Friedrich Nebenius und Friedrich Landolin Karl von Blittersdorf  im Spiegel ihrer Nachlässe

Friedrich Landolin Karl von Blittersdorf (1792 – 1861) und Karl Friedrich Nebenius (1784 – 1857). Quelle LABW (GLAK J-Ac B 14 und GLAK J-Ac N 9)
Friedrich Landolin Karl von Blittersdorf (1792 – 1861) und Karl Friedrich Nebenius (1784 – 1857). Quelle LABW (GLAK J-Ac B 14 und GLAK J-Ac N 9)

Die Unterlagen der beiden politischen Kontrahenten, Innenminister Nebenius und Außenminister von Blittersdorf, führen ins Zentrum der badischen Geschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sollte das neu entstandene Großherzogtum sich mit seiner Verfassung von 1818 zum liberalen Musterland entwickeln oder wieder in der Reaktion versinken? Die staatlichen Reformen in Baden und die darüber im Karlsruher Landtag öffentlich ausgetragenen Debatten wurden von ganz Deutschland mit Spannung beobachtet.

Der unbefriedigende Zustand der bisherigen Findmittel für die 1887/88 und 1908 ins Generallandesarchiv Karlsruhe gelangten Nachlässe von Nebenius (GLAK N Nebenius, Umfang 5,2 Regalmeter) und Blittersdorf (GLAK 52 Blittersdorf, Umfang 1,9 Regalmeter) machte seit Langem eine Neuerschließung notwendig. Die 2009 durchgeführten Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten mit ihrer modifizierten Klassifikation und ihren ausführlichen Titelaufnahmen ermöglichen der Forschung nun einen wesentlich verbesserten Zugang zu dem historisch hochwichtigen Material, das all seine Geheimnisse noch nicht preisgegeben hat. Beide Findmittel stehen im Internet für die Recherche zur Verfügung. Um einen ersten Eindruck von der Reichhaltigkeit der Unterlagen zu vermitteln, wird im Folgenden kurz auf einige Themenschwerpunkte in Leben, Werk und Nachlass der beiden Minister eingegangen. Karl Friedrich Nebenius schrieb den maßgeblichen Entwurf für die badische Verfassung von 1818 und gehörte zu den Wegbereitern des Deutschen Zollvereins und des Eisenbahnbaus in Baden. Er war ein anerkannter Fachmann für die Finanz- und Wirtschaftspolitik, führte die Gewerbeschule ein und gilt als eigentlicher Organisator des Karlsruher Polytechnikums. Im Konflikt des Staats mit der katholischen Kirche bezog er eindeutig Stellung, reflektierte Badens Einfluss im Deutschen Bund, erörterte die soziale Frage und die Probleme der Auswanderung, analysierte schließlich die Geschehnisse der Revolution von 1848/49.

Nebenius' große Zeit begann 1830 nach dem Regierungsantritt von Großherzog Leopold, als er als Mitarbeiter seines Schwagers, des Innenministers Ludwig Georg Winter, Badens liberale Sternstunde mit organisierte. Nach dessen überraschendem Tod 1838 rückte er selbst als Innenminister auf, doch nur um im Jahr danach durch eine Intrige des Außenministers Blittersdorf gestürzt zu werden, der die Metternich'sche Reaktion in Karlsruhe vollenden wollte. Nach einer zweiten kurzen Amtszeit als Innenminister 1845/46 war Nebenius bis 1849 Präsident des Staatsrats.

Sein politischer Gegenspieler Friedrich Landolin Karl Freiherr von Blittersdorf(f) hatte nach Abschluss seines juristischen Studiums verschiedene Positionen im Staatsdienst inne. 1818 wurde er badischer Geschäftsträger in Sankt Petersburg, im folgenden Jahr unterstützte er Außenminister von Berstett auf den Ministerialkonferenzen in Karlsbad und Wien. Seit 1821 war er als badischer Gesandter am Bundestag in Frankfurt am Main tätig.

Blittersdorf war ein entschiedener Gegner der Verfassung und setzte sich für die Stärkung des Deutschen Bunds ein, der die monarchische Idee in den Mitgliedsstaaten verteidigen sollte. 1835 zum Außenminister ernannt, erlangte er ab 1838/39 immer größeren Einfluss auf die badische Politik und setzte einen antiliberalen Kurswechsel in der sogenannten Ära Blittersdorf durch. Nach einem schweren Konflikt mit der Zweiten Kammer des Landtags musste er 1843 auf seinen alten Posten am Bundestag zurückkehren, wo er bis 1848 verblieb.

Die beiden von Nebenius und Blittersdorf überlieferten Porträts zeigen sie so, wie sie sich wohl selbst sehen wollten: auf der einen Seite ein gebildeter bürgerlicher Beamter, auf der anderen ein adliger Karrierediplomat. Ihre Unterlagen geben auch über ihre Begegnungen Auskunft, so wenn Nebenius in seinen Erinnerungen über die Person und Politik von Blittersdorf ab Mitte der 1830er-Jahre resümiert oder wenn Blittersdorf im Juni 1817 Notizen über ein Gespräch mit Nebenius anfertigt, mit welchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der herrschenden Hungersnot am besten begegnet werden könne.

Rainer Brüning

Quelle: Archivnachrichten 41(2010), S. 18-19.

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