Politik mit Angst, Angst durch Politik

Eine kleine Geschichte der Angst anhand ausgewählter Plakate

»So oder so … Du hast die Wahl« ­ zwischen Wiedervereinigung und Frieden oder Aufrüstung und Krieg. Die GVP artikulierte im Bundestagswahlkampf 1953 die Angst vor dem Krieg. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS J 153 Nr. 45. Zum Vergrößern bitte klicken.
»So oder so … Du hast die Wahl« ­ zwischen Wiedervereinigung und Frieden oder Aufrüstung und Krieg. Die GVP artikulierte im Bundestagswahlkampf 1953 die Angst vor dem Krieg. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS J 153 Nr. 45. Zum Vergrößern bitte klicken.

Ängste lassen sich politisch adressieren, instrumentalisieren und choreographieren. Ein Medium, das sich in besonderer Weise für das Schüren von Ängsten eignet, ist das politische Plakat, das einfache Textbotschaften mit eindringlichen Darstellungen verbindet und auf eine emotionalisierende Wirkung setzt.

Während des Ersten Weltkriegs werden in zahlreichen Plakaten Bedrohungsszenarien entworfen: Die Bedrohung durch englische Luft- und Artillerieangriffe, die Gefahr einer militärischen Umklammerung oder das Großmachtstreben Frankreichs und Englands, das die eigene Nation gefährde. Die nationalsozialistische Propaganda produziert apokalyptische Bilder, die Ängste hervorrufen sollen – sehr häufig in Verbindung mit einem krassen Antisemitismus. In einem Plakat von 1942 wird in grellen Farben ausgemalt, was den Deutschen im Falle einer Niederlage drohe, nämlich die Deportation und Unschädlichmachung der deutschen Jugend und unschuldiger Kinder. Je stärker die Angst, desto größer die Einsatz- und Opferbereitschaft sowie die Loyalität zum Regime, so das Kalkül.

Die Grünen zogen 1983 erstmals in den Bundestag ein. Sie griffen neue Themen und Problemlagen auf und adressierten in ihren Plakaten die daraus resultierenden Ängste – beispielsweise vor der Atomkraft. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS J 153 Nr. 510. Zum Vergrößern bitte klicken.
Die Grünen zogen 1983 erstmals in den Bundestag ein. Sie griffen neue Themen und Problemlagen auf und adressierten in ihren Plakaten die daraus resultierenden Ängste – beispielsweise vor der Atomkraft. Vorlage: Landesarchiv BW, HStAS J 153 Nr. 510. Zum Vergrößern bitte klicken.

In den Wahlplakaten der CDU der 1950er Jahre wird die Bedrohung durch den Kommunismus thematisiert. Ein Wahlplakat zur Bundestagswahl 1957 zeichnet eine bedrohlich-düstere Stimmung. Unter Bezugnahme auf den 1956 von sowjetischen Truppen gewaltsam niedergeschlagenen Volksaufstand in Ungarn appelliert es an den Betrachter: Denkt an Ungarn: Seid wachsam! CDU – und artikuliert die Angst vor einer aggressiven und brutalen Sowjetmacht. Die Gesamtdeutsche Volkspartei positioniert sich 1953 zur Wiederaufrüstungsdebatte und inszeniert zwei sich gegenseitig ausschließende Alternativen: Aufrüstung mit Krieg und Tod, oder Wiedervereinigung in Frieden, und natürlich spielt das Plakat damit, dass der Betrachter unter dem Eindruck des nicht lange zurückliegenden Weltkriegs Angst vor dem Krieg empfindet und sich für den richtigen Weg entscheidet. Seit den 1970er und 1980er Jahren entwickeln sich neue Probleme: Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung, Waldsterben und Atomkraft, was neue Ängste aufkommen lässt, die politisch adressiert werden. Die 1980 gegründete Partei Die GRÜNEN setzt in ihren politischen Plakaten auch darauf, dass sich die Wählerinnen und Wähler davon bedroht fühlen und folglich Angst empfinden.

Unterschiedlichste politische Akteure setzen in ihren politischen Plakaten eindringlich illustrierte Drohkulissen in Szene, die beim Betrachter Angst hervorrufen sollen. Angst ist demnach eine wichtige emotionale Ressource: Zur Erzeugung von Zusammengehörigkeit und Loyalität, zur Mobilisierung von Ressourcen unter Krisen-, Kriegs- und Diktaturbedingungen und im politisch-demokratischen Wettbewerb.

Felix Teuchert

Quelle: Archivnachrichten 63 (2021), Seite 34-35.

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