Die Neuordnung in der Napoleonischen Zeit

Eingangsminiatur aus dem Stammbuch Johann Ludwig Klübers, 1780 (GLAK 69 von Klüber 114 Bl. 1)
Eingangsminiatur aus dem Stammbuch Johann Ludwig Klübers, 1780 (Landesarchiv BW, GLAK 69 von Klüber 114 Bl. 1)

Das politische und gesellschaftliche Gefüge des alten Reiches, wie es sich als das Ergebnis einer langen Entwicklung herausgebildet hatte, war bereits von verschiedenen Seiten, hauptsächlich aus dem Lager der Aufklärung, Objekt der Kritik geworden. Die mächtigeren unter den Einzelstaaten, allen voran das seit 1792 in Ansbach herrschende Preußen, suchten auch schon die Verhältnisse unter Ausnützung ihrer Stärke zu ihren Gunsten zu bereinigen. All dies aber hätte auf lange Sicht nur zu schrittweisen Änderungen geführt, wenn nicht durch die französische Revolution von außen her ein radikaler Umsturz in Gang gebracht worden wäre. Die durch Diktat des westlichen Nachbarn erfolgte Neuregelung vollzog sich relativ leicht. Der große Umbruch schuf die Voraussetzungen dafür, dass sich im 19. Jahrhundert die gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen, die letztlich auf die moderne Industriegesellschaft hinzielten, vollziehen konnten. Eine, wenn auch im Grunde unumgängliche, so doch durch die außenpolitischen Absichten Frankreichs im Wesentlichen bestimmte Reform konnte keine Ideallösung bringen.

Ermordung zweier französischer Gesandter nach dem Friedenskongress in Rastatt, 1799 (GLAK J-E-R/6)
Ermordung zweier französischer Gesandter nach dem Friedenskongress in Rastatt, 1799 (Landesarchiv BW, GLAK J-E-R/6)

Schon die erste Phase der französischen Revolution hat die Rheingrenze erheblich verschärft, indem 1789 der unter französischer Landeshoheit befindliche Besitz der deutschen Fürsten gegen das Versprechen von Entschädigungen aus geistlichen Territorien enteignet wurde. Dem seit 1792 geführten ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich schlossen sich nach einigem Zögern auch die süddeutschen Fürsten an. Die militärischen Erfolge der jungen Republik machten ihnen bald deutlich, wie wenig eine Revision der von den Franzosen geschaffenen Verhältnisse auf dieser Seite zu erwarten war. 1795/96 hielten die Franzosen die ihnen zuvor noch einmal streitig gemachte Rheinfront endgültig und gingen bereits daran, in dem eroberten Gebiet ihre Verwaltung aufzubauen. Unter den Reichsständen hatte Württemberg schon 1794 Sonderverhandlungen mit ihnen eingeleitet, und als 1795 Preußen in Basel einen Sonderfrieden auf Kosten des Reiches und seiner schwächeren Glieder schloss, gab es auch für Baden keine Hemmungen mehr. 1796, während die Franzosen in Süddeutschland eindringen konnten, schlossen beide Staaten mit Frankreich Friedensverträge und erkannten die Rheingrenze an. Bayern lag zu sehr im militärischen Vorfeld von Österreich, als dass es sich ein Ausscheiden aus dem militärischen Bündnis leisten konnte, wiewohl es gerade, um die Pfalz zu halten, gerne seine Neutralität erklärt hätte. Ein erfolgreicher Gegenstoß der Österreicher im gleichen Jahr machte die Regierung in Karlsruhe nochmals unsicher, doch fällten die Siege Napoleons in Oberitalien die endgültige Entscheidung. Für das Reich wurde 1797 der Friedenskongress nach Rastatt einberufen. Seine Tätigkeit unterbrach 1799 der Zweite Koalitionskrieg, währenddessen die österreichischen Anfangserfolge, insbesondere der Sieg über die Franzosen bei Stockach, eine Schwenkung Württembergs herbeiführten und Baden nur mit Mühe bei einer Neutralität blieb. Das Jahr 1800 brachte aber sowohl in Oberitalien den Triumph Napoleons, wie in Süddeutschland den von Moreau und eine Bestätigung der Friedensabmachungen von 1796/97. Die Entschädigungsverhandlungen, die nun wieder folgten, sahen Baden in einem gewissen Vorteil wegen seiner Haltung 1799, und weil es dem badischen Unterhändler Freiherr von Reitzenstein gelang, durch entsprechende Bestechungen entscheidende Unterstützung bei Charles-Maurice de Talleyrand zu finden. Die Verwandtschaft mit dem russischen Zaren wirkte sich ebenfalls günstiger für Baden als für Württemberg aus.

Die Stadt Rottweil huldigt König Wilhelm I. von Württemberg, Glasfenster im Heilig-Kreuz-Münster, Rottweil (FaBi Bildbestand Landkreis RW)
Die Stadt Rottweil huldigt König Wilhelm I. von Württemberg, Glasfenster im Heilig-Kreuz-Münster, Rottweil (Landesarchiv BW, Bildbestand Landkreis RW)

Die praktisch schon 1802 zwischen Frankreich und Russland ausgehandelten Entschädigungen, die der Reichsdeputationshauptschluss dann 1803 sanktionierte, sahen etwas anders aus, als Baden ursprünglich angestrebt hatte, doch setzte sich im Grunde der Gedanke eines, wenn auch noch nicht zusammenhängenden, zur Kurwürde erhobenen oberrheinischen Pufferstaats durch und konnte Württemberg vom Rhein ferngehalten werden. Dieses erhielt im Neckarland liegende Reichsstädte, das Stift Ellwangen und kleinere geistliche Gebiete sowie ebenfalls die Kurwürde. Die Aufteilung der rechtsrheinischen Pfalz verschaffte Bayern den Anspruch auf großen Gebietsausgleich in Franken und in Schwaben, u.a. die Reichsstadt Ulm. Österreich musste den Breisgau für eine Sekundogenitur freimachen. Zahlreiche kleinere Fürsten und Grafen aus dem Reichsgebiet westlich des Rheines wurden mit geistlichen, z. T. auch reichsstädtischen Splitterterritorien vor allem in Oberschwaben und im Frankenland entschädigt. Baden erhielt die rechtsrheinischen Teile der Hochstifte Speyer, Straßburg, Basel, Konstanz, die Abteien Petershausen, Salem und Gengenbach, die rechtsrheinischen Gebiete von Hanau-Lichtenberg, Lahr, die Reichsstädte Überlingen, Pfullendorf, Biberach, Gengenbach, Offenburg, Zell und Wimpfen sowie die pfälzischen Kerngebiete um Mannheim und Heidelberg. Württemberg konnte sein Territorium um die Gebiete der Klöster Ellwangen, Schöntal, Rottenmünster und Zwiefalten, Comburg sowie um die Territorien der Reichsstädte Schwäbisch Hall, Heilbronn, Aalen, Gmünd, Esslingen, Weil, Giengen, Reutlingen und Rottweil erweitern. Bayern erhielt (hier nur die Veränderungen innerhalb des späteren Baden-Württemberg) zunächst die Reichsstädte Ulm, Rothenburg, Ravensburg, Wangen, Leutkirch, Buchhorn und Bopfingen sowie kleineren geistlichen Besitz in Oberschwaben. Die kleineren Reichsstände wie Hohenzollern, Hohenlohe und Löwenstein-Wertheim wurden mit benachbarten geistlichen Territorialsplittern abgefunden. Als größere neue Territorien innerhalb des heutigen Bundeslandes entstanden das Fürstentum Leiningen aus pfälzischen, kurmainzischen und würzburgischen Ämtern, das Fürstentum Salm-Krautheim aus mainzischen zu beiden Seiten der Jagst. Oberschwaben füllte sich mit neuen kleinen Herrschaften, vielfach nur auf Teilen der auch schon nicht großen geistlichen Gebiete aufbauend. Am beachtlichsten waren hier die Erwerbungen der Thurn und Taxis, denen Stadt und Stift Buchau, die Abteien Neresheim und Marchtal sowie einzelner Salemer Besitz zufielen. Die Grafen von Quadt erhielten Isny. Der Johanniterorden wurde mit der bisher St. Blasianischen Grafschaft Bonndorf und mit den unter österreichischer Landeshoheit gestandenen Klöstern im Breisgau entschädigt, letztere gab die Breisgauer Regierung allerdings nicht heraus. Unmittelbar auf den Reichsdeputationshauptschluss, dem vielfach schon die provisorische Inbesitznahme vorausgegangen war, folgten eine ganze Reihe von Austauschverträgen unter den mit ihrem Besitz nicht immer zufriedenen Gewinnern, Wimpfen wurde ganz hessisch. Noch damals bemühte sich Österreich seinen schwäbischen Besitz abzurunden, während der Breisgau unter der Habsburger Seitenlinie von Modena stand. Beim diplomatischen Vorspiel zum Dritten Koalitionskrieg 1805 war im Gegensatz zu 1794/96 Bayern als erster süddeutscher Staat auf der Seite Frankreichs. Württemberg und Baden hingegen versuchten zunächst mit preußischer Unterstützung neutral zu bleiben. Am militärischen Geschehen waren denn auch die Bayern maßgeblich beteiligt. Die Entscheidung für Süddeutschland fiel schon mit der Kapitulation der Österreicher in Ulm am 17. Oktober, nur etwas mehr als zwei Wochen nach dem Anschluss Badens an Napoleon. Gewiss wäre dieses bei der neuen Landverteilung wesentlich weniger großzügig bedacht worden, wenn nicht Napoleon den badischen Thronfolger für seine Heiratspläne gebraucht hätte.

Empfang Napoleons I. bei Ettlingen, 1805 (GLAK J-E-E Nr. 14)
Empfang Napoleons I. bei Ettlingen, 1805 (Landesarchiv BW, GLAK J-E-E Nr. 14)

Die zweite Stufe der territorialen Umordnung Süddeutschlands begann schon während des Krieges. Aufgrund eines Tagesbefehls Napoleons eigneten sich Bayern, Württemberg und dann auch Baden die ihren Gebieten eingesprengten oder benachbart liegenden Ort der Reichsritterschaft, des Deutschen und des Johanniterordens an, wobei Württemberg mit Bonndorf und dem Neckaroberamt des Deutschordens die größten zusammenhängenden Komplexe gewann. Noch stärker als 1802/03 machte sich eine gegenseitige Konkurrenz bemerkbar, und vielfach entschied der schnellere Zugriff, wobei sich im allgemeinen Württemberg hervortat. Der an Weihnachten 1805 geschlossene Pressburger Friede sicherte Baden die Landvogtei Ortenau und den größten Teil des Breisgaus sowie die Stadt Konstanz und die Deutsch-Ordenskommende Mainau. Die übrigen österreichischen Vorlande, also den östlichen Breisgau mit Villingen und Triberg und ganz Schwäbisch-Österreich westlich der Iller mit Ausnahme von Gebrazhofen und Tettnang, die bayerisch wurden, erhielt Württemberg. In einem Ringtausch ging Anfang 1806 das Fürstentum Ansbach und damit auch Crailsheim an Bayern über, das zuvor eine Demarkationslinie mit Württemberg festgelegt hatte.

Württembergische Hoheitstafel aus Blech, 1806 (StAS Ho 80 A T 2 Nr. 492)
Württembergische Hoheitstafel aus Blech, 1806 (Landesarchiv BW, StAS Ho 80 A T 2 Nr. 492)

Napoleons Pläne richteten sich nun auf eine völlige Bindung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten an Frankreich und damit auf eine Zerschlagung des Reiches. Dabei wünschten die französischen Diplomaten, besonders Talleyrand, die Erhaltung der Kleinstaaten, während die süddeutschen Mittelstaaten eine Mediatisierung befürworteten. Napoleon entschied sich mit wenigen Ausnahmen für letzteres, schloss zuerst nur mit Bayern (12. Juli 1806) ab und zwang so die übrigen zum Beitritt in den Rheinbund. In diesem argwöhnten die neugeschaffenen Königreiche Bayern wie Württemberg nur eine Beschneidung ihrer Souveränität, dagegen brauchten die kleineren, auch das durch Reitzenstein vom maßstabslosen Plan eines Königstitels abgebrachte Großherzogtum Baden, den Zusammenschluss, um bestehen zu können. Innerhalb Südwestdeutschlands blieben von den kleineren Staaten die beiden Hohenzollerischen Fürstentümer aufgrund persönlicher Beziehungen zu Napoleons erster Gattin selbständig sowie das Fürstentum von der Leyen mit Hohengeroldseck. Alle anderen mussten sich der Souveränität der Mittelstaaten unterordnen, nachdem sie zunächst wie im Jahr zuvor auch die Reichsritterschaft versucht hatten, durch gemeinsames Vorgehen ihre Rechte zu wahren. Bayern kam damals an seiner Westgrenze zur Oberhoheit über die hohenlohischen Ämter Kirchberg und Schillingsfürst, über das Gebiet der Grafen von Öttingen und über die Fuggerschen Herrschaften, Baden erhielt die Souveränität über den größten Teil des Fürstentums Fürstenberg, den Klettgau, Leiningen, Löwenstein, Wertheim südlich des Mains und Salm-Krautheim nördlich der Jagst.

Die Rheinbundakte, 1806 (GLAK 48/6275)
Die Rheinbundakte, 1806 (Landesarchiv BW, GLAK 48/6275)

Südlich dieses Flusses griff Württemberg aus, das außerdem u.a. den Hauptteil der hohenlohischen Lande, Limpurg, die schwäbischen Besitzungen Fürstenbergs sowie Waldburg mediatisierte. Zu größerer Geschlossenheit beider Mittelstaaten verhalf die Übergabe Biberachs an Württemberg, die von Bonndorf und Villingen an Baden. Wieder folgten auf diese große Umschichtung verschiedene Austauschverträge.
Eine dritte große Verschiebung der Territorialverhältnisse hängt mit der Besiegung des sich nochmals erhebenden Österreich 1809 und der Belohnung der jetzt auch militärisch schlagkräftig geworden südwestdeutschen Bundesgenossen Napoleons im Anschluss an den Schönbrunner Frieden zusammen. Schon 1809 hatte der französische Kaiser den Deutschorden ganz aufgehoben und das diesem bisher verbliebene Tauberoberamt an Württemberg gegeben. Als Kompensation für seine im Osten gemachten Gewinne musste Bayern alle Gebiete westlich der damals festgelegten, bis heute geltenden Landesgrenze also um Crailsheim, Ulm, Tettnang an Württemberg abtreten.

Crailsheim, 1884 (Oberamtsbeschreibung Crailsheim, 1884)
Crailsheim, 1884 (Oberamtsbeschreibung Crailsheim, 1884).

Dieses, so zu einer Abrundung gelangt, reichte dafür westliche Gebiete an Baden weiter, vor allem Neuenbürg sowie das altwürttembergische Hornberg. Erst damit war der Gesamtzusammenhang der badischen Lande hergestellt, und dafür konnte das Großherzogtum die mit der Souveränität über Leiningen erlangten Amorbach und Miltenberg an Hessen abtreten. Bis auf kleinere Bereinigungen war damit der bis 1945 geltende Zustand erreicht. Von den späteren Änderungen sind höchstens noch erwähnenswert der Wiedererwerb des 1808 an Frankreich abgetretenen Brückenkopfes Kehl 1814 durch Baden, die Abtretung des Amtes Steinfeld am Main an Bayern 1816, wofür Baden 1819 das mediatisierte Hohengeroldseck von Österreich erhielt. Es wurde 1843, bis das Kondominat Widdern zwischen Baden und Württemberg aufgeteilt wurde, und 1905, bis das badisch hessische Kondominat Kürnbach abgelöst war. Ungleich stärker als durch diese kleinen noch offenen territorialen Bereinigungen wurde die staatliche Ordnung des deutschen Südwestens durch bayerische Ansprüche auf badisches Gebiet noch bis 1830 belastet.

(Quelle: Bearbeitete Fassung aus dem Abschnitt Landesgeschichte, in: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band I, Stuttgart, 2. Aufl. 1977)

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