Feiern als Konfrontation. 100 Jahre Reformation in Hohenlohe

Keine Spur von Ökumene: Anlässlich des ersten großen Reformationsjubiläums von 1617 setzten protestantische Herrschaften klar auf Konfrontation. In gedruckten Pamphleten steht die Person Martin Luthers im Vordergrund der Betrachtung. Vorlagen: Landesarchiv BW HZAN La 5 Bü 605
In gedruckten Pamphleten anlässlich des ersten großen Reformationsjubiläums von 1617 steht die Person Martin Luthers im Vordergrund der Betrachtung. Vorlagen: Landesarchiv BW HZAN La 5 Bü 605

Es werden uff künfftigen Freytag (da wir solchen Tag durch Gottes gnadt erleben) 100 Jahr verfloßen sein, das der barmherzige Gott seinen darzu erwehlten Werkhzeug, den hochgelerten theuren Mann, Dr. Martin Luthern […] erwecket, welcher zu Wittenberg in Sachsen das leidige verführische Papstum zum erstenmahl aus Gottes wortt mit einer offentlich Schrifft angegriffen […] hatt. Mit diesen Worten beginnt eine Denkschrift zur Ausrichtung des Reformationsjubiläums von 1617 in Hohenlohe. Man solle, so das ungezeichnete Schreiben weiter, in allen Orten der Grafschaft predigen, singen, spielen, auff Orgeln und allerhand seiten Spielen, bitten, betten, und also Gott den Herren mit Mundt und Hertzen frölich anrueffen.

Über die konkrete Gestaltung der Feierlichkeiten herrschte bei den Grafen von Hohenlohe zunächst Unklarheit. Erhaltene Dokumente belegen, dass man sich beim Herzog von Württemberg und der Reichsstadt Hall nach deren Plänen für das anstehende Fest erkundigte und zwei Druckschriften aus Sachsen heranzog.

Soweit es sich aus den erhaltenen Dokumenten ersehen lässt, begannen die Feierlichkeiten in Hohenlohe mit einer Vesper am Abend des 30. Oktobers 1617, der nach dem julianischen Kalender auf einen Donnerstag fiel. An den drei Folgetagen wurden allerorten festliche Predigten abgehalten. Zumindest im Landesteil Hohenlohe-Weikersheim, vermutlich aber in ganz Hohenlohe, war das musikalische Programm fest vorgegeben. Nebst anderen Stücken sollten freilich auch Kirchenlieder aus Luthers Feder gesungen werden, darunter das unvermeidliche Ein feste Burg ist unser Gott und Erhalt uns, Herr, bei Deinem Wort, das den Papst und die Türken in einem Atemzug nennt und den Katholiken entsprechend bitter aufstieß.

Ob die Predigttexte gleichfalls durch die Obrigkeit ausgewählt wurden, wie es aus anderen Herrschaften belegt ist, ist ungewiss. Eine Textstelle deutet auf eine gewisse Wahlfreiheit der Pfarrer hin: Während Johann Christian Wibel (1711–1772) als früher Chronist der hohenlohischen Kirchengeschichte für den Freitag eine Stelle aus Daniel nennt (Dan 11,44–45), sollte laut ihm am Sonntag, dem 2. November 1617, Offenbarung 14,8 als Thema der Predigt verwendet werden: VND ein ander Engel folget nach / der sprach / Sie ist gefallen / sie ist gefallen / Babylon / die grosse Stad / Denn sie hat mit dem Wein jrer Hurerey getrencket alle Heiden. Der markige Bibelvers, den die Lutheraner natürlich auf den Heiligen Stuhl in Rom bezogen, lässt tief blicken. Dass 400 Jahre später ein Papst zum Dialog zwischen Katholiken und Protestanten aufrufen und die Gemeinsamkeiten der Konfessionen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen würde, dürfte seinerzeit, am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges, die Vorstellungskraft der Menschen überfordert haben.

Im Übrigen richteten die Organisatoren des Reformationsjubiläums in Hohenlohe ihre Aufmerksamkeit auch auf ganz praktische Dinge. Aus Sicht der zahlreichen Weinbauern der Region hatte Martin Luther den Zeitpunkt für seinen Thesenanschlag denkbar schlecht gewählt. Die oben erwähnte Denkschrift schlägt explizit vor, den Untertanen nach den Gottesdiensten die Arbeit am Weinberg zu erlauben. Das Dokument schließt mit den hoffnungsfrohen Worten: Welchem nun unter uns allen, das heilige von Gott durch Lutherum uns wiederub zugesandte seeligmachende Evangelium eiferig zu Herzen gehet: solchen wirdt der Christlich eifer, alß ein brennendes Feuer in seinem Herzen, selbst nun auß dem Hauß od Kälter zur Kirch jagen.

Andere Zeiten brachten andere Formen des Gedenkens an den Beginn der Reformation hervor. Für 1717 ist im Hohenlohischen die Verteilung von Wecken und Brezeln an Schulkinder und die Prägung von Gedenkmünzen belegt. Die Feiern zum 300. Jahrestag des Thesenanschlags standen vielerorts unter dem Eindruck der gerade überwundenen Hungerkrise von 1816/17.

 Jan Wiechert

Quelle: Archivnachrichten 54 (2017), S.26-27.

Suche