDAP-Organisationen und Richter am Sondergericht Mannheim gewesen war. In seiner Ausgabe vom 3. Januar 1948 übte der Mannheimer Morgen deutliche Kritik, dass ausgerechnet unter dem Vorsitz dieses Mannes ein Fall von Landfriedensbruch vor der Strafkammer des Heidelberger Landgerichts verhandelt worden war. Während die Zeitung Zweifel an einer objektiven Rechtsprechung äußerte, erkundigte sich die Legal Division der Militärregierung beim Justizministerium, warum man gegen die geltenden Vorschriften verstoßen habe. Kleinlaut erwiderte die Justizverwaltung, die fragliche Verhandlung habe noch im März 1947 stattgefunden. Nach der Bekanntgabe des Erlasses [habe] in der Strafkammer in Heidelberg ein politisch belasteter Richter nicht mehr den Vorsitz geführt. Obwohl Mackert fortan nur noch mit Zivilsachen betraut wurde, blieb er mit dem Vorwurf mangelnder Objektivität konfrontiert. Im September 1948 reichte die Heidelbergerin Julie Hornickel Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Mackert ein. In einer privaten Angelegenheit war sie zu einer Entschädigungszahlung verurteilt worden, die sie als politischen Racheakt interpretierte. Sie unterstellte Mackert, ihre Familie, die ein von einem NSDAP Funktionär geräumtes Haus bewohnte, wirtschaftlich um die Ecke bringen zu wollen. Unverblümt sprach sie von der Rache der SS. In der Tat verfügte Julie Hornickel über ein Zertifikat der Militärregierung, das ihre Familie als Nazivictims auswies.

Aus heutiger Sicht lässt es sich nicht mehr klären, ob sich Wilhelm Mackert bei der Urteilsfindung tatsächlich von seiner nationalsozialistischen Vergangenheit hatte leiten lassen. Doch legte die Beschwerdeführerin den Finger auf ein fundamentales Problem der Nachkriegsjustiz, wenn sie notierte:

Grundsätzlich darf wohl die Frage aufgeworfen werden, ob Richter, die jahrelang an Sondergerichten tätig waren, heute als Richter an ordentlichen Gerichten überhaupt noch tauglich sind, da es für viele aus psychologischen Gründen ziemlich schwer sein dürfte, von den jahrelang geübten Praktiken einer willkürlich-gesetzlos-autoritären Unrechtssprechung […] wieder loszukommen.

Marco Birn

Quelle: Archivnachrichten 49 (2014), S.30-31.

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